Innensicht: Flashback in die 70er-Jahre

Restaurants haben nicht nur ein kulinarisches, sondern auch ein architektonisches Innenleben. Bemerkenswerte historische oder heutige Interieurs in der Stadt St.Gallen stellt die Rubrik «Innensicht» vor, eine Kooperation der Heimatschutz-Sektion St.Gallen/Appenzell I.Rh. mit Saiten. Heute: Rondelle.
Von  Gastbeitrag

Das Hochhaus an der Verzweigung Rehetobel-/Achslenstrasse war bei seiner Einweihung im März 1972 St.Gallens
 erster Turm mit Eigentumswohnungen. Geplant hatte ihn Architekt Heinrich Graf (1930–2010), der auch die drei benachbarten Hochhäuser entwarf – heute sind sie bewunderte Vertreter des «Brutalismus»-Architekturstils. Die Parterreräume im ersten Turm hatten von Anfang an die Funktion eines Quartierzentrums mit Hallenbad, Fitnesszentrum, Maxi-Markt, Coiffeur und dem Restaurant «Rondelle».

Rondelle:
Achslenstrasse 4,
071 288 13 20,
rondelle-sg.ch

Dessen Name – so erinnert sich ein langjähriger Hausbewohner – war das Resultat eines Publikumswettbewerbs. «Rondelle» nimmt Bezug auf die Architektur: Aus der Fassade stülpen sich halbrunde Nischen aus, die drinnen Rückzugsorte bilden, mit runden Wandbänken und Tischen und unter runden Decken. Der Ort war prestigeträchtig und den Eigentumswohnungsbesitzern angepasst. Bei der Eröffnung waren die Wände dunkelbraun getäfert, die Decke auberginefarben, der Spannteppich, rotbraun diagonal gemustert, zog sich an den Wänden der Bar hoch. Die Raumteiler waren rot, die Vorhänge orange, die Tischtücher gelb, ein grosses Fenster gab den direkten Blick frei ins darunterliegende Hallenbad. Die 70er-Jahre-Farbigkeit war ein Kontrapunkt zur Betonarchitektur.

In den 90er-Jahren erlebte das Haus turbulente Zeiten: mit einem Sauna-Swingerclub, mit Schlägereien unter Zuhältern, mit einem Buttersäureanschlag und am
 27. Januar 1997 gar mit fünf Schüssen auf die Fensterfront der «Rodelle», die dem Saunaclub galten. 1999 wurde die Sauna Swing dichtgemacht – tempi passati.

Wirtin Annette Kilimann hat die «Rondelle» in den letzten Jahren zu einem Quartierrestaurant mit gutbürgerlicher Küche und zu einem Treffpunkt mit einem Stammtisch gemacht. Decke und Wände sind heute hell gestrichen, doch zeittypischer 70er-Jahre-Groove ist nicht verschwunden: die blauen Kacheln an der Bar, die «fliegenden» Sitzbänke in den runden Nischen und die Originalstühle erinnern an die Bauzeit.