Innensicht: Essen in der Bankschalterhalle

Restaurants haben nicht nur ein kulinarisches, sondern auch ein architektonisches Innenleben. Bemerkenswerte historische oder heutige Interieurs in der Stadt St.Gallen stellt die Rubrik «Innensicht» vor, eine Kooperation der Heimatschutz-Sektion St.Gallen/Appenzell I.Rh. mit Saiten. Heute: Tibits.
Von  Gastbeitrag

Schon das runde Entrée verrät mit seiner Kuppeldecke: Wir betreten das Gebäude der ehemaligen Eidgenössischen Bank. Die Verzierung symbolisiert einen Goldstücke-speienden Brunnen. Die Bank, 1863 in Bern gegründet, war die Vorgängerin der 1905 gegründeten Nationalbank und eröffnete bald Filialen. In St.Gallen entstand diese im Rekordtempo, zwischen Mai 1907 und Oktober 1908. Hier waren – wie bei der Hauptpost ein paar Jahre später – die Architekten Pfleghard & Haefeli am Werk. Die Konstruktionspläne stammen vom Ingenieur Robert Maillart.

Bahnhofplatz 1a,
071 272 61 11,
tibits.ch

Besonders gut geschützt wurden die Tresorräume im Untergeschoss. Böden und Decken sind durch ein dichtes Netz von Stahlschienen gegen Einbruch und Einsturz gesichert und von Kontrollgängen umgeben. Auf Reste des Tresors trifft, wer zu den Toiletten heruntersteigt.

Bei aller baulichen Sicherheit: Die Eidgenössische Bank musste nach dem Zweiten Weltkrieg, 1945, ihre Selbständigkeit aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben und wurde von der Bankgesellschaft übernommen – der heutigen UBS. 1946 kaufte die Bodensee-Toggenburgbahn (die heutige Südostbahn SOB) das Gebäude. Sie richtete hier ihre Büros und ihr eigenes Auskunfts- und Reisebüro ein. Die ehemalige Bankschalterhalle teilte sie mit der Tourist-Information.

Die einstige Bankschalterhalle wurde mehrfach umgestaltet, zuletzt 1990 durch den St.Galler Architekten Bruno Bossart. Er baute im hinteren Teil des ursprünglich durchgängig sechs Meter hohen Raumes eine Galerie ein, auf der jetzt Restauranttische und -stühle stehen. Charakteristische Jugendstilelemente und Maillarts Betonstützen bleiben sichtbar, ergänzt durch die neue Farbigkeit der Blumenmuster an den Wänden und den Restauranteinbauten. Die Warteschlangen bilden sich heute nicht mehr vor den Bankschaltern, sondern vor der Insel mit den vegetarischen Speisen.