Innensicht: Aufgefrischte Feudalzeit
Gemeindehauptmann Johannes Papert und seine Frau Maria Bossartin liessen sich auf dem Areal des Hofes Haggen mit Bewilligung des Fürstabtes das Schlösschen 1644 erbauen, «mit Gottes Hilf und Gnad vorab», wie es auf der Fassade heisst. Das Geld hatte Papert als Hauptmann in spanischen Diensten verdient, und weil er offensichtlich Macht und Einfluss besass, heisst das nahe Quartier bald nach ihm, zwar nicht Papert-, aber Boppartshof.
Das Schlössli Haggen ähnelt bis heute einer mittelalterlichen Feudalburg, sein Erker erinnert an einen Wehrturm. Ursprünglich war der Bau durch eine Mauer und ein Ökonomiegebäude abgeschlossen. Soviel weiss man aus der Geschichte – doch dann tut sich eine Lücke auf, deshalb ein Zeitsprung: 1918 erwarb die Stadt das Schlössli, in dem seit 1890 eine Gastwirtschaft aktenkundig ist. Mehrmals waren Handwerker im Haus: 1876, 1912, 1935, 1974/75 und zuletzt 2007 wurde renoviert.
Haggenstrasse 94, 071 277 31 01, schlössli-haggen.ch
Die Sanierungen spiegeln die sich wandelnden denkmalpflegerischen Auffassungen: In den 30er-Jahren war ein mit barocken Elementen versehenes Täfer eingebaut worden, bei der Renovation in den 70er-Jahren riss man es, weil «unbedeutend», wieder heraus. Und vor zehn Jahren mussten historisierende Teile, die in den 70er-Jahren eingebaut wurden, dran glauben.
Im Schlössli ist dennoch vieles «echt alt». Etwa das aus dem 17. Jahrhundert stammende Täfer in der Boppartstube im Erdgeschoss und im Erkerraum im Obergeschoss. Schon beim Eintreten empfängt einen die Geschichte des Hauses mit einer Kreuzigungsszene an der Wand. Hier stehen ein Schrank mit der Jahreszahl 1669 und ein Klapptisch von 1681. Das Wirtepaar Adem Özütürk und Andrea Richle sorgen mit ihrer Crew für einen respektvollen Umgang mit diesem Erbe.
Wie man historische Bausubstanz mit modernen Elementen ergänzen kann, machte der Herisauer Architekt Paul Knill 2007 vor: Zeitgenössische Bodenbeläge passen zu historischem Täfer, die neue Treppe, der eingebaute Lift und die Toiletten sind in einer zurückhaltenden Architektursprache mit Stahleinbauten konstruiert. Und die Beleuchtung aus den 70er-Jahren, entworfen vom bekannten St.Galler Lichtdesigner Charles Keller, blieb auch erhalten.