In der Bar zur toten Katze
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Er habe schon immer eine Bar aufmachen wollen, sagt Michael Bodenmann. «Eine Bar wie in Japan, die man im Morgengrauen verlässt, wenn die Krähen den Abfall von der Strasse holen.» Jetzt hat er es getan. Im März konnte sie noch eröffnet werden, dann kam Corona, und im «El Gato Muerto» vertrockneten die Blumen auf dem Tresen.
Rund eine Woche Arbeit hatten Bodenmann und Barbara Signer in den Umbau im Abbruchobjekt Konsulat investiert und den bisher unscheinbaren Raum rechts vom Treppenaufgang noch einmal ganz neu zum Blühen gebracht. Das Ergebnis ist ein Traum in Rotschwarz.
Die Wände tapeziert mit Requisiten, die Vitrine hinter der Bar vollgestopft. Ein Erinnerungsrausch aus Jahren passionierten Sammelns, Schallplatten, Videokassetten, eine ganze Galerie Zigarettenpackungen auf der Wandleiste, Miniaturmodelle von Gebäuden aus allen möglichen Ländern, Kinoplakate: «Hana-Bi», «Chungking-Express». An einer Wand hängt Barbara Signers Bild eines aufgeschnittenen traditionellen japanischen Kuchens, publiziert vor Jahren in einer Plakatserie des Kunstvereins.
Er habe für diese Ausstellung viele seiner Kisten wieder einmal ausgepackt, sagt Michael Bodenmann. Das sei ein Stück Erinnerungsarbeit, ein Denkprozess, eine Erfahrung: Dinge sind keine tote Materie, in ihnen leben eigene und fremde Vergangenheiten weiter.
Objekte erzählen Geschichten
Die beiden Künstler können zu jedem der Objekte eine Geschichte erzählen. Das braucht Zeit, und genau dafür seien die Bars in Japan wie geschaffen. Bodenmann beschreibt die typische japanische Bar als halb öffentlichen, halb privaten Raum, «extrem stubig», ein gastlicher Ort für jene Unzähligen, die zuhause kaum Platz haben. Kein Fenster lässt das Draussen rein. Drinnen bleibt man sitzen, konsumiert, kommt wie von selber ins Gespräch. Und raucht, mit Blick auf ein Täfelchen mit der Aufschrift «Vietato fumare» oder auf Harvey Keitel auf dem Filmplakat für Smoke.
Michael Bodenmann hat Japan immer wieder bereist. Barbara Signer hat Japanologie studiert – vom Japan-Virus gepackt, seit sie mit 17 erstmals als Austauschschülerin ins Land gekommen sei. Ausstellungen führten die beiden später regelmässig wieder ins Land; fotografisch und bildnerisch haben sie eine Kultur dokumentiert und reflektiert, die dem Nicht-Japankundigen wohl für immer fremd und zugleich irritierend anziehend bleiben wird. In der Bar kommt das Fremde – und kommen sich Fremde – nah, zumindest ein paar Biere lang.
Ausstellung: Michael Bodenmann und Barbara Signer: «Work Life Balance», bis 20. Juni, Nextex im Kulturkonsulat St.Gallen, offen: Do und Sa 20 bis 22 Uhr.
Buch: Michael Bodenmann: Research for Peace, Love, Warrior, Dragon, Jungle Books St.Gallen, Fr. 32.-
Schallplatte: Bit-tuner, Michael Bodenmann: I haven’t been everywhere but it’s ok,
tria publishing platform
Irritationen gibt es auch unten im Haupt-Ausstellungsraum des Nextex. Die Wände und Objekte leuchten schummrig rot, grün, blau und violett. Bodenmanns Sichtkästen verbergen mehr, als dass sie zeigen. Ein Kinoticket zum Beispiel, von damals, als das St.Galler «Scala» noch bessere Zeiten gesehen hatte. Und Barbara Signers Treppe mitten im Raum führt, der Titel sagt es, «Towards the Unkown». Auf der obersten Stufe wartet ein Schlüsselbund. Zwei Spiegel an der Wand werfen den Besucher auf sich zurück. Die «Work Life Balance» muss man auch im Nextex am Ende selber finden.
Zum letzten Mal im Konsulat
«El Gato Muerto»: Die Reklametafel, die der Bar den Namen gegeben hat, macht den Blick nochmal in einen anderen Kontinent auf, nach Buenos Aires. Asien, Lateinamerika, St.Gallen… so leicht reist es sich im Mai 2020 zumindest im Kopf, virenfrei, mit den Mitteln der Kunst.
Heute Donnerstag öffnet das Nextex nach der coronabedingten Schliessung wieder, samt Bar und Abstandsregeln. Nicht verpassen, denn es ist die letzte Ausstellung des Visarte-Kollektivs im Kulturkonsulat. Ende Juni muss das Haus geräumt werden.