, 21. April 2023
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Immer noch prickelnd, aber nicht überschäumend

Fast vier Jahre lang gab es keine neue Musik von Soda, das letzte Album ist gar sieben Jahre her. Jetzt meldet sich das Electro-Duo aus Tübach mit neuer Musik zurück.

Soda beim Auftritt in der leeren St.Leonhardkirche 2021. (Bild: Angelina Wegmann)

Wer Manuel Loepfe und Pascal Glatz beim Musikmachen zuschaut, merkt schnell: Da ist blindes Verständnis. Seit rund 20 Jahren machen die beiden Freunde aus Tübach, die sich in der Primarschule kennengelernt haben, als Electro-Duo Soda zusammen Musik. Sie kennen einander, wissen genau, wie der jeweils andere tickt. Das hört man auch ihrem neuen Album Odyssey an. Es ist in sich geschlossen und sehr souverän.

Die elf Tracks – oder vielmehr deren Stimmungen – gehen nahtlos ineinander über und sind vielseitig, ohne beliebig zu sein. Selbst wenn es zwischendurch ein paar Längen aufweist, hat Odyssey dank der Dramaturgie einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Das Eröffnungsstück Everything Is Not So Bad entwickelt eine knisternde Spannung, die sich im stampfenden Ready steigert und bis zum Schluss anhält, auch wenn sie nicht immer gleich intensiv ist.

Und es gibt viele Details, die immer wieder für Überraschungseffekte sorgen: So finden sich in Zero Gravity dezente Reminiszenzen an den Grossmeister der elektronischen Musik schlechthin, Jean-Michel Jarre – das Stück trägt auch denselben Namen wie ein Song auf Jarres Album Electronica 1: The Time Machine. Es gibt auch bewusst gesetzte Brüche, die die Aufmerksamkeit hoch halten, etwa in Reentry.

Von der Pandemie ausgebremst

Odyssey ist die erste Soda-Platte seit Epos im Jahr 2016. Danach gab es noch zwei EPs mit jeweils drei Stücken, Those Dreams For Two (2018) und Decade (2019). Der geringere Output hatte auch damit zu tun, dass Glatz, der als Drehbuchautor und Filmemacher arbeitet, damals hauptsächlich in Berlin lebte. Doch auch nach seiner Rückkehr war es – abgesehen von ein paar Auftritten – eher ruhig um das Duo.

Das lag in erster Linie an der Coronapandemie. Normalerweise treffen sich die beiden Mittdreissiger einmal pro Woche in ihrem Studio, das sie im Haus von Loepfe eingerichtet haben, um an ihrem Sound zu tüfteln. Während des ersten Lockdowns mit den rigiden Kontaktbeschränkungen hätten sie sich jedoch wochenlang nicht mehr gesehen, erzählen sie. Und Skizzen von Tracks über digitale Kanäle auszutauschen, sei nicht ihr Ding. «Wir brauchen die direkte Interaktion, bei der wir unmittelbar aufeinander eingehen können», sagt Glatz.

Live, aber ohne Publikum getestet

Als sie wieder regelmässig proben konnten, sprudelten die frischen Ideen regelrecht aus ihnen heraus. Einige der Tracks auf Odyssey entstanden gewissermassen live, aber ohne Publikum. Im Juni 2021, als noch keine «normalen» Konzerte möglich waren, traten sie in der leeren St.Leonhardskirche am letzten von sieben Livestreams auf, die das Ostschweizer Label Ostklang über mehrere Monate an verschiedenen speziellen Orten auf die Beine gestellt hatte, um die Musikszene während der Pandemie zu unterstützen (eine Aufzeichnung ihres Auftritts gibt es hier).

Dort spielten sie zwei Tracks, die damals nur als Skizzen existierten und die sie – ähnlich ihrer Arbeitsweise im Studio – live improvisierten und die nun, in überarbeiteter Form, auch auf dem Album sind: Transformation und Stupid State Drive. Auch bei ihrem Auftritt am Openair St.Gallen im vergangenen Sommer gab es neues Material zu hören, damals dem Publikumstest unterzogen – und ihn bestanden.

Die Tochter ist die erste Kritikerin

Was man Odyssey deutlich anhört: Die beiden Familienväter sind erwachsen geworden. Soda sind erwachsen geworden. Ihre Musik hat an Selbstsicherheit und Ausdruck gewonnen. Und ist in bestem Sinne reifer geworden. Von der überschäumenden Energie ihres Debüts Can haben sich Soda weitestgehend verabschiedet. War Can wie eine Getränkebüchse, die man vor dem Öffnen geschüttelt hat und aus der der Inhalt druckvoll herausspritzt, ist Odyssey ruhiger und langsamer als das meiste alte Material, auch wenn es durchaus noch harte Tracks enthält. Prickelnd ist die Musik von Soda jedenfalls immer noch. Dafür haben sie eine Vorkosterin: «Meine Tochter ist die erste Kritikerin. Wenn sie zu einem neuen Song tanzt, weiss ich, dass er funktioniert», sagt Loepfe mit einem Lachen.

Glatz kann auch beim Filmemachen auf seinen Partner zählen: Zu seinem mehrfach ausgezeichneten Kurzfilm Coup de Grâce lieferte Loepfe die Musik, und auch bei seinem nächsten Kurzfilm Rest, der in der zweiten Jahreshälfte erscheinen könnte, haben die zwei zusammen den Soundtrack geschrieben. «Ich kann Manuel erklären, was ich mir zu den Bildern und der Stimmung des Films musikalisch vorstelle, und er liefert mir die Musik dazu.»

Pascal Glatz und Manuel Loepfe verstehen sich aber nicht nur musikalisch blind, sondern auch privat. Längst ist aus der Freundschaft auch eine familiäre Verbundenheit geworden. Glatz ist der Götti von Loepfes Tochter, und Loepfe wird der Götti von Glatz’ Tochter sein, die Anfang Mai zur Welt kommen soll. Nun gilt es aber erstmal, ihr neues gemeinsames Baby der Welt zu zeigen.

Soda live: 3. Juni, Musig uf de Gass, Øya St.Gallen (23.45 bis 1.15 Uhr live, 1.15 bis 2.45 Uhr DJ-Set); 7. Juli, Kulturfestival St.Gallen (20 Uhr, als Support von Booka Shade)

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