Im Sinistertal

Der St.Galler Pascal Beer bringt sein zweites Buch «reise ans ende der welt» heraus: eine Mischung von Schelmenroman und Coming-out eines Autors. Am Donnerstag liest er in der Buchhandlung Comedia.
Von  Peter Surber
Pascal Beer. (Bild: thurgaukultur.ch)

«einer von sechs gewinnern eines literaturwettbewerbs? ich glaub das gar nicht», sagt ben und umarmte mich. ich liess meinen seesack auf den boden fallen und umarmte ihn zurück. «ja, wahrhaft unglaublich», sagte ich und schloss die haustür hinter mir zu.

So steht es auf Seite 53 im Roman reise ans ende der welt, und wenn es im Buch auch allerhand sonstiges Unglaubliches gibt: Diese Episode stimmt. Der Literaturwettbewerb war jener von Saiten, ausgeschrieben 2012 aus Anlass des Gallus-Jubiläums, und Pascal Beer war einer von sechs Gewinnern. Die Preisfeier «in einem alten gewölbekeller mitten in der stadt» ist ebenfalls historisch verbürgt. Und der Romanheld Nils Moor dürftes auch sonst einige Verwandtschaft mit seinem Autor Pascal Beer haben.

Pascal Beer: reise ans ende der welt, Muskat Media Verlag, Zihlschlacht 2017

Moor hat es sich in den Kopf gesetzt, ein Schriftsteller zu sein. Er liest Bukowski, versucht sich in Gedichten und Geschichten, leistet sich vom Wettbewerbsgeld eine Hermes Media. Darauf hackt er das Tagebuch eines Aufenthalts auf Mallorca herunter, die Keimzelle des künftigen Reisebuchs, das wiederum Beers Buch den Titel gibt.

Im übrigen kommt sein Leben jedoch nicht recht in die Gänge; er lebt zur Untermiete in Bens Wohnung, wo er eigentlich nur mal für zwei Nächte absteigen wollte, quält sich mit dem Hausmeister herum, mit Hämorrhoiden und wechselnden Liebschaften. Eine Jessie ist es in Mallorca, zuhause eine Elena, die eigentlich noch Bens Freundin ist, dann eine Cynthia, und während Ben mit Aurora anbändelt, gerät der Ich-Erzähler an Carla und zieht zu ihr und ihrer esoterisch-amourösen Clique. Was dort im Feuchtgebiet namens «Sinistertal» mit Carla und Monique und Olivia abgeht, ist an der Geschmacksgrenze und zum Teil drunter.

Lesung: 12. Oktober, 20 Uhr, Buchhandlung Comedia St.Gallen
muskatmedia.ch, comedia-sg.ch

Gut amüsieren kann man sich hingegen an Beers Kindheitsschilderungen, die sich das ganze Buch hindurch mit den sehr spätpubertären Gegenwartsszenen abwechseln. Die Kindergeschichten spielen in Khur, üben sich am Ton eines Gion Matias Cavelty oder Arno Camenisch, sind mit Witz und scharfem Kinderblick erzählt. Und durch sie hindurch geistert ein anderer Camenisch, Marco, der im Buch allerdings Caminada heisst: Ausbrecher, «Terrorist», ein Räuber wie der Stoffel in dem Märchen, aus dem Lehrer Theofil jeweils am Samstag liest, nicht ohne die Schüler zu warnen, sie sollten keine Lumpereien machen, sonst kämen sie auch in die Kischta.

Der erwachsene Moor wird, dem schillernden Namen zum Trotz, dann doch nicht Räuberhauptmann und vermutlich auch nicht Astronaut. Aber vielleicht Schriftsteller, der das Ende der Welt sucht. Dieses kommt dann auch, zum Glück nur im Traum.