Im Pelzmantel des Schweigens

Wenn ein Unternehmen seinen 125. Geburtstag feiert, so gibt’s zumindest Gratiswurst und einen Tag der offenen Tür. Nicht so beim Institut am Rosenberg. Dort wäre ein Tag der offenen Tür undenkbar. Denn das Institut lebt, symbolisch gesagt, von der geschlossenen Tür.
Dass am Samstag, 23. August, ein runder Geburtstag fällig ist, erfuhr die Öffentlichkeit nur beiläufig: durch ein Inserat im Tagblatt vor drei Tagen. Darin bittet das Institut um Verständnis, dass zwischen 21.30 und 22 Uhr ein polizeilich bewilligtes Feuerwerk stattfinden wird, und dankt für das Wohlwollen der Bevölkerung.
Wohlwollen? Die Beziehung des Instituts zur St.Galler Bevölkerung lag seit je bei nahe Null. Alle wissen zwar, dass im Internat reiche Zöglinge aus aller Welt beschult werden. Doch damit hat es sich schon. An den Anblick von adretten Mädchen in hochhackigen Schuhen und jungen Schnöseln in Krawatte hat man sich im Quartier längst gewöhnt. Es ist eine gegenseitige Nichtbeziehung.
Dass das 1889 gegründete Institut nur mit sich selbst, mit den Ehemaligen (Alumni), und nicht mit der Bevölkerung feiert, ist bezeichnend. Die Privatschule schottet sich ab, so wie sich die Reichen und Vermögenden in ihren Villen, Schlössern und Landsitzen von der Welt abschotten. Diskretion ist oberstes Gebot auf dem Rosenberg.
So grenzt es schon an ein Wunder, dass kürzlich bekannt wurde, dass auch der russische Oligarch Michail Chodorkowski seine Kinder auf dem Rosenberg platziert hat. Playboy Gunter Sachs soll einst auf dem Rosenberg erzogen worden sein. Auch der Chemie-Nobelpreisträger Mario J. Molina. Und ebenso der Sohn von Modeunternehmer Willy Bogner, der in einer Villa in München Suizid beging. Welche sonstigen Potentaten aus Ost und West ihre Kinder zur «Nacherziehung auf dem Rosenberg» (Tages-Anzeiger-Magazin) anmelden, lässt sich nur mutmassen. Das Institut legt über seine Kundschaft den Pelzmantel des Schweigens.
Schillernder als die Eleven, die mit scharfem Schliff, Drill und standesgemässem Benimm für ihre künftige Führungsrolle in der Welt des Geldes präpariert werden, war jedenfalls der 2009 verstorbene Chef der Schule. Otto Gademann II. war ein Spross der Gründerdynastie. Er wurde im familieneigenen Institut erzogen. Was schon mal für Kontinuität bürgte.
In der Stadt St.Gallen war er legendär, weil er mit seinem Rolls Royce herumkurvte. Wer sonst fuhr in der behäbigen Gallusstadt eine solche Nobelkarosse? Niemand. Halt: Es gibt noch den institutseigenen Bentley, mit dem gutbetuchte Sprösslinge vom Airport zum Rosenberg verfrachtet werden.
Otto Albert Ekkehard Gademann, wie er mit vollem Namen hiess, stand der Sinn nach Singulärem. So gab er in den seltenen Interviews, die er gewährte, manch denkwürdiges Bonmot von sich. Etwa folgendes: «Es ist mir zu blöd, all diese Geschichten zu dementieren oder zu bestätigen. Wenn ich es lustig habe, pflege ich zu sagen: Wir sind eine Schule für die Schönen und die Reichen.» (Tages-Anzeiger-Magazin 7/2007).
Im selben Artikel wurde er gefragt, ob es stimme, dass ein Schüler auf dem Rosenberg seine Eltern im Jahr 50’000 Franken koste. Darauf lächelte Gademann sanft und erwiderte: «Mit 70’000 sind Sie bei den Leuten.» Sein unerwartetes Ableben wurde klassengemäss als Grossereignis verkündet. Die vier Todesanzeigen des Instituts füllten eine ganze Zeitungsseite.
Heute wird das Institut vom nächsten Vertreter der Gademann-Dynastie, Bernhard O.A. Gademann, geleitet. Es erübrigt sich jetzt, nach den Pensionspreisen zu fragen. Die Webseite gibt Auskunft: Mit 84’000 Franken ist man «bei den Leuten». Extras nicht inbegriffen. Aber das spielt bei der Rosenberg-Kundschaft ja keine Rolle. Über Geld spricht man nicht. Man hat es.