Im November: Saiten setzt auf St.Fiden

Portrait eines St.Galler Stadtteils, in dem (noch) viel möglich ist. Ausserdem: Der Report zur Sterbehilfe. Die Lage des freien Theaters. HR Giger, Sophie Taeuber-Arp, Mark Bell. Und Ruedi Widmer.
Von  Redaktion Saiten

Vo Sanggalle of Sampfide
Do hätts en Tunnel,
Wemmer ine chonnt, werts tunkel,
Wemmer use chonnt, werts hell.

So haben wir als Kinder gesungen. Heute zeichnet sich am Bahnhof St.Fiden, hinter dem Tunnel, vielleicht die hellleuchtende St.Galler Stadt-Zukunft ab. Das weiträumige Gebiet, als «Planerisches Intensivgebiet» deklariert und weitgehend im Besitz der Stadt, ist eine der letzten verbleibenden Brachen. Gerade ist im Oktober eine Machbarkeitsstudie zu diesem Bahnareal diskutiert worden, samt Idee einer Gleisüberdachung – realistisch? «Hier baut höchstens die Migros», orakelt in diesem Heft Architekturexperte René Hornung. «Hier besteht die Chance zur Stadtreparatur», hält Historiker Peter Stahlberger entgegen. Und Lika Nüssli entwirft kurzerhand einen neuen Stadtteil: Gross-St. Fiden…

Dabei hatten wir dieses Quartier-Heft bereits vor Monaten im Auge und im Sinn, als noch niemand von Machbarkeitsstudien sprach. St.Fiden nahm uns wunder, doppelt. Einerseits natürlich mit Blick auf den schlafenden Riesen unten am Bahnhof. Andrerseits aber vor allem auch im freundschaftlichen Gefühl für ein Quartier, das von der Grossen Stadtaufwertung, dem Ökonomisierungsdruck oder, wie man das heute so schön nennt, vom Gentrifizierungsprozess noch nicht so sehr erfasst worden ist.

Ob und inwiefern das stimmt und was «Sampfide» ausmacht, erkunden wir im Titelthema in Gesprächen, Expeditionen und Erinnerungen – letztere trägt in diesem Heft Walter Siering bei, der dort aufwuchs und durch den Silberturm und den Autobahnbau politisiert wurde. St.Fiden, das bestätigte bei einem Geplauder über «sein» Kindheitsquartier auch der St.Galler Buchhändler Pius Frey, der allerdings schon mit sechzehn von dort abgehauen war: St.Fiden war damals in den Sechzigern und Siebzigern ein bunter, kirchlich geprägter und doch toleranter Schmelztiegel.

Bunt, tolerant, wohnlich: Das gilt, soweit unser Eindruck in diesem Heft, auch heute noch in erstaunlichem Mass. Drum loben wir St.Fiden und hoffen, man könne auch in zwanzig Jahren sagen: …wemmer use chonnt, werts hell.

Peter Surber

 

DER INHALT:

Reaktionen

Blickwinkel von Sebastian Stadler

Positionen
Redeplatz mit Cenk Bulut
Einspruch vom Amt gegen Ausschaffungen
Freihandel von Jochen Kelter
Kuhhandel von Peter Surber

 

St.Fiden

Ein Nachmittag in Hadleyville
Barockperle und Westernstadt.
von Peter Surber

Kirche – Kinder – Kernkraft
Wie mich das Quartier politisierte.
von Walter Siering

Die Italiener, der Hort und die Kirche
Im Quartier der vielen Nationen.
von Corinne Riedener

Der Medizinturm
Eine Besteigung.
von Katharina Flieger

Noch gar nichts unter Dach
Die Pläne auf dem Bahnhofsareal.
von René Hornung

Gross-St.Fiden
Eine Chance zur Stadtreparatur.
von Peter Stahlberger

Die neue Stadt
von Lika Nüssli

Die Bilder zum Titelthema fotografierte Daniel Ammann.

 

Flaschenpost
Thailand von Richard Butz

 

Perspektiven
Rapperswil-Jona
Schaffhausen
Thurgau
Vorarlberg
Stimmrecht von Leyla Kanyare

 

Report

Den Tod umarmen
Frau Vogels letzte Entscheidung.
von Corinne Riedener

 

Ruedi Widmer zeichnet den November-Comic.

 

Kultur

Theater:
Und ewig lockt die Lok.
von Peter Surber

Fragen an Schauspiel-Direktor Tim Kramer.

Auf der freien Theaterwildbahn.
Von Sebastian Ryser

Literatur:
Die geplante Edition «Literatur Ostschweiz».
von Eva Bachmann

Musik:
Soundästhet – ein Nachruf auf Mark Bell.
von Silvan Lassauer

A Great Day in Harlem
Die Ostschweizer Jazzszene auf einen Blick.
von Claude Diallo

Kunst:
Sophie Täuber-Arp – in Aargau und Trogen.
von Jolanda Bucher

Film:
HR Giger noch einmal lebendig: im Film «Dark Star».
von Ralph Hug

Geschichte:
Arbeiterschriftsteller Paul Ilg – eine Spurensuche.
von Harry Rosenbaum

Weiss auf schwarz
von Niklaus Meienberg


Abgesang

Kellers Geschichten
Bureau Elmiger
Boulevard