Im März: Saiten meint es tierisch ernst.
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Bei Fuss, verehrte Leserin, verehrter Leser! Treten Sie ein ins Reich der Tiere, wo Sie als Homo sapiens ja schliesslich hingehören. Zur Familie der Haplorrhini, der Trockennasenaffen, um genau zu sein. Auch wenn Ihnen das angesichts etwaiger winterlicher Verschnupfung die falsche Kategorisierung zu sein scheint und Sie sich eher den Strepsirrhini, den Feuchtnasenprimaten, zugehörig fühlen.
Wir haben uns gefragt – und Sie fragen möglicherweise auch –, ob jetzt eingedenk der aktuellen Weltlage ein guter Zeitpunkt ist, ein Heft über Tiere zu machen. Dabei muss man bedenken, dass jedes Heft über Tiere immer auch ein Heft über Menschen ist. Nur schon weil Tiere nicht über Tiere schreiben.
Um so mehr ist es unser Märzheft, das sich gezielt auf die Spur der Mensch-Tier-Beziehung begibt. Wir stellen in vier Porträts Frauen und Männer vor, deren Leben sich massgeblich um Schafe, Pferde, Reptilien und hiesige Gartentiere dreht. Ladina Bischof hat sie fotografisch in Szene gesetzt. So schön, dass wir Sie mit einem Poster beschenken wollen.
Tiere sind uns ausgeliefert. Wie sehr vermenschlichen wir sie? Wie sehr ordnen wir sie als Nutztiere unseren Bedürfnissen unter? Zum Themen-Auftakt beleuchtet Saiten ethische und tierrechtliche Fragen mit Blick auf Massentierhaltung und Tierrechtsaktivisten. Dass die Nutztierhaltung traurige Blüten treiben kann, die über die Ziele der Nutztierhaltung hinausschiessen, zeigt der Artikel über die Hochleistungskuhzucht auf Seite 34.
Affe und Primate – es sind beides Begriffe, die sich Frau und Herr Mensch hie und da an den Trockennasenaffenkopf werfen, wenn sie sich Idioten schimpfen wollen. Die nichtwissenschaftliche Umgangssprache rechtfertigt diese Unterscheidung durchaus. Auch wenn die Biologie und Erich Kästner dagegen halten. Letzterer sagte in seinem Gedicht Die Entwicklung der Menschheit über die Menschenkinder:
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet, sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.
Leider scheint die aktuelle Weltlage nicht darauf bedacht, Erich Kästner der Lüge oder zumindest der Verbreitung alternativer Fakten zu überführen. Gut, dass es auch Menschen wie Bastian Lehner (Seite 10) und unseren ehemaligen Mitarbeiter UrsPeter Zwingli (Seite 40) gibt, die dagegen halten.
Dagegen hält auch Mascha Madörin. Die feministische Ökonomin beantwortet im Interview ab Seite 45 Fragen zu ihrer Jugend und anderen Umbrüchen. Und: In St.Gallen steht die schweizweit einzigartige Frauenbibliothek Wyborada, die dieses Jahr ihr 30-Jahr-Jubiläum feiert. «Braucht es sie noch?», fragt Claire Plassard und findet: Es braucht sie noch.
Frédéric Zwicker
Der Inhalt:
Reaktionen/Positionen
Blickwinkel von Wassili Widmer
Redeplatz mit Bastian Lehner
Einspruch von der eritreischen Bewegung für Freiheit
Stadtpunkt
von Dani Fels
Platz da! Lattich wuchert.
Nachruf auf Fridolin Trüb von Arne Engeli
Gastrecht VI:
Dani Fels gratuliert dem Palace
Wuff!
Pudelexzesse und Poulet zum Znacht
Das schwierige Mensch-Tier-Verhältnis und die Abgründe von Tierversuchen und Poulet zum Znacht.
von Peter Surber
«Ich würde auch mein Lieblingsschaf essen»
Schafhirte Rolf Beutler und seine Nachfolgerin, Tochter Lisa.
von Fréderic Zwicker
Pferde mögen keine Diktatur
Bereiterin Kaylee Pfister sitzt schon auf Pferderücken, seit sie gehen kann.
von Fréderic Zwicker
Er gleicht uns mehr, als uns lieb ist
Hunde kommen überall hin mit. Und sie reden nicht.
von Susan Boos
Bienen, Fledermäuse und ein «Naturareal»
Zu Besuch bei Natur-Aktivistin Alice Oberli.
von Peter Müller
Schlangengrube auf dem Dorf
Zoologe Markus Ruf betreibt ein Reptiliengeschäft.
von Harry Rosenbaum
Beschützerin und Galgenvogel
Warum ich Plastikkrähen als Haustiere habe.
von Corinne Riedener
Je praller, desto besser?
Über die Schattenseiten der Hochleistungszucht.
von Bettina Dyttrich
Geliebt, gezähmt, gehuldigt
Der «Menagerie» der Sammlung Würth fehlt der Biss.
von Kristin Schmidt
Die Tiere und ihre Menschen hat Ladina Bischof fotografiert.
Perspektiven
Flaschenpost von Urs-Peter Zwingli
Rapperswil-Jona
Schaffhausen
Vorarlberg
Thurgau
Stimmrecht von Gülistan Aslan
Frauenpower
Die feministische Ökonomin Mascha Madörin im Interview.
von Corinne Riedener
30 Jahre Wyborada.
von Claire Plassard
#Saitenfährtein: Frauenfeld
Kulturhaudegen Christof Stillhard.
von Frédéric Zwicker
Kultur
Die Konstruktion des «Fremden».
von Cenk Akdoganbulut
Jelisaweta Bam: Uhrmaschine, Hühnersuppe und FarluŠka.
von Michael Felix Grieder
Thomas Hürlimanns Fräulein Stark als Hördrama.
von Peter Surber
Kritik an der Göttlichen Ordnung.
von Andreas Kneubühler
Kunst am Bau fürs «Bergholz».
von Michael Hug
Der kritische London-Reiseführer.
von Richard Butz
Die Neuausgabe der Menschlein Matthias-Romane.
von Rainer Stöckli
Die «Oper vor Ort» im Baratella.
von Bettina Kugler
Die Schwarm-Vehemenz des Panorama Dance Theaters.
von Peter Surber
Am Schalter im März: Cenk Akdoganbulut
Abgesang
Kehl buchstabiert die Ostschweiz
Kellers Geschichten
Charles Pfahlbauer jr.
Boulevard