, 1. Mai 2017
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Im Lattich wird gearbeitet

Lattich wird neu und grösser: Vom 11. Mai an verwandelt sich das Areal im St.Galler Güterbahnhof wieder zum Kultur- und neu auch zum Arbeitsort.

Bild: Marcus Gossolt

Zwischen zwei der Hüsli hat der Altstätter Holzbauer Urs Felber ein Podest gebaut, sehr akkurat mit Holz aus eigenem Wald. Gegen das Trassee der Appenzellerbahn hin schützt ein Zaun aus Holzpaletten die Lattichsiedlung. Wäre nicht gerade das Wetter garstig an diesem Nachmittag, würde man es sich hier gleich gemütlich machen.

Es sieht schon fast nach «Wagenhausen»-Idylle aus,  jener Wohnwagen-Siedlung am Rhein, die Niklaus Meienberg in einer seiner legendären Reportagen 1973 geschildert hat (nähme einen ja wunder, ob den gallenstadt-kritischen Meienberg ein Stadtraum-Projekt wie das Lattich-Quartier heutzutage interessieren würde…). Wohnwagen stehen jedoch nicht auf der Güterbahnhof-Brache, sondern Container. Noch sind es wenige, und ihr «content» ist noch nicht ganz definitiv. Aber sie behaupten das Areal keck als neuen Arbeitsraum auf Zeit.

Mehr Platz und Licht für die Kultur

Das temporäre Quartier Lattich ist, im zweiten Jahr seines Bestehens, gewachsen. 2016 bildeten zwei Container den Empfang und die Beiz, und in der ehemaligen SBB-Halle fanden Kultur- und Begegnungsanlässe statt, allerdings beschränkt auf 50 Personen und nur während zwei Monaten. Jetzt konnte die nutzbare Hallenfläche auf 500 Quadratmeter erweitert werden, Veranstaltungen bis zu 240 Personen sind möglich, es gibt eine einfache Licht- und Ton-Infrastruktur, und Lattich lebt von Mai bis Oktober.

Das Kulturprogramm in der Halle, neu kuratiert von Ann-Katrin Cooper und Tobias Spori, ist am Werden. Die Agenda auf lattich.ch kündigt unter anderem an: ein Solo des Stimmkünstlers Christian Zehnder, Kein Stück über Syrien des Aktionstheaters Ensemble, Marc Jennys «Yes don’t panic», einen Aerial-Dance-Workshop, Kino mit dem Cinéclub oder mehrere «Freiräume»: jeweils fünf Tage, in denen die Halle für die Erarbeitung von Projekten aus Medienkunst, Theater, Literatur, Tanz, Musik, Gesellschaft, Soziales und Performance zur Verfügung gestellt wird.

Pioniere gesucht und gefunden

Die Halle ist das eine – die Container draussen sind das andere: Vorboten der erhofften künftigen Nutzung des Areals. «Wir suchen Pionierinnen und Pioniere», hiess es in einem Lattich-Aufruf Mitte April. Interessierte konnten an zwei Terminen im April die Container besichtigen. Gefragt seien Leute aus der Kulturwirtschaft, die hier arbeiten wollen, und die «möglichst häufig da sind», sagt Jasmin Häne vom neugegründeten Verein Lattich. Die Miete eines Containers für die ganze Saison beträgt 1000 Franken, die Stadtwerke haben für Strom gesorgt.

Eröffnungsfest: 11. Mai ab 17 Uhr. Infos: lattich.ch

Einer der Pioniere, der Musiker Roman Rutishauser wird im «Container für Unerhörtes» unterrichten und zudem einen Lattichchor mit Leuten aus dem Quartier auf die Beine stellen. Arbeiten wird auch das Theater St.Gallen; es bespielt seinen eigenen Container ab Mai ebenfalls auf dem Güterbahnhof-Areal. Für Kinder entsteht ein Spielweg. Und der Verein Lattich richtet sein Büro in einem der Container ein.

Ausgeweitet wird das kulinarische Angebot, zuständig dafür ist neu der «Verein Gastro Lattich». «Hinter dem Verein und dem Biotop für talentierte Mitarbeiter in den Bereichen Kreation und Organisation temporärer Gastronomie stehen Marcel Walker und Samuel Vörös vom Restaurant Lagerhaus», heisst es in einer Medienmitteilung von heute. Mehmet Daku und Rafael Niederkofler bieten lattichbezogene Speisen und Getränke an, jeweils freitags und samstags von 12 – 22 Uhr.

Bereits am Werk ist schliesslich das Heks. Dutzende von Hochbeeten stehen parat, um multikulturell beackert zu werden. Noch werden Hochbeet-Gärtnerinnen und Gärtner gesucht, «die noch nicht so lange in der Schweiz sind, gerne in Kontakt mit anderen treten, die deutsche Sprache anwenden und lernen wollen und Freude an der Gartenarbeit haben».

Behörden und Nachbarn machen mit

Lattich im zweiten Jahr: Das ist für Jasmin Häne und Gabriela Falkner, zwei der Initiantinnen, rundum «eine Erfolgsgeschichte». Das städtische Amt für Baubewilligungen ziehe ebenso mit wie der Kanton als Noch-Eigentümer des Grundstücks. Und Einsprachen von Nachbarn gab es keine.

Insgesamt ist die Bewilligung für sieben Container erteilt. Wer nicht selber hier arbeiten will, kann das temporäre Stadtteilprojekt ideell unterstützen: als Mitglied des Vereins Lattich. Für zwanzig Franken ist man dabei und wird vom Zeichner Leo Braun erst noch porträtiert. Am 11. Mai ist Eröffnungsfest.

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