Im Körpertakt
Der neuste Streich der Tanzkompagnie des Theater St.Gallen: «Impronte» mit Schlagzeuger Heinz Lieb in St.Laurenzen.
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Am Dienstag war das Theater knapp an einer Kreditkürzung vorbeigeschrammt: Die SVP wollte im Entlastungsprogramm eine Million für Konzert und Theater St.Gallen streichen, blieb damit aber allein. Was bei einem Ja allenfalls unter die Räder gekommen wäre, war am Tag darauf – bloss ein paar Schritte vom Kantonsratssaal entfernt – in der Kirche St.Laurenzen zu sehen und zu hören: Die Tanzkompagnie von Marco Santi und der Schlagzeuger Heinz Lieb spielten «Impronte» als Festspiel-Produktion.
Der Tanz am Theater ist allerdings kein Millionending – nicht einmal eine eigenständige Sparte, wie es der scheidende Tanzchef Marco Santi gern gehabt hätte. Und auch optisch geht es im Vergleich zum Weltuntergangspomp der «Attila»-Oper draussen auf dem Platz hier karg zu und her. Die Kompagnie in grau-blauen Arbeitskleidern (Kostüme Marion Steiner), auf der Bühne und rundherum Trommeln aller Art: Das ist alles. Der ganze Reichtum steckt im Rhythmus.
Und dieser ist phänomenal. «Tänzer sind keine Trommler», sagt Santi zwar im Programmheft, aber in dieser Stunde trommeln sie nicht nur auf Instrumenten, sondern auch auf und mit ihrem eigenen Körper. «Impronte», wie das aus Improvisationen entwickelte Stück heisst, ist ein Lehrstück darüber, wie Rhythmus zur Selbstverständlichkeit werden kann, wenn er aus der Bewegung kommt und nicht kopfig einstudiert ist. Das geht bis zu giftigen Polyrhythmen, welche die Laurenzenkirche in Schwung und das Publikum am Schluss in die hellste Begeisterung bringen.
Ein Triumph auch für Heinz Lieb: Der St.Galler «Cosmic Drummer» (hier im Bild) hält sich zwar meist im Hintergrund, baut aber mit seinem Schlagwerk das Fundament und spielt auf dem orientalischen Hang zwischendurch zärtliche Melodien. Da wird das Programm für Momente etwas gefühlig – sonst aber packt es von A bis Z: das mysteriöse Vogelgezwitscher auf den Emporen, der Aufmarsch der Arbeitsbrigade im brandheissen Fünfvierteltakt, eine nächtliche Regenwald-Impression, Szenen von Kampf, Liebe und Vereinzelung und das sich hochpeitschende, ekstatische Finale.
Marco Santi hat in St.Gallen eine Truppe hochmusikalischer und charakterstarker Tänzerinnen und Tänzer zusammengefügt – sie bleibt zum Glück noch ein Jahr.
Weitere Vorstellung: 1.7., Kirche St.Laurenzen St.Gallen, 21 Uhr. Bilder: Toni Suter