, 7. Juni 2022
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Im Container um den See

Die Internationale Bodenseekonferenz IBK feiert 2022 ihr 50jähriges Bestehen – unter anderem mit einer Containertour rund um den See. Ab heute macht die Ausstellung in St.Gallen Halt, nächste Woche in Wasserauen.

Für die eine ist der Bodensee «einfach Heimat», für den anderen «wie Ferien». «Ich lebe da, wo andere Urlaub machen», sagt jemand. Für die meisten ist der See Teil ihrer Identität, so selbstverständlich wie die gemeinsame Sprache, die man mit den Nachbarn rund um den See teilt. Schattenseiten: kaum.

Einer der Befragten, der in Herisau lebende Musiker und Autor Steff Signer, schwärmt als «Henderländer» von der Weite und dem Gefühl der Freiheit, das ihn seit jeher beim Anblick des Sees packe.

 

 

Steff Signer, eines der Video-Statements zur Bodenseeregion im IBK-Container.

Es sind zufällig angetroffene Passant:innen, die sich in einem Video in der Ausstellung zum 50-Jahr-Jubiläum der IBK so äussern. Das Video ist im Schiffscontainer zu hören und zu sehen, der für die IBK auf Sommertour geht. Umgebaut hat ihn der Altstätter Architekt Roger Graf. Die Umfrage und die Texte zur Ausstellung stammen von Isabelle Chappuis, Gestalter Johannes Stieger hat stilisierte Wellen, eine aufschlussreiche Übersichtskarte und Informationen zur Tätigkeit der IBK darin plaziert

Die Quagga-Odyssee

Was beim Auftakt Mitte Mai in Konstanz im Container noch fehlte: eine Kette mit Quaggamuscheln. Die invasive Muschel (Dreissena rostriformis bugensis) könnte Sinnbild für eine heutige grenzüberschreitende Bedrohung des Sees sein und damit zur IBK-Geschichte passen, fand Ausstellungsmacherin Isabelle Chappuis.

Nach vergeblichen Anrufen bei Werften und fachkundigen «Zuchtversuchen» fand man schliesslich eine befallene Bojenkette. Nächster Schritt: die Präparation, Abtöten durch Schockkälte, Wiedererwärmen, Versiegeln im Lackbad, Trocknen. Fehlten nur noch die Zollpapiere, nötig für die mehrfache Überquerung der Ländergrenzen auf der Containertour. Voraussetzung dafür war das OK der Veterinärämter aller drei Länder, die wiederum erschöpfende Auskunft über das Objekt verlangten.

Der dornenreiche Weg durch die Institutionen bis zum Erwerb des Zollpapiers brauchte Zeit – so kam die Quaggakette erst an der zweiten Tourstation, in Kreuzlingen, zu ihrem grossen Auftritt. Muscheln kennen halt doch Grenzen. Mehr zum Thema hier.

Zehn IBK-Partner, elf Stationen

Unter dem Jubiläumsmotto «Auf Kurs» reist der Container bis Ende Juli durch alle Mitgliedsländer und -kantone der IBK. Am 16. Mai ist er in Konstanz gestartet, die weiteren Stationen sind Kreuzlingen, Winterthur, St.Gallen, Wasserauen, Vaduz, Schaffhausen, Bregenz, Heiden, Lindau und Friedrichshafen. Vernetzung über die Grenzen hinweg, das Leitmotiv der 50-jährigen Geschichte der Bodensee-Konferenz, sei das hauptsächliche Ziel der Container-Reise, sagte IBK-Vize-Geschäftsführerin Katja Heller bei der Eröffnung Mitte Mai im Hof vor den Büros der Geschäftsstelle im Konstanzer Bücklepark.

In Konstanz ging es zum Auftakt unter anderem um den Kleinprojektefonds der IBK, ein Förderinstrument, mit dem Vernetzungsprojekte aus diversen gesellschaftlichen Bereichen unterstützt werden. An jedem Standort gibt es ein anderes Schwerpunktthema – E-Mobilität war letzte Woche in Winterthur der Themenschwerpunkt, beim Halt in St.Gallen ab 7. Juni geht es unter anderem um den Metropolitanraum Bodensee, weitere Themen sind Tourismus, Kultur oder Ökologie.

Das Europa der LKWs

An den meisten Standorten mit dabei ist auch die vorarlbergisch-ausserrhodische Theatergruppe Café fuerte mit dem Stück Truck Stop – einem Zweipersonenstück von Tobias Fend um offene und geschlossene Grenzen, real und im Kopf. In St.Gallen ist das Stück am 11. Juni um 21 Uhr zu sehen.

Szenen aus Truck Stop.

Der Inhalt: Trucker Sandro sitzt seit Wochen fest. Er hat sich schon häuslich eingerichtet. An Hans, dem eifrigen Alleinherrscher über einen kleinen, unbedeutenden Grenzübergang, kommt keiner einfach so vorbei. Aber als Sandro eines Tages beim Wäsche aufhängen versehentlich den Grenzverlauf verlegt, kommt Grenzer Hans völlig aus seinem Konzept. Wenn man eine Grenze einfach verschieben kann, was ist sie dann noch wert? Was gilt dann überhaupt noch? Die Grenzen zwischen den beiden Männern verschieben sich.

Nächste Stationen:

7. bis 12. Juni, St.Gallen, Stadthaus/Geschäftsstelle IHK
Eröffnung: 7. Juni 17 Uhr
Konzert Elyn: 10. Juni 17.30 Uhr
Theaterstück Truck Stop: 11. Juni 20 Uhr

15. bis 19. Juni Wasserauen
21. bis 25. Juni Vaduz

Alle Infos hier: ibk50.org/eintauchen/

IBK-Geschäftsführer Klaus-Dieter Schnell erinnerte beim Start in Konstanz an die diversen sonstigen Engagements seiner Organisation, darunter den Bodensee-Radweg, die Restaurierung des Raddampfers «Hohentwiel», die Internationale Bodensee-Hochschule IBH oder das Bodensee-Ticket.

«Wenn Europa gelingen soll, dann hier»

Dass noch mehr zu tun sei, betonte der Ausserrhoder Regierungsrat Alfred Stricker, im Jubiläumsjahr Vorsitzender der Organisation: Die Region arbeite zwar gut zusammen, finde aber in den Hauptstädten zu wenig Gehör. Der Grossraum Oberrhein habe bereits erreicht, was der Bodenseeraum erst noch aufbauen müsse: stärkere Kanäle in die Zentren und damit mehr Einfluss in nationalen Belangen.

Just am 14. Januar 2022, dem 50. Jahrestag der Gründung, hatten sich die Regierungschefs aller IBK-Partner auf dem Säntis getroffen und eine Gipfelerklärung verabschiedet. Unter Punkt 9 heisst es dort unter dem Titel «Selbstbewusstsein ist angezeigt»: «Wer gehört werden will, muss mit einer Stimme sprechen. Die Bodensee-Region braucht koordinierte Anstrengungen und institutionalisierte Zugänge, um ihre Anliegen auf nationalstaatlicher Ebene und bei den Zentralregierungen zur Geltung zu bringen – in Berlin, Wien, in Bern und Vaduz. Und in Brüssel. Die Bodensee-Region hat die Kraft, Europa zu bewegen. Wenn Europa gelingen soll, dann hier.»

Stärkere Beachtung kann auch der IBK selber nicht schaden. «Nie gehört», «keine Ahnung», «sagt mir nichts»: So antworteten die meisten Passant:innen auf die Frage, was die IBK sei. Das allerdings dürfte sich im Verlauf der Containertour ändern.

Der hier aktualisierte Beitrag erschien im Juniheft von Saiten.

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