Im April: 30 Jahre Saiten!

Wir feiern Geburtstag: mit Erinnerungen an die Gründungszeit, einer Presseschau und einem Loblied auf die 90er-Jahre – samt Foto-Lovestory! Ausserdem im Aprilheft: Die Recherche zum Appenzeller Volkskunde-Museum, Regierungsratskandidatin Bettina Surber und ein postkolonialer Blick in hiesige Sakralbauten.
Von  Redaktion Saiten
Grosses Drama in der Saiten-Foto-Lovestory: Alles beginnt in den Betonwellen des Skateparks...

Ich erinnere mich noch gut, wie ich vor elf Jahren hier anfing. Als neo-bachelorisierte Journalistin, quasi frisch ab Presse, mit nur ein bisschen Erfahrung beim «Tagblatt» und als Freie. Saiten war der perfekte Ort für «meinen» Journalismus: mit Haltung. Und der Laden hatte etwas Anrüchiges, Freies, Wildes. Unangepasst im besten Sinn. Schon damals hatte man manchmal Mühe, sich auf den eigenwillig gestalteten Heftseiten zurechtzufinden. Als gelernte Grafikerin gefiel mir das natürlich.

Ich bewundere alle unsere Vorgänger:innen. Vor allem die ersten Saitenjahre waren geprägt von grossem Pioniergeist und ebenso grossen Geldsorgen. Es war ein Herzensprojekt. Für manche war Saiten eine Zwischenstation, vielleicht eine Lebensphase, dann zogen sie in grössere Städte, grössere Häuser, grössere Redaktionen. Ein Sprungbrett eben. Eine ehemalige Saitenredaktorin und mittlerweile national verdiente Journalistin hat einmal gesagt, Saiten sei für sie «ein journalistischer Kleinmädchentraum» gewesen.

Das Heft ist 1994 aus der Kultur- und Musikszene heraus entstanden. Lange fühlte man sich vor allem ihr verpflichtet. Damals hiess es im Untertitel noch «St. Galler Kultur- und Musikmagazin». Auch das Schreiben an sich genoss einen hohen Stellenwert. Nebst Plattenbesprechungen und kolumnistischen Beiträgen findet man in alten Ausgaben etliche literarisch angehauchte Texte, auch fiktive. Zwischendurch ein blumiges Portrait.

Mit den Jahren ist Saiten immer journalistischer und auch politischer geworden. Und dicker. Das erste Heft bestand noch aus 20 Seiten, in den Nullerjahren hatte sich der Umfang bereits verdreifacht. Als ich 2013 bei Saiten anheuerte – wenig später feierten wir das 20-Jahr-Jubiläum –, war aus dem löchrigen Tretboot längst ein gutgetakeltes Segelschiff namens «Ostschweizer Kulturmagazin» geworden. Mit einer famosen Aussicht. Es gab keinen Grund, wieder abzuspringen und das Glück an anderen journalistischen Ufern zu suchen. Zudem sorgte rundherum die Medienkrise für reichlich Kollisionen: Etliche Redaktionen wurden ausgedünnt oder grad ganz geschlossen. Saiten blieb immer klein und wendig.

Die Erosion der Medien und ihr damit einhergehender Bedeutungsverlust ist ein Drama, nicht nur für die Demokratie. Auch in der Ostschweiz. Manche Lücken in der lokalen und regionalen Berichterstattung konnten wir füllen, obwohl Saiten nie dafür gemacht wurde. Damit wuchsen auch die Ansprüche – unsere eigenen und die von aussen. Wir haben uns in den letzten Jahren breiter ausgerichtet und weiter professionalisiert. Der Pioniergeist und (zum Teil) die Geldsorgen sind geblieben. Heute befahren wir das Ostschweizer Nebelmeer mit der allerbesten Crew weit und breit, egal welche Geister unser Schiff kreuzen. Nur eins ist seit den Anfängen fast unverändert: Saiten hat immer noch (nur) 2000 Abonnent:innen. Hier könnt ihr Mitglied werden: saiten.ch/abo.

Das erste Saiten ist am 1. April 1994 erschienen. Die aktuelle Ausgabe steht ganz im Zeichen dieses runden Geburtstags. Roman und Adrian Riklin werfen einen Blick zurück in die Gründungszeit, garniert mit Erinnerungen ihrer Mitstreiter:innen. Wir wollen uns aber auch vor den 90er-Jahren insgesamt verbeugen: Roman Hertler hat eine kleine Presseschau vom April ’94 zusammengestellt, Jürg Zentner schwelgt in Erinnerungen an die 90er in St. Gallen und Mia Nägeli erklärt, warum uns diese Dekade bis heute nicht loslässt. Die Foto-Lovestory zum 90er-Schwerpunkt haben Mindaugas Matulis und die Saiten-Grafik konzipiert. In den Hauptrollen: Luisa Zürcher, Basil Kehl, Skiba Shapiro und Neil Werndli.

Ausserdem im Jubelmonat April: Die Recherche zur Schliessung des Appenzeller Volkskunde-Museums in Stein, das Interview vor dem zweiten Wahlgang mit Regierungsratskandidatin Bettina Surber, ein postkolonialer Blick in hiesige Sakralbauten, allerhand Kultur und eine Pfahlbauer-Plakathommage von Can Isik.

Übrigens: Wir feiern die 30 Jahre imfall schono live. Immer mal wieder ein bisschen. Voraussichtlich im Juni findet das nächste Stadtgespräch mit Kubik & Fässler statt, da wird Saiten ein Thema sein. Zudem kooperieren wir dieses Jahr mit Eric Facon und seinem Kulturstammtisch-Podcast. Und am 21. September richten wir einen Kongress ganz im Zeichen des Kulturjournalismus aus – samt Fest am Abend. More to come! Und falls ihr uns und euch selbst das Jubeljahr ein bisschen versüssen wollt: Schickt uns eure drei liebsten Hits der 90er an redaktion@saiten.ch. Wir machen dann eine Playlist draus und teilen sie gerne. Hopp! (Corinne Riedener)

 

Der Inhalt:

Reaktionen
Viel geklickt
Redeplatz mit Peter Hartmann und Maria Huber
Stimmrecht Sangmo
Bildfang: Der Tod fährt mit
24/7 Traumacore von Mia Nägeli

 

Perspektiven

30 Jahre Saiten

Am 1. April 1994 ist das allererste Saiten erschienen. Das feiern wir mit einem Gespräch der Gründerbrüder, O-Tönen, einer Presseschau aus dem April ’94 und einem Lobgesang auf die 90er.

 

Blick zurück in die Gründungszeit: Adrian und Romal Riklin. (Bild: Florian Bachmann)

Erinnerungen an die Anfänge: ein Gespräch zwischen Brüdern.

von Roman und Adrian Riklin

April 1994: so war das damals

Wie hat sich die Welt den St. Galler:innen im Monat der Saiten-Erstausgabe präsentiert? News, Meldungen und Kuriositäten aus einer anderen Zeit, zusammengesucht in zwei St.Galler Zeitungen, die es längst nicht mehr gibt. von Roman Hertler

Sonne und Schnee

Laut, fröhlich und alles war möglich: Die 90er-Jahre fegten mit ihrem Optimismus und Hedonismus die Tristesse der 80er-Jahre aus den verknöcherten Gassen. Und ich war mittendrin. von Jürg Zentner

Und es geschah einfach gar nichts

Zwischen Revival und Zukunftsangst: Was uns wieder und wieder in die 90ies zurückführt. Ein subjektiver Rückblick auf Schweine und Star Trek. von Mia Nägeli

Die exklusive Foto-Lovestory: Gefühlschaos im Gallustal

von Mindaugas Matulis und D-O-M-E

In den Hauptrollen: Ron Rhythmus, Polly Politik, Hanna Headline und Michael Miteinander.

 

Flaschenpost aus Hamburg: «Alle zusammen gegen den Faschischmus»

von Judith Altenau

 

«Die Stadt ist nicht alleine»

Bettina Surber tritt zum zweiten Wahlgang als St. Galler Regierungsrätin an. Im Interview spricht die Anwältin und Sozialdemokratin über Folgen der (rechts-)bürgerlichen Mehrheit im Parlament, die grössten politischen Baustellen im Kanton und die schwierige Lage der Hauptstadt. von Corinne Riedener

Bild: Ladina Bischof

 

Kultur

Ein Museum kämpft ums Überleben

Anfang April schliesst das Appenzeller Volkskunde-Museum in Stein. Nur temporär, aber die Zukunft ist ungewiss. Die Gründe dafür sind ebenso verworren wie die jüngere Geschichte des Museums. Es geht um Finanzen, Personalwechsel an Schlüsselpositionen, die Strategie des Kantons und die Pläne der Appenzeller Schaukäserei. von David Gadze

Bild: Louis Vaucher

 

Sakral-Kolonial

Zur Aufarbeitung der kolonial-rassistischen Vergangenheit lohnt sich ein Blick in die Gotteshäuser. Eine Spurensuche in hiesigen Kirchen. von Ann-Katrin Gässlein und Hans Fässler

St.Gallens frühkoloniale Verflechtungen

Waren die reichsten St. Galler im 16. Jahrhundert Sklavenhändler? Diesen und weiteren Fragen geht das Stadtarchiv im postkolonialen Themenmonat nach. von Roman Hertler

Im Zweifel Suizid

Werner Schweizer untersucht in seinem neuen Dokfilm die Affäre Flükiger. Die RAF, jurassische Separatist:innen und eine weisse Amsel spielen eine Rolle. Und die Schweizer Politik. von Corinne Riedener

Mit dem Hammer gegen das System

Kolladderall veröffentlichen ihr erstes Album Chaot*ina. Ein Werk über Wut, Suchtprobleme, Transfeindlichkeit und Minderwertigkeitskomplexe. von Andi Giger

Pflanzen unterwegs

Benoît Billotte nutzt die Pflanzen für seine künstlerische Arbeit und stellt sie auch inhaltlich in den Mittelpunkt. Jetzt im Kunstzeughaus Rapperswil. von Kristin Schmidt

Parcours

Salzhaus, Little WEF, Treppi, Phyne, Protestarchitektur

Plattentipps

Analog im April

Gutes Bauen Ostschweiz: Vor dem Haus oder schon im Garten?

von Theresa Mörtl

Pfahlbauer-Plakat: Can Isiks Abschiedgruss

 

Abgesang

Keller Geschichten: Heftli

Comic von Julia Kubik