«Ich habe seit Jahren damit geliebäugelt»

Der St.Galler Gastrounternehmer Ruedi Gamper übernimmt die August-Bar. Deren Slogan «Some People Are Hot» hat er extra beibehalten als Hommage an die Gründungszeit. Auch die «Tavola» bleibt. Neueröffnung ist dieses Wochenende.

Die Au­gust-Bar ge­hört seit 40 Jah­ren zur Gal­lus­stadt wie der Plotsch an den Open­air-Stie­feln. Wer ir­gend­wann seit 1984 im be­rüch­tig­ten Ber­mu­da-Drei­eck im Aus­gang war, weiss ziem­lich si­cher ei­nen Schwank aus dem Au­gust zu er­zäh­len, der Bar mit dem Säg­mehl am Bo­den. Er­öff­net wur­de das Lo­kal am Rand der nörd­li­chen Alt­stadt 1984 von Carl Co­ray. Im sel­ben wur­de aus der Ak­ti­ons­hal­le Gra­ben gleich vis-à-vis die of­fi­zi­el­le Gra­ben­hal­le. Es herrsch­te Auf­bruch­stim­mung in den Gas­sen und Köp­fen.

Carl Co­ray, den al­le nur Char­lie nann­ten, war mit­ten­drin. «Ma­chen statt fra­gen», war sei­ne De­vi­se. 1987 bau­te er den ers­ten Stock zur «Ta­vo­la» aus und in­stal­lier­te ei­nen lan­gen Tisch. Oh­ne Be­wil­li­gung. Der Spass kos­te­te ihn 700 Fran­ken. Um­strit­ten war auch der run­de Dach­auf­bau samt be­geh­ba­rem Hu­mi­dor, den er 1991 plan­te. Sai­ten hat 2019 in der Ru­brik In­nen­sicht dar­über ge­schrie­ben: Die Bau­be­wil­li­gungs­be­hör­de be­zeich­ne­te den Auf­bau als «ge­wagt, aber gut», ver­lang­te aber An­pas­sun­gen. Und der Denk­mal­pfle­ger hat­te we­nig Freu­de am «nicht har­mo­ni­schen» Ak­zent.

Mitt­ler­wei­le ist auch der run­de Dach­auf­bau denk­mal­ge­schützt. Ei­ne stei­le Sam­ba­trep­pe aus Stahl führt hin­auf. Rue­di Gam­per und sein Team ha­ben sie be­reits um­ge­tauft in Him­mels­lei­ter. Der Un­ter­neh­mer und Gas­tro­nom freut sich auf die Neu­eröff­nung der Au­gust-Bar, in der er «end­lich wie­der sel­ber mehr hin­ter dem Tre­sen ste­hen kann». In der Süd-Bar beim Uni­on, die er seit 2017 führt, kom­me er zu sel­ten da­zu.

Der August in den Anfangszeiten, noch ohne Dachaufbau. Fotografiert vermutlich Mitte der 80er-Jahre von Günther Parth. Publiziert in Ausgabe Nr. 3 der Zeitschrift «August».

Das Haus hat es ver­dient

Zwei Ta­ge blei­ben ihm und den Hand­wer­kern noch, um das drei­stö­cki­ge Lo­kal fer­tig in Schwung zu brin­gen. Vor­der­grün­dig ist die Re­no­va­ti­on sanft. Vie­le der ty­pi­schen 80er-Jah­re-De­tails sind ge­blie­ben. Die Plätt­li, der Mes­sing­bo­den. Auch der über zwei Eta­gen füh­ren­de Fla­schen­ab­wurf in den Kel­ler, den Co­ray und sei­ne Frau Clau­dia an­no da­zu­mal ein­ge­baut ha­ben, ist noch da. Und na­tür­lich das De­si­gner-Che­mi­née des St.Gal­ler Ofen­bau­ers Jo­sef Chris­ti­an Buck, al­ler­dings mit leicht ge­stutz­ten Sei­ten­flü­geln. Da­für gibt es jetzt ein Ofen­bänk­li.

Ver­schwun­den sind die le­der­nen Bar­ho­cker mit dem Au­gust-Lo­go drauf. Sie wur­den er­setzt durch leich­te­re Holz­stüh­le. Auch die ge­schwun­ge­ne Ker­zen­rei­he über der Bar muss­te dran glau­ben. Da­für hängt dort jetzt ei­ne Art leuch­ten­de Him­mels­tor­te. Oder zu­min­dest ei­ne hal­be. Die Bar wur­de neu ver­klei­det, und auch die obe­ren Stock­wer­ke ha­ben ei­nen fri­schen An­strich, neue Bö­den und Mö­bel be­kom­men.

Was die Re­no­va­ti­on ge­kos­tet hat, will Gam­per nicht ver­ra­ten. Es sei auch nicht so wich­tig, denn die­ses char­man­te Haus ha­be es «ver­dient, wie­der schön her­aus­ge­putzt zu wer­den». Er ha­be schon seit Jah­ren da­mit ge­lieb­äu­gelt, dar­um sei ihm die Ent­schei­dung leicht­ge­fal­len, als ihm das Lo­kal zur Pacht an­ge­bo­ten wur­de. «Frü­her ha­be ich oft mei­ne Dates hier­hin aus­ge­führt», sagt er und lacht.

Mitt­ler­wei­le ist die gan­ze Fa­mi­lie in­vol­viert. Gam­per will der Tra­di­ti­on fol­gen und im Au­gust – nebst ei­nem gut ge­pfleg­ten Ge­trän­ke­sor­ti­ment – auch Es­sen an­bie­ten. Das Lo­kal ver­fügt näm­lich über ge­fühlt die kleins­te Kü­che der Stadt. Der Koch ist ver­pflich­tet, für die abend­li­che «Ta­vo­la» im ers­ten Stock gibt es be­reits ers­te An­mel­dun­gen, und auch ein Mit­tags­me­nü ist in Pla­nung.

Die August-Bar vor der Renovation …

… und danach. Ganz rechts ist der Flaschenabwurf zu sehen.

«Gu­te Ar­beit­ge­ber:in­nen fin­den auch gu­te Leu­te»

17 Leu­te ge­hö­ren zum neu­en Au­gust-Team, samt Aus­hil­fen und Ad­mi­nis­tra­ti­on. Pro­ble­me sie zu fin­den, ha­be es nicht ge­ge­ben, sagt Gam­per. Im Ge­gen­teil, er ha­be kei­ne ein­zi­ge Stel­le aus­ge­schrie­ben. Vom Gas­tro-Fach­kräf­te­man­gel scheint Gam­per we­nig zu spü­ren, auch nicht in der Süd-Bar, wo der­zeit rund 60 Per­so­nen an­ge­stellt sind. Sei­ne Er­klä­rung da­für: «Gu­te Ar­beit­ge­ber:in­nen fin­den auch gu­te Leu­te. Vie­le ha­ben sich ge­merkt, wie sie wäh­rend Co­ro­na be­han­delt wur­den. Wir hat­ten auch Schwie­rig­kei­ten, aber in un­se­ren Be­trie­ben wur­de nie­mand ent­las­sen. Das spricht sich her­um.»

Auch die Kul­tur hat wei­ter­hin ih­ren Platz im Au­gust. Ge­plant sind Akus­tik­kon­zer­te, Kin­der­le­sun­gen, Spiel­nach­mit­ta­ge mit dem St.Gal­ler Spiel­ent­wick­ler Pierre Lip­pu­ner und na­tür­lich Spo­ken-Word-Events. Letz­te­re be­glei­ten Rue­di Gam­per seit sei­ner Zeit in der Ba­r­ac­ca-Bar, die er einst ge­führt hat. Jah­re­lang fan­den dort ein­mal im Mo­nat am Sonn­tag die «Tat­wort»-Le­sun­gen statt. Als Gam­per 2017 die Süd-Bar über­nahm, zü­gel­ten die Wort­akro­bat:in­nen mit. Und das tun sie auch jetzt, wo­bei die Au­gust-Bar bei Slam­po­et:in­nen oh­ne­hin ein­schlä­gig be­kannt ist. Die Au­toren Ralph Wei­bel und Ri­chi Küt­tel ver­an­stal­te­ten dort un­ter der Ägi­de der Vor­be­sit­zer:in­nen Mar­tin und Ga­bi Tin­ner re­gel­mäs­sig Le­sun­gen am hei­me­li­gen Ka­min.

«Lieber Närrin als Untertanin!»

Die Tinners haben die August-Bar 15 Jahre lang geführt. Nachdem sie das Haus 2022 verkauften, ist es ruhiger geworden in dieser Ecke des Bermuda-Dreiecks. Die neuen Hausbesitzer versuchten es unter anderem mit einer Pop-Up-Bar und einem Gastspiel der Osteria San Gallo. Der Schwung früherer Tage wollte aber nie so richtig zurückkommen. Ruedi Gamper und sein Team wollen das jetzt ändern und wieder Leben in die Bude bringen.

Sie beziehen sich sogar explizit auf den Groove der Anfangszeiten. Die Corays gaben damals in unregelmässigen Abständen eine kecke Zeitschrift namens «August» heraus. Ein grossformatiges Glanzmagazin im 80er-Look mit Fotostrecken, Hommagen, Absurditäten, Rezeptideen und allerhand eigens gestalteten Inseraten. Grossartig.

Ein paar Exemplare der «Ausgabe Nr. 3» lagen noch im Keller. Darin schreibt Claudia Coray in einem Brief an ihre Freundin Romana über den August: «Weisst du, es ist die schönste Bar. (Jetzt sind auch die St.Galler davon überzeugt, nachdem es die Fremden gesagt haben.) Sie lebt von der Spannung von Ästhetik und Gefühl, von den vielen gepflegten, kleinen Details… und, Romana, ich sag’s jetzt halt doch, auch ein bisschen von mir. Ich habe im August meine Bühne, meine Auftritte – ich bin Clown vom Dienst, manchmal auch Narr meiner Könige, der Gäste. Aber lieber Närrin als Untertanin!»

Ja, Claudia wusste es eben: «Some People Are Hot». Das war damals das Motto der August-Bar. Und sie und ihre Gäste gehörten dazu. Ab diesem Wochenende verkehrt die nächste Generation hotter Leute im August. Den Slogan «Some People Are Hot» hat Gamper extra beibehalten als Hommage an die Gründungszeit. Und auch die Zeitschrift will er wieder aufleben lassen. Zweimal im Jahr soll der «August» künftig erscheinen.

Saiten August Magazin

Das Cover des dritten Ausgabe. Leider ist nirgendwo einen Jahreszahl zu finden, vermutlich erschienen Mitte der 80er-Jahre.