HSG-Dozent referiert bei Sekten-Guru
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Ganz wohl war ihm nicht bei seinem Auftritt. Das gab Dr. Daniele Ganser gleich zu Beginn seines Referats zu erkennen. Er habe ein Problem, hier zu sein, bekannte er offen. Doch bald applaudierte das Publikum enthusiastisch. Und das Problem war weg.
Wir schreiben den 26. Juli. Ivo Sasek hat zum zehnten Kongress seiner «Anti-Zensur-Koalition» (AZK) gerufen. Wie immer füllen Hunderte von Fans erwartungsfroh den Saal, insgesamt 2’500 sollen es gewesen sein. Sie alle verehren den 58-Jährigen als Führer der «Organischen Christus-Generation». Saseks christliche Sekte ist ein mittlerweile diversifiziertes Religionsunternehmen mit Verlag, TV-Sender, Filmproduktionsfirma und DVD-Vertrieb.
Einst war Sasek Automechaniker in Zürich. Seit seiner Bekehrung zu Gott missioniert er mit Erfolg. Heute redet er von Weltverschwörung und malt den Dritten Weltkrieg an die Wand. Er beeindruckt seine Gefolgschaft durch aufwendige Inszenierungen im Stil amerikanischer TV-Prediger, manchmal mithilfe der ganzen Familie (seiner Ehefrau und den elf gemeinsamen Kindern). Und er präsentiert sich als Tausendsassa: Guru, Moderator, Entertainer, Medienzampano, Moralapostel, Einpeitscher und Pseudoweiser in einer Person.
Im Gegensatz dazu ist Dr. Daniele Ganser als seriöser Historiker bekannt. Sein Spezialgebiet ist die verdeckte Kriegführung. Ganser schrieb Bücher über geheime Nato-Armeen: Gladio, Geheimloge P2, P-26 in der Schweiz etc. Er lehrt in Basel, aber auch an der Universität St.Gallen – hier über die Geschichte und Zukunft von Energiesystemen. Was bewog ihn, Saseks Einladung zur dubiosen AZK-Konferenz, einem Treff von Verschwörungstheoretikern, überhaupt zu folgen?
Sasek sei gegen Krieg und Kriegstreiberei. Das habe ihm als Friedensforscher imponiert, sagte er vor dem Publikum. Es gibt aber wohl ein weiteres Motiv: Ganser selbst war einst kritisiert worden, er leiste Verschwörungstheorien Vorschub. Dies weil er nicht an die offizielle Version des Attentats von 9/11 glaubt. Daher die Affinität zu Anti-Mainstream-Kreisen? Jedenfalls zeigt der HSG-Dozent kaum Berührungsängste.
Er erhalte sehr viele Einladungen von verschiedenen Gruppen und nehme sie in aller Regel an, sagte der Historiker auf unsere Anfrage. Er hafte für die Seriösität von allem, was er sage. Wie aber kann es ein Historiker verantworten, auf einer Plattform aufzutreten, auf der vor ihm Holocaustleugner sprachen? Sasek hatte nämlich im Oktober 2009 den Holocaustleugner Bernard Schaub in die St.Galler Olma-Halle eingeladen. 2012 folgte in der Stadthalle Chur ein Auftritt der Rechtsanwältin und Nationalsozialistin Sylvia Stolz, die behauptet, es gebe «keinen Beweis für den Holocaust».
Ganser sagte dem Publikum Ende Juli, er habe Ivo Sasek zuvor nicht gekannt und bei einem Google-Check nur gelesen, dass er gegen Kriegstreiberei sei. Von den Holocaustleugnern habe er nichts gewusst, teilte er auch Saiten am Mittwoch mit. Schlecht recherchiert, Herr Professor! Der Google-Check hätte nämlich auch das ergeben.
Bild: anti-zensur.info