Hinz und Kunz: Das Bahnhof-Palaver (III)

Hinz: Ah, gut, dass ich dich wieder treffe. Ich versuche grad herauszufinden, wie spät es ist. Doch für diese binäre Bahnhofsuhr bin ich zu blöd. Bis ich die Zeit ausgerechnet habe, ist mein Zug längst weg.
Kunz: Lass das, solche Sprüche hat man genug gehört. Noch immer meinen Leserbriefschreiber, sie müssten sich dazu äussern. Die binäre Uhr ist Kunst am Bau. Da geht es um Betrachtung und darum, andersherum zu denken. Hast du mal beobachtet, wie viele Leute zusammenstehen und sich die Zeit nehmen, um die Kreise, Kreuze und Rechtecke zu entschlüsseln? Viele sind von der Uhr fasziniert.
Hinz: Von wegen entschlüsseln: Auf der riesigen Busabfahrtstafel gibt es weisse und gelbe Abfahrtszeiten und solche mit einem Warndreieck hinten dran. Was will mir das sagen?
Kunz: Hier muss ich passen. Keine Ahnung. Vielleicht erfahren wirs dann beim Festakt, falls SBB-Chef Meyer oder Bundesrätin Leuthard die geheimnisvollen Zeichen überhaupt auffallen.
Einweihungsfest: Freitag, 31. August 17 – 01 Uhr, Samstag, 1. September 10 – 22 Uhr
Hinz: Mir fällt bei diesem Einweihungsfest etwas anderes auf: dass der Busbahnhof für die Einweihung quasi leergeräumt wird. Die Busse bekommen während des Festes provisorische Haltestellen. Kommt mir vor wie eine Swimmingpool-Einweihung ohne Wasser.
Kunz: Du ewiger Grummler! Immerhin hat die Stadt nun Grösse gezeigt und die Busabfahrtstafel an die Seitenwand versetzt.
Hinz: Unter der binären Uhr war sie ja auch wie eine Faust aufs Auge.
Kunz: Man munkelt, diese Anzeige sei so sauteuer gewesen, dass sie prominent platziert werden musste.
Hinz: Und jetzt kostet sie angeblich noch 20’000 Franken mehr – fürs Versetzen.
Kunz: Ein solches Monsterprojekt wie einen Bahnhofplatz-Umbau zu koordinieren, ist halt nicht immer einfach. Für mich hätte es auch eine Anzeige getan, wie sie bei der Westunterführung auf dem Boden steht. Die war ja vorher auf dem Trottoir vor dem Neumarkt platziert, bei den provisorischen Haltestellen. Aber positiv gedacht: Auch das Theater um die Anzeigetafel könnte zum Lehrblätz beim Marktplatz werden.
Hinz: Du meinst im Sinn von: Redet lieber vorher miteinander – statt nachher? Es gab ja noch eine andere Posse, die um den Lämmlerbrunnen. War es nicht ein Textilboss, der das «aufgestellte Nastuch» wieder hier haben wollte?
Kunz: So war es. Das Zürcher Landschaftsarchitekturbüro Hager, das auch das Bahnhofpärkli gestaltet hat, wollte auf dem Kornhausplatz einen zackenförmigen Brunnen. Doch dann kam prominente Opposition gegen das Wegräumen des Lämmlerbrunnens auf. Der Stadtrat gab nach – mit dem Segen der Juristen. Denn die Bevölkerung hatte ja über ein anderes Projekt abgestimmt.
Hinz: Das «Nastuch» entsprach aber auch nie ganz der Vorstellung des Künstlers Köbi Lämmler. Er wollte doch eine Skulptur, die wie ein Stück Stoff an einer Leine hängt …
Kunz: … bloss war St.Gallen schon 1980, als sie aufgestellt wurde, am Sparen und liess die Leine weg. Und so wird sie auch jetzt wieder nicht gespannt – vorderhand. Dafür ist die Technik oben im Brunnen neu. Das Wasser werde nicht mehr in alle Richtungen spritzen, sondern sanft über die Skulptur rinnen, haben die Leute von der Kunstgiesserei versprochen, die den Brunnen renoviert haben.
Hinz: Na dann freuen wir uns aufs Wasserspiel und gehen jetzt zum Wurststand. Wir hatten es ja schon von seiner Symbolik: dem St.Galler Talent zum Wursteln.
Kunz: Aber Achtung beim Überqueren des Platzes! Da fahren die Busse und die Trogenerbahn von rechts und links an und weg. Wer da ein Bier zuviel intus hat …
Hinz: … lass uns trotzdem eins trinken. Und ein paar stellen wir für die Musiker und Künstlerinnen kühl, die am Einweihungsfest auftreten.