Hinz und Kunz: Das Bahnhof-Palaver (II)

Der St.Galler Bahnhofplatz gibt wenige Tage vor der Eröffnung zu reden. Hier Teil zwei des Palavers von Hinz und Kunz: Hinz, der Grummler und Kunz, die gut Informierte, reden über Dächer und Tafeln und was passiert, wenn der Tiefbau hoch baut.
Von  Redaktion Saiten

Hinz: Schön, dich wieder hier unter diesem Dach zu treffen. Hast du noch trockene Füsse?

Kunz: Was soll die Frage? Die Busdächer schützen ja.

Hinz: Du müsstest mal bei Wind und Regen hier warten.

Kunz: Du fürchtest, dann bekomme man wegen der hohen Dächer nasse Füsse? Angeblich nicht: Als Saiten vor zwei Jahren zum ersten Mal über die «Wucht» der hohen Dächer schrieb, hat Stadtbaumeister Hansueli Rechsteiner mit einem Plan nachgewiesen, dass bei einem mit 30 Grad einfallenden Regen der Schutz unter dem hohen, aber breiten Dach genauso gut funktioniert, wie unter einem weniger ausladenden, niedrigen Dach.


Hinz:
Warum mussten diese – äxgüsi – Stahlmonster überhaupt so hoch werden?

Kunz: Liest du saiten.ch nicht? Nicht nur die VBSG-Busse, auch die Doppelstöcker-Postautos sollen da drunter fahren können. Und die Passagiere sollen einsteigen können, ohne nass zu werden.

Hinz: Kundenfreundlich gedacht… aber ich bleibe dabei: Fürs Auge sind sie eine Wucht.

Kunz: Komm, lass uns ein paar Schritte da hinüber gehen, zum Gaiserbahnhof. Von hier aus siehst du, wie elegant die doppelflügligen Dächer sind.

Hinz: Von weitem sieht immer alles harmlos aus. Aber wenn du von der Kornhausstrasse auf den Bahnhof blickst, hast du nur graue Stahlbalken vor deiner Visage.

Kunz: Vergiss nicht: Der Bahnhofplatz ist eine Verkehrsmaschine, schöner gesagt: ein Tiefbauprojekt.

Hinz: Höre ich richtig? Die 4,5 Meter hohen Busunterstände sind ein Tiefbauprojekt?

Kunz: Genau, und für den Tiefbau gelten andere Bewilligungen als für den Hochbau. Hat man je Visiere für die Busdächer gesehen? Vielleicht wärs anders gekommen, wenn es sie gegeben hätte. Aber manchmal wird man aus Schaden ja klug: Ich hoffe jedenfalls, dass die Geschichte mit den Dächern den Planern im laufenden Marktplatzwettbewerb eine Lehre ist. Dort haben die Verkehrsingenieure ja auch vieles schon vorgegeben.

Hinz: Und die Stadtplaner schauen einfach zu?

Kunz: Das musst du sie selber fragen. Aber es gab schon bei der Jurierung des Bahnhofplatzprojekts vor zehn Jahren kritische Stimmen. Im Jurybericht steht: «Durch den Personenunterstand vor dem Haus Kornhausstrasse 7 wird die Fassade beeinträchtigt. Der Personenunterstand verunmöglicht das gesamthafte Erfassen dieser Fassade.» Das betrifft das Dach vor der UBS, einst übrigens der Sitz der Toggenburger Bank, geplant von den damals wichtigen Architekten Curjel und Moser.

Hinz: Womit wir wieder beim Thema des letzten Palavers wären. Architektur will Zeichen setzen. Das war früher schon so und das ist bis heute so. Und jetzt passen die Zeichen zusammen wie die Faust aufs Auge.

Kunz: Da hat sich die Jury wohl nicht durchsetzen können. Sie hat übrigens auch auf die schwierige Ecke beim Metropol-Erker hingewiesen: «Der Detailgestaltung an der Ecke Gutenbergstrasse/Bahnhofplatz (Zugangssituation zum Hotel «Metropol») ist erhöhte Beachtung zu schenken», schrieb sie damals.

Hinz: Hui! Hast du grad gesehen, wie dieser ältere Herr hier bei der Gutenbergstrasse beinahe über den hohen Trottoirabsatz gestolpert wäre?

Kunz: Dafür kann er ebenerdig in den Bus einsteigen. Den hindernisfreien Einstieg verlangt das Behindertengleichstellungsgesetz. Im neuen SBB-Zug «Giruno», den du am kommenden Wochenende im Bahnhof bestaunen kannst, hat die Rollstuhlgängigkeit ja zu einem langen Hickhack geführt.

Hinz: Ich lerne: Da gibt es unendlich viele Vorschriften. Klar, haben es die Städtebauer mit ihren Anforderungen und Wünschen schwer.

Kunz: Es gibt Städte, da werden Tiefbauprojekte zuerst einmal städtebaulich angeschaut. Was erträgt ein solcher Platz? Was muss er alles können? Und wer muss worauf verzichten?

Hinz: Das haben sich die Architekten doch sicherlich überlegt.

Kunz: Ich gehe davon aus. Sie nannten die Dächer ja schon «grossstädtisch» und auf die massiven Gebäude rundum abgestimmt.

Hinz: Aber wenn ich nasse oder im Winter kalte Füsse habe, weil es kräftig unten durch zieht, nenne ich sie unpraktisch. Ein paar Sitzbänke mehr hätten die Busstationen übrigens auch verdient.

Kunz: Sei nicht kleinlich. Du hast ja jetzt Bänke im Bahnhofpärkli und sogar 15 davon auf dem Kornhausplatz …

Hinz: … und offensichtlich auf beiden Plätzen bald auch noch Gartenbeizen. Ich hab da letzte Woche bereits von einem Gerangel gelesen.

Kunz: Das wäre ein weiteres Thema für eine städtebauliche Betrachtung. Wieviel Gartenbeiz verträgt ein Platz, damit er Platz bleibt? Wird er völlig zugestellt? Die Frage von vorhin kommt wieder: Wer muss worauf verzichten? Die Jury forderte übrigens, dass der Kornhausplatz «ein Ort zum Verweilen inmitten des hektischen Treibens» werden solle. Ob er das wird – zwischen grauem Busunterstand und ebenso grauen Beleuchtungsstelen, zwischen Linden und Kirschbäumen, Bänken und Gartenbeizen? Es wird sich weisen.

Hinz: Verweilen ist ein gutes Stichwort. Trinken wir ein Bier? Und wie spät ist es eigentlich?

Der dritte Teil des Palavers folgt am Dienstag.