Hinz und Kunz: Das Bahnhof-Palaver (I)

Nächste Woche feiert St.Gallen die Erneuerung von Bahnhof und Bahnhofplatz. Und alle werden das Werk mit Lob überschütten. Was aber meinen Hinz und Kunz?
Von  Redaktion Saiten

Hinz, der Grummler und Kunz, die gut Informierte palavern über den neuen Bahnhofplatz. Das 80 Millionen teure Generationenprojekt beschäftigt die beiden. Heimweh-Sanktgaller Hinz und Ur-Sanktgallerin Kunz sind sich nicht in allem, aber in einem einig: Da wäre mehr drin gelegen. Viele Köche… murmelt Kunz gerade. Hinz unterbricht sie.

Hinz: Wow – was für ein Raum! Ich war da schon lange nicht mehr drin. Die Halle ist ja richtig grosszügig.

Kunz: Und schau, der Seiteneingang Richtung Rathaus ist auch wieder offen. Ich finde, es verträgt auch die neuen Einbauten für die beiden Restaurants. Die sind recht zurückhaltend.

Hinz: Und die Leute sitzen ja sogar auf den Bänken rum.

Kunz: Hast du gesehen, weshalb die Plätze so beliebt sind? Die Bänke haben oben drin Strom- und USB-Anschlüsse. Und doch merkt man, dass die SBB ihre Liegenschaften auch in St.Gallen konsequent vermarktet.

Hinz: Ach darum mussten die eigenen Schalter in den Westflügel umziehen. Die Bahn will die renditeträchtigsten Ecken des Gebäudes vermieten.

Kunz: Warst du schon drüben bei den neuen Schaltern? Dort ist ein Zwischenboden eingezogen. Probier mal, dort im niedrigen Durchgang darauf zu warten, bis deine Nummer an der Reihe ist.

Hinz: Nicht grad gemütlich – da fällt mir die Decke ja fast auf den Kopf.

Kunz: Bei den neuen Unterführungen ist die SBB zum Glück grosszügiger.

Hinz: Aber ich erinnere mich, was das für ein Kampf war, bis in der Westunterführung endlich Lifte auf die Perrons und eine Rolltreppe zum Gaiserbahnhof hinauf gebaut wurden. Das ging ewig und wurde sogar im Stadtparlament diskutiert.

Kunz: Aber jetzt wird die sanierte Unterführung viel genutzt.

Hinz: Die Leute ziehts halt in den Coop. Was lernen wir daraus? Personenströme lassen sich auch mit Einkaufsmöglichkeiten lenken.

Kunz: In der anderen, der Rathausunterführung, kannst du jetzt nicht mehr verhungern.

Hinz: Elegant gestylt sind da die Läden wirklich. Mit diesen abgerundeten Glasfassaden. Erinnerst du dich, was da unten für ein feuchter Mief war? Wobei: Das Angebot ist ja nicht wirklich überraschend. Landesweit sind es in den Bahnhöfen bald überall die gleichen Läden.

Kunz: Klar: Wer ausser Ketten kann sich Bahnhofsmieten und die langen Öffnungszeiten leisten?

Hinz: Immerhin sind auch zwei St.Galler Namen dabei …

Kunz: … die waren mal st.gallisch. Die Bäckerei Schwyter gehört heute zur Unternehmensgruppe der Obermühle Boswil im Aargau. Und die Metzgerei Schmid gehört ja dem Migros-Konzern.

Hinz: Mich freut, dass die Metzgerei Schmid einen so prominenten Platz hat. Das passt zu St.Gallen – zur Stadt mit dem Talent zum Wursteln.

Kunz: Wursteln ist ein gutes Stichwort – grad wenn wir jetzt hier unter dem neuen Kubus stehen. Ich habe kürzlich Leute getroffen, die nennen das neue Dach «Eiswürfel».

Hinz: Ich weiss schon gar nicht mehr, wie es hier früher aussah.

Kunz: Hier, im Zeitrafferfilm, hast du den flash-back, schau mal rein.

Jedenfalls: Die Jury entschied sich im Wettbewerb vor zehn Jahren für das Projekt des Zürcher Architekturbüros Giuliani.Hönger.

Hinz: Sind das nicht die gleichen, die auch die Fachhochschule gebaut haben?

Kunz: Genau. Und die Laterne zwischen Bahnhof und Rathaus war in ihrem Wettbewerbsprojekt noch mit einem Stickereimuster gezeichnet. Der Jury gefiel am Projekt aber nicht alles. Sie forderte, diese Laterne müsse «optimal in den Kontext der beiden angrenzenden Hauptgebäude (Bahnhof und Rathaus) eingefügt werden». Das Stickereimuster war der Jury zu modisch und sie stellte auch Fragen zur Konstruktion, zur Wirkung am Tag und zur Gestaltung der seitlichen Anschlüsse an die bestehenden Ge
bäude. Hier kannst du alles nachlesen.

Hinz: Mir kommt es so vor, als wolle diese Laterne ein Zeichen setzen.

Kunz: Das macht sie – vor allem nachts, wenn sie leuchtet. Aber wenn ich mich von der Innenstadt her auf der Poststrasse dem Bahnhof nähere, sehe ich wegen des Eiswürfels nichts mehr vom historischen Bahnhof. Die Laterne verdeckt ihn.

Hinz: Und das Stickereimuster ist einem Milchglas gewichen?

Kunz: Nein, schau doch genau hin. Das Glas ist mit einem gewebeähnlichen Muster bedruckt.

Hinz: Und was sagst du zur Forderung der damaligen Jury nach einer «optimalen Einfügung»?

Kunz: Architektur will Zeichen setzen, hast du selber gesagt. Was daneben steht, hat manchmal halt das Nachsehen.

Hinz: Tatsächlich, das sieht hier oben ziemlich improvisiert aus, hier wo Rathaus- und Kubus-Dach übereinanderliegen. Offensichtlich darf es da nicht dazwischen hineinregnen.

Kunz: Und dann dieses Theater mit der Bustafel… aber da reden wir ein anderes Mal drüber.

Mehr zum Regenschutz und zur Tafel-Posse demnächst, im zweiten Teil des Bahnhof-Palavers.