Heimaten aufmischen

Wenn sich die Kulturlandsgemeinde ausgerechnet in Hundwil trifft, ist das kein Zufall. Bis zur Abschaffung fand dort jeweils in den ungeraden Jahren die Ausserrhoder Landsgemeinde statt. Das Dorf scheint der ideale Ort zu sein, um über das Thema der diesjährigen Ausgabe vom vergangenen Sonntag nachzudenken: Heimat. Der Säntis – für viele ein Heimatssymbol – steht auf Hundwiler Boden.
Die Besuchenden werden von der Postautohaltestelle zur Mehrzweckanlage Mitledi gelotst. Eine Gruppe um die Choreografin Gisa Frank und den Schauspieler Andreas Beutler steht auf einem Heu-Transporter und jauchzt aus Milchseihern und geschnitzten Bettruftrichtern.
Oben angekommen, stimmen sieben junge Herren aus dem lokalen Turnverein ein Zäuerli an. Die traditionelle Garderobe aus Edelweisshemden, roten Fetzen und Millitärschuhen wird von zwei On-Sneakertrrägern aufgelockert.
In der Turnhalle begrüsst Comédienne Reena Krishnaraja das Publikum mit Anekdoten aus einem Leben, in dem man immer wieder nach der Heimat gefragt wird. Die Gruberin (Grub AR, nicht SG, betont sie) weiss, wie liebevolles Hundwil-Bashing geht. Noch aus Jugi-Zeiten kennt sie die Kriterien, auf die es im Dörfer-Vergleich ankommt: Skilifte, Badis und Bahnhöfe.
Julia Kubik übernimmt dann die Bühne und stellt die neuste Ausgabe der «Heimatpost» vor. Die selbsternannte Provinzforscherin stützt sich in der Recherche neben einem Spaziergang durchs Dorf auf Geschichten von ehemaligen Hundwiler:innen, künstliche Intelligenz, Social Media und DVDs der letzten Unterhaltungsabende des Turnverein Hundwils. Hier gehts zum Heimatreport von Kubik.
Nach der Begrüssung verteilen sich die Besuchenden im Dorf. Auf vier Sparziergängen erzählen Locals und Expert:innen Geschichten aus und über Hundwil und anderen Heimaten. Vera Marke, Künstlerin und Forscherin, arbeitet im Haus Dorf 10. Die Malerei ist ihr Fachgebiet. Aus alten Pigmenten mischt sie die Farben nach, wie in der Architektur im Appenzellerland verwendet wurden. Das denkmalgeschützte Haus hat sie restauriert wie ein Gemälde. Heute ist es wieder ein Ort, der viele Funktionen gleichzeitig erfüllt: Arbeitsplatz, Ausstellungsort und Veranstaltungsstätte.
Ein weiterer Spaziergang führt zum tiefst gelegenen Punkt der Gemeinde, dort wo früher der Weg von Hundwil über die Urnäsch (den Fluss) nach Herisau führte. Die noch erhaltene Grubenmann-Brücke wird wegen den Sprüchen am Holzgebälk auch sprechende Brücke genannt.
Die Besuchenden reihen sich beim Weg ins Tobel in einer Kolonne ein. Ganz nach der Appenzeller Regel: Querfeldein ist nur vor der Landsgemeinde in Ordnung. Denn wenn der ganze Kanton nach Hundwil oder Trogen pilgerte, waren die Felder sowieso zerstampft und das Gras noch nicht so hoch. Ob die Regel nach Abschaffung der Landsgemeinde und mit Klimawandel noch ihre Gültigkeit hat, sei dahingestellt.
In der Mehrzweckanlage geht das Programm den ganzen Tag lang weiter. Am Architektur-Stammtisch von Thomas Künzle und Valentin Surber wird über Kolosse in der Appenzeller Hügellandschaft diskutiert: Ställe. Ein Film von Johannes Werner und Sarah Elena Müller zeigt, für wen die Berner Hochhaussiedlung Tscharnergut eine Heimat ist. Suramira Vos und Peter Surber lesen die Erkenntnisse des Kulturlandsgemeinde-Festivals vom vergangenen Jahr im Zeughaus Teufen vor. Den Schlusspunkt setzt Carlos Hidalgo mit Heimatklängen aus Talerbecken, Hackbrett und Mischpult.