, 31. Dezember 2018
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Gute Sätze 2018 (I): Freie Räume, freies Leben

Schon wieder vergessen? Hier sind die besten oder jedenfalls manche guten Sätze aus dem Saiten-Jahrgang 2018. Teil I: freie Räume, leere und andere, in der Stadt und in den Köpfen.

Die Zeichnungen zum Titelthema «Waldkinder» im Märzheft 2018 sind von den Waldkindern.

Das Konsulat hat Vorzeigecharakter, und ich hoffe, dass es weitere Zwischennutzungsprojekte inspiriert. Diese stehen und fallen natürlich auch mit Privatpersonen oder Institutionen, die gewillt sind, geeignete Liegenschaften zur Verfügung zu stellen.

Stefan Späti im Januarheft «Improvisorium»

 

Das Hotel Ekkehard ist seit Jahren am Zerfallen, die Leonhardskirche wird äusserst spärlich genutzt, die Häuser an der Frongartenstrasse 6 bis 8 standen eine gefühlte Ewigkeit leer, bis sie vor kurzem abgerissen wurden, und in St.Fiden müsste man auch nicht warten, bis die Bagger vorfahren.

Corinne Riedener im Januarheft «Improvisorium»

 

Bürokratie und Überregulierung machen es einem hier nicht leicht, freie Ladenlokale umzunutzen, für immer oder auch nur spontan und für eine befristete Zeit.

Pino Stinelli im Januarheft «Improvisorium»

 

Im Wald funktioniert, was in geschlossenen Räumen manchmal schwierig ist: das soziale Zusammenspiel. Sich aufgehoben fühlen, ankommen, einer Sache nachgehen können, inspiriert sein, aber auch einfach mal nichts müssen.

Eva Helg, pädagogische Leiterin der Waldkinder St.Gallen, im Märzheft «Im Wald»

 

Es ist wichtig, dass sich die Leute heutzutage der totalen Kontrolle, der Reglementierung und dem Repressionskalkül nicht beugen und sich weiterhin Räume aneignen. Es wäre eine Niederlage im Kampf für ein freieres Leben. Besetzungen sollen aufmüpfig sein, die Leute aufrütteln, provozieren, polarisieren, anregen, überraschen und auf Probleme aufmerksam machen. Zum Beispiel auf die Ignoranz von Bauherren, die ihrer Renovations-, Abriss- und Bauwut freien Lauf lassen – ungeachtet des Bedürfnisses einer Mehrheit der Stadtbevölkerung nach bezahlbarem, lebenswertem Wohnraum.

Aus dem Berner Open Doors Squattermagazin, im Januarheft «Improvisorium»

 

Das ständige Lamento über die fehlenden Parkplätze vor dem Laden langweilt mich. Ich wäre froh, würde man auch von gewerblicher Seite endlich einmal die hohen Mieten thematisieren und nicht nur immer die Parkplatzsituation und den zunehmenden Onlinehandel für alles verantwortlich machen.

Dani Fels im Januarheft «Improvisorium»

 

Ich freue mich also, dass für jeden Lippenstiftladen und jeden Kettenimbiss, man könnte auch sagen jeden Verschönerungs- und Verpflegungsautomaten mit bedauernswertem Personal, dass also für all die Marionnauds, Kikos, Chickerias & Yoojis baldmöglichst je zehn Zottelbärte und Hutzelpunks die Wartehallen und sonstigen Bahn- und Bushäuschen einnehmen. Auf dass flottes Underground-Schickeria-Leben das Bahnhofareal flutet. Und ich verspreche jedem Häschmernoenstutz-Gesellen, der mich anspricht, dass ich ihm den Wunsch liebend gern und doppelt erfülle. Von mir aus kann auch mal ein Feuerchen sein, zum Würste braten, aber ohne Hühner und Lippenstifte. Was du ausstrahlst, ziehst du an.

Charles Pfahlbauer jr. im Februarheft «Theater»

 

Jetzt kommt wieder ein Provisoriumsbau auf St.Gallen zu. Das Theater braucht ihn während zwei Spielzeiten als Ersatzbau während der Theaterrenovation. Wir schlagen ins Blaue hinaus vor: Das Provisorium könnte man, statt es nach zwei Jahren wieder abzubrechen, weiter brauchen als provisorisches «Haus der Freien». Mit sinnvollen Anpassungen. Und an einem Standort, der noch zu finden wäre. Utopisch? Illusorisch? Superprovisorisch? Oder provisorisch eine Diskussion wert?

 

Bei den Freien hat man sich in St.Gallen offenbar auf den Usus geeinigt, dass sie sich bis ans Ende ihrer Tage mit Provisorien und Zwischennutzungen zufrieden zu geben haben. Das finde ich schwierig. St.Gallen braucht ein Theater für die Freien, mit einer infrastrukturellen Stabilität und einer klaren inhaltlichen Haltung.

Oliver Kühn, freier Theatermacher, im Februarheft «Theater»

 

In St.Gallen fehlt der Platz für die Freien – Ja. Kein Widerspruch. Aber das ist ein kulturpolitisches Thema. Es wäre anmassend, wenn ich dazu Stellung nehmen würde. Die Politik müsste entscheiden, ob man der freien Szene – was ich begrüssen würde – einen adäquaten Raum geben will.

Theaterdirektor Werner Signer, im Februarheft «Theater»

 

Generell fehlt es an Begegnungsraum und Arbeitsraum – für Kunst, für Musik, für Theater, für freies Schaffen. Zahlbare Ateliers zum Beispiel sind rar in der Stadt, aber wo ist die Bewegung, die sie einfordern würde? Fordern wir das Zeughaus auf der Kreuzbleiche! Es wäre perfekt als Haus, wo Kunstschaffende arbeiten und Gäste aus dem Ausland die heimische Szene anregen könnten.

Lika Nüssli, Künstlerin, im Dezemberheft «Kultur fördern»

 

«Man könnte also überlegen, ob sich im Entwicklungsprozess Bahnhof Nord eine neue urbane Rationalität noch stärker entfalten könnte. Sie wäre eine Rationalität, mit welcher bei Prozessen der Raumkonstitution Fragen nach einer angemessenen Durchmischung von privaten und öffentlichen Räumen ins Zentrum gestellt würden.»

Katharina Graf im Buch Hinter den Gleisen, im Dezemberheft «Kultur fördern»

 

Die heutige Gesellschaft ist sicher nicht zu vergleichen mit jener der 60er-Jahre, aber ich finde sie nach wie vor repressiv. Mir scheint, als wären wir stillgestanden. Man hat den Leuten damals ein paar Zückerchen hingeworfen, damit sie Ruhe geben, aber wenn man heute den Kampf weiter aufnehmen will, fühlen sich alle gleich in ihrer Freiheit eingeschränkt.

 

Ist vielleicht die Kritik der 68er an den zerstörerischen Folgen eines ungezügelten Fortschritts nicht zu trennen von ihrer Angst, dass dieser ohne sie hätte stattfinden können?

Rolf Bossart über Ueli Mäders Buch 68 – Was bleibt? im Maiheft «68 + 50»

 

Also: Bleiben Sie schön unten, den Kopf nah an der Strasse, Street Credibility bleibt so wichtig wie eh und je.

Charles Pfahlbauer jr. im Januarheft «Improvisorium»

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