Güterbahnhof: Jetzt gilt es ernst
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Kugl, Konigs Lampengeschäft, Lagerhallen, Lattich, Velo-Projektwerkstatt, Pläne für die Eventhalle Hektor und für Studentenwohnungen, die zusätzliche Haltestelle der Appenzellerbahnen im Bau samt der schon vor einem Jahr bewilligten provisorischen Passerelle von der Paradiesstrasse zur künftigen Haltestelle – auf dem St.Galler Güterbahnhofareal läuft viel, auch wenn sich die weite Fläche auf den ersten Blick als öder Autoabstellplatz präsentiert.
Doch was passiert auf diesem Filetstück der Stadtentwicklung in Zukunft? Bleibt jede weitere Planung blockiert, weil dort irgendwann die Teilspange als zusätzlicher Autobahnanschluss gebaut werden soll? Hat der Kanton als Grundeigentümer nun doch Projekte im Köcher? Und wie steht es um den Schutz der historischen Güterbahnhofgebäude?
Klar ist vorerst nur: Mitte September will der Kanton informieren, wie es weitergehen könnte. Inhaltlich wird solange «gemauert».
Doch inzwischen macht sich die Opposition gegen die Teilspange wieder laut bemerkbar. Die SP veranstaltete Mitte August eine Führung durchs Areal und stiess damit auf grosses Interesse. Die Klimajugend wird am 3. September ihre Kundgebung um 18.30 Uhr auf dem Güterbahnhofareal beenden und dort gegen den geplanten Autobahnanschluss protestieren.
Ein ISOS-A-Gebiet
Einfach haben es die Planungen auf dem Areal nicht, denn sie müssen auf die historische Bebauung Rücksicht nehmen. Im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) ist das Güterbahnhofreal als A-Gebiet klassiert. Gebäudeabbrüche sind damit eigentlich ausgeschlossen. Das wussten schon die Investoren, die 2007 hier bauen wollten. Sie hätten mindestens das Güter-Expeditionsgebäude und die angebauten Lagerschuppen stehen gelassen. Doch die damals nötige Zonenplanänderung scheiterte in der Volksabstimmung.
Was immer nun neu geplant wird: Der Güterbahnhof müsste eigentlich erhalten werden – auch wenn das Hauptgebäude nicht im städtischen Inventar der denkmalgeschützten Gebäude aufgeführt ist. Für den Schutz zuständig wären eigentlich die SBB selber, denn ihnen gehören die Gebäude, während der angrenzende Boden im Besitz des Kantons ist. Doch die SBB-Fachstelle Denkmalpflege hält sich bedeckt: Der Kanton habe alle nötigen Informationen und Beurteilungen, heisst es dort.
Schienen an den Hang verlegt – und wieder zurück
Die Geschichte des Güterbahnhofareals zeigt, welche Bedeutung es für die Stadt St.Gallen hat. Entstanden ist es auf der Geltenwilenbleiche, weil in der boomenden Stickereizeit der erste Bahnhof ausgebaut werden musste. Doch diesem Plan standen Güterschuppen im Weg. 1898 hiess das eidgenössische Post- und Eisenbahndepartement deshalb die Planungen für einen neuen Güterbahnhof westlich der Leonhardskirche gut. Doch zuerst musste noch mit der Gaiserbahn verhandelt werden, denn sie fuhr damals parallel zu den SBB-Gleisen bis auf die Höhe der Otmarkirche. Für den Bau des Güterbahnhofs musste ihr Trassee verlegt werden.
So entstanden der Geländeeinschnitt und die zwei Kurven nach der Bahnhofsausfahrt – die nun bald wieder Vergangenheit sind: Ende Jahr werden die Appenzellerbahnen wieder parallel zu den SBB-Gleisen fahren.
Ein Mix aus Jugendstil, Gotik und Renaissance
Die Gebäude des Güterbahnhofs präsentieren sich noch weitgehend gleich wie in der Bauzeit kurz nach 1900: Die Anlage war anfänglich streng symmetrisch und hat noch heute einen Schlosscharakter. In der Mitte steht der 3-geschossige Bürotrakt, einst mit einer repräsentativen Freitreppe erschlossen. In einer Publikation zum Bahnhof St.Galllen charakterisiert Denkmalpfleger Moritz Flury das Güterbahnhof-Gebäude als «Mischung aus Jugendstil mit gotischen Ornamenten und gotischen Bogenfenstern und Elementen der italienischen Renaissance».
Links und rechts angebaut sind die Güterschuppen, die, im Gegensatz zu vielen Schuppen an anderen Bahnhöfen, nicht einfache Holzkonstruktionen sind, sondern gemauerte, mit beidseitig repräsentativen Toren ausgestattete und unterkellerte Lagergebäude.
Am östlichen Ende der Anlage stand das sogenannte Zoll- und Niederlagsgebäude ursprünglich frei. Niederlagsgebäude waren Zollfreilager, in denen Waren während zweier Jahre liegen durften. Wie gross die Nachfrage schon vor 120 Jahren war, zeigt der Umstand, dass dieses Haus – kaum erstellt – gegen Westen erweitert wurde. Damit entstand die zusammenhängende Überbauung von 250 Metern Länge.
Die Pläne der Gebäude – Bauherrschaft waren noch die Vereinigten Schweizer Bahnen, die SBB entstanden erst 1902 – sind von einem Bauingenieur König signiert. Sie stammen aber laut Denkmalpfleger Moritz Flury vermutlich vom Bahn-Architekten Heinrich Ditscher. Ditscher hatte nicht nur die repräsentativen Fassaden der Güter-Expedition entworfen, sondern ähnliche auch für das Zollgebäude. Doch die Ausführung war dann einfacher: mit Eckquadrierung und einem rot-gelben Würfelfries, ähnlich einem Sgrafitto, das ziemlich verbleicht erhalten ist.
Umbauten – nicht zuletzt rücksichtslos eingesetzte Fenster – haben den einst noblen Charakter zwar beeinträchtigt. An der Bedeutung des Areals für die Stadtentwicklung ändert das aber nichts. Und so bleibt spannend, wie die angekündigten Planungen mit diesem, den Ort prägenden Gebäuden umgehen wollen.