Guerilla-Marketing für den Tilsiter

In St.Gallen rockt IT - im Thurgau rockt der Käse. Tilsiter will mit einer neuen Kampagne Deutschland erobern.
Von  Harry Rosenbaum

Seit Uwe Ochsenknecht in Werbespots immer wieder erfolglose Versuche unternimmt, das geheime Rezept des Appenzeller Käses zu knacken, weiss man, dass Käse-Werbung nicht langfädig daher kommen muss, sondern sehr kurzweilig sein kann. Auch im Tilsiter-Land Thurgau hat man diesen Dreh schon länger raus.

swizzrockerJetzt soll mit dem «Swizzrocker» der floppende deutsche Markt aufgemischt werden. Die Sortenorganisation Tilsiter aus Weinfelden startet Mitte Februar die Werbekampagne für die neue Marke. Sie soll mit ihrem schwarz-silbernen Label offensichtlich ein Hardcore-Publikum mittleren Alters, vor allem Rocker vom Format Hells Angels und Heavy-Metal-Fans, ansprechen –  «Die Freiheit vermitteln, sich eine Auszeit zu nehmen», heisst der Slogan… Die Werber erwarten, dass der ausschliesslich für Deutschland bestimmte Käse im neuen Jahr die «Theke rockt».

Die Thurgauer Käse-Hersteller haben schon 2006 und 2007 mit einer schrägen Kampagne für grosses Aufsehen gesorgt. Mit der «Tilsitskij-Revolution» wurde der Einmarsch der Russen unter dem Tilsiter-Banner in die Schweiz angekündigt. Der Schnittkäse stammt ursprünglich aus dem ostpreussischen Tilsit, das heute zu Russland gehört und Sovetsk heisst. Der Thurgauer Käser Otto Wartmann brachte nach einem Aufenthalt in Ostpreussen das Rezept des Käses in seine Heimat und begann 1893 im Weiler Holzhof, in der Gemeinde Amlikon-Bissegg, mit der Herstellung von Tilsiter.

img208785Aber auch in Sovetsk wurde nach dem gleichen Rezept weiter Käse produziert. Und die Russen wagten mit ihrem Produkt schliesslich die Erstürmung des Schweizer Marktes. Dabei halfen ihnen ein pfiffiger Schweizer Werber und ein Käseimporteur. Beide arbeiteten früher für die Sortenorganisation Tilsiter in Weinfelden.

Plakate mit Sichel und Käsemesser wurden für Tilsitskij gedruckt, mit Parolen: «Tilsiter. Russische Wertarbeit.» und «Tilsiter. Revolutionär gut.» Damit sollte Sowjet-Nostalgie zum Party-Erlebnis werden.

Am 1. August 2007 wurde dann das Geheimnis um den Russen-Käse, der nie am Schweizer Markt auftrat, allmählich gelüftet. Die Spitzenleute der Sortenorganisation Tilsiter und eine Abordnung aus Sovetsk, samt Bürgermeister, feierten gemeinsam «Ende Feuer» im fiktiven Käse-Krieg.

Partnerschaftsprojekt Tilsiter Switzerland mit Tilsit/SovetskMit behördlicher Einwilligung wurde von Schweizern und Russen der Weiler Holzhof in «Tilsit» umbenannt und eine entsprechenden Ortstafel aufgestellt. Hinter der drohenden Konkurrenz wurde bald einmal eine Werbekonzept vermutet, das mit Russenhilfe den Schweizer Tilsiter wieder populär machen sollte – eine Form von geistiger Landesverteidigung an der Käse-Front.