«Grüne Männer können zurückstehen»
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Aufgeräumte Stimmung im Café Trüffelschnüffler. Unmittelbar neben dem Pfalzkeller haben sich die St.Galler Grünen nach dem verlorenen Ständeratswahlkampf versammelt. CVP-Kandidat Benedikt Würth ist mit gut 37‘000 Stimmen klarer Sieger des ersten Wahlgangs. Das war zu erwarten. FDP-Kandidatin Susanne Vincenz-Stauffacher belegt mit 25‘000 Stimmen Platz zwei, Mike Egger von der SVP (19‘000 Stimmen) ist Dritter. Weit dahinter ist Patrick Ziltener mit 8200 Stimmen: schlechtestes Resultat der Kandidaten, die für eine Partei antraten.
Saiten: Herr Schwager, Sie wirken nicht besonders enttäuscht.
Thomas Schwager: Über mehr als 10 Prozent hätte ich beim grossen Kandidatenfeld persönlich als Erfolg gewertet. Jetzt sind es etwa 8,5 Prozent. Als wir uns im Herbst für eine Kandidatur entschieden, war noch nicht bekannt, wer sonst noch antritt. Ursprünglich hofften wir auf den zweiten Platz.
Haben Sie ihr Ziel dennoch erreicht?
Wir hätten wissen müssen, dass die FDP sehr viel Geld in den Wahlkampf investiert hat. Wie viel, bleibt offen. 50‘000, 70‘000, über 100’000 Franken? Die FDP, aber auch die CVP haben es nicht so mit der Transparenz. Das ist einer Demokratie unwürdig. Wir haben zwischen 6000 und 9000 Franken ausgegeben. In unserer Jahresrechnung wird das ausgewiesen. Angesichts dieser finanziellen Kräfteverhältnisse dürfen wir zufrieden sein mit dem Resultat. Und vor allem haben wir die Klimathematik in die Debatte eingebracht.
Hierbei reiten Sie aber auch auf der Welle, die die parteiunabhängige Klimajugend in den vergangenen Wochen ausgelöst hat.
Es wäre vermessen, zu sagen, wir hätten das Thema Klima durch den Ständeratswahlkampf in die öffentliche Debatte eingebracht. Aber die Grünen sind wohl die einzige Partei, die schon vor Jahrzehnten vor der Klimakrise warnte. Unsere Kandidatur stand fest, bevor die Jugend auf die Strasse ging. Hauptauslöser für die Kandidatur – auch für Patrick Ziltener persönlich – war, dass der Nationalrat im Herbst ein griffiges CO2-Gesetz abgeschossen hat.
Die FDP hat auf nationaler Ebene ein grünes Mäntelchen angezogen. Findet gesamtgesellschaftlich ein Umdenken statt oder ist das reiner Wahlkampf?
Grüne Bekenntnisse zum Klimaschutz aus dem Freisinn sind erst dann glaubwürdig, wenn in den nationalen Parlamenten auch entsprechende Entscheide fallen. FDP-Präsidentin Petra Gössi muss zuerst noch liefern. Und auch Susanne Vincenz-Stauffacher hat bisher keine klaren Positionen bezogen, wo sie sich konkret für grüne Anliegen und den Klimaschutz einsetzen würde. Zumindest hätte ich solche bisher nicht vernommen.
Im Wahlkampf hat sich früh gezeigt, dass es nicht einfach würde für Patrick Ziltener. Die SP-Frauen haben die FDP-Kandidatin portiert.
Darüber war ich sehr enttäuscht. Ich frage mich, ob die SP-Frauen auch eine grüne Kandidatin mit derselben Vehemenz unterstützt hätten. Und was, wenn die SVP mit Esther Friedli statt mit Mike Egger angetreten wäre? Die SP-Frauen kaufen mit Susanne Vincenz-Stauffacher die Katze im Sack. Natürlich hat sie Verdienste mit der Frauenzentrale vorzuweisen. Wenn eine Mehrheit der SP-Frauen aber die Genderthematik alleine in den Vordergrund stellt und alle anderen Themen ausblendet, ist das schon bedenklich. Immerhin haben auch SP-Frauen unseren Kandidaten unterstützt. Nationalrätin Claudia Friedl etwa war im Unterstützungskomitee von Patrick Ziltener. Sein einziges Problem war wohl, dass er ein Mann ist.
Haben die Grünen die Geschlechterfrage unterschätzt?
Die Grünen sind die einzige Partei, die die Geschlechterfrage noch nie unterschätzt hat. Wir waren die erste Partei, die auf nationaler Ebene eine Präsidentin an der Spitze hatte und auch heute hat. In St.Gallen haben Yvonne Gilli und Pia Hollenstein, beides ehemalige Nationalrätinnen, mehrfach für den Ständerat kandidiert. In St.Gallen stellten wir mit Franziska Wenk und Franziska Ryser zweimal die Stadtparlamentspräsidentin. Die Männer können bei uns zurückstehen.
Treten die Grünen mit Patrick Ziltener zum zweiten Wahlgang an?
Aussichtsreichster Kandidat bleibt sicherlich Benedikt Würth. Er bringt am meisten politische Erfahrung mit, gerade auf nationalem Parkett. Wir überlegen uns aber schon, nochmals ins Rennen zu steigen. Das würde sicherstellen, dass die Klimakrise auch im zweiten Wahlgang in der Diskussion bleibt.
Hauptziel bleiben aber die Nationalratswahlen im Herbst?
Am kommenden Samstag präsentieren wir unsere Liste. Darauf werden sechs Frauen und sechs Männer stehen. An der Spitze Franziska Ryser. Denn bei uns Grünen steckt die Frauenföderung in der DNA – und wird auch so gelebt.