Grün. Grüner. Wald!

Der Wald kommt gut ohne uns aus, wir aber nicht ohne ihn. Seiner zentralen Rolle für den Menschen widmen sich zwei Ausstellungen im Museum Appenzell und im Kunstzeughaus Rapperswil.

Marianne Engel: Zwei Fliegenpilze, 2017. Aktuell zu sehen im Kunstzeughaus Rapperswil-Jona. (Bilder: pd)

Gä­be es kei­nen Wald, sä­he das Mu­se­um Ap­pen­zell an­ders aus. Den Dach­stock, die Trep­pen, die Ein­bau­ten, selbst den Gross­rats­saal und vie­le der Aus­stel­lungs­stü­cke gä­be es nicht. Denn sie sind aus Holz. Der Wald lie­fert den Roh­stoff zum Bau­en, zum Wer­ken und für so vie­les an­de­re. Mit Holz wird ge­heizt, ge­schnitzt, ge­drech­selt, auf Holz wird ge­malt, ge­ses­sen und ge­ges­sen – und das seit lan­gem schon. Aber Holz ist bei wei­tem nicht das ein­zi­ge Gut des Wal­des. Zum Bei­spiel lie­fert er den Pilz­fans ei­nen Grund für aus­ge­dehn­te Streif­zü­ge. Zu frü­he­ren Zei­ten wa­ren für die Ei­nen Pil­ze, Bee­ren und Kräu­ter ein Grund­be­stand­teil der Nah­rung und für die An­de­ren war es das Wild­bret. 

Von all dem und noch viel mehr er­zählt die Aus­stel­lung «Pö­sche­li­bock, Wald­teu­fel und Laub­sack» im Mu­se­um Ap­pen­zell. Den Laub­sack bei­spiels­wei­se ken­nen man­che der heu­te über 80-Jäh­ri­gen noch als Schlaf­un­ter­la­ge. Mit dem Pö­sche­li­bock wur­de Rest­holz ge­bün­delt – auch die­ses war ei­ne wich­ti­ge Wär­me­quel­le. Und der Wald­teu­fel ist nicht et­wa ein Fa­bel­we­sen, son­dern ein Werk­zeug zum He­ben schwe­rer Stäm­me. 

Ihn und vie­les mehr zeigt die von Ku­ra­to­rin Bir­git Lan­gen­eg­ger sorg­fäl­tig zu­sam­men­ge­stell­te Schau als Ex­po­nat, an­de­res ist in his­to­ri­schen Auf­nah­men zu se­hen wie et­wa die Rut­sche, auf der die Stäm­me ins Tal don­ner­ten. Spä­tes­tens hier wird deut­lich, war­um die aus­ge­stell­ten Ar­beits­stie­fel so wehr­haft aus­se­hen: Wald­ar­beit war oft Schwerst­ar­beit in un­weg­sa­mem Ge­län­de. 

Der Wald im Wan­del der Zeit 

Aber der Wald hat auch an­de­re Sei­ten: Als er in wei­ten Tei­len noch weg- und steglos war, galt er als ver­wun­sche­ner Ort. Un­heim­lich und ge­fähr­lich war er, fins­ter und doch auch ma­gisch. Da­mit bie­tet er idea­len Mär­chen­stoff. Erst im 19. Jahr­hun­dert wird aus dem Wald der gros­se Sehn­suchts­ort der Ro­man­tik, bis ihn schliess­lich die Tou­ris­mus- und die Holz­in­dus­trie ver­ein­nah­men. Auch die­sen Kul­tur­wan­del klam­mert die Aus­stel­lung nicht aus. So zieht im Bild Ftan (2012) von Hans Schwei­zer ein Ses­sel­lift ei­ne Schnei­se durch den Wald. Har­lis Schwei­zer hin­ge­gen lässt in ih­rem Bild die Bäu­me bis ans Haus wach­sen – oder hat sich das Ge­bäu­de in den Wald hin­ein­ge­fres­sen? 

Die zeit­ge­nös­si­schen künst­le­ri­schen Po­si­tio­nen be­rei­chern die Aus­stel­lung um wich­ti­ge Sicht­wei­sen. Ueli Al­der taucht den Wald in sei­nen Fo­to­gra­fien in aus­ser­ge­wöhn­li­ches Licht: De­tail­scharf und pink­far­ben prä­sen­tiert er sich und ent­zieht sich doch. Bir­git Wid­mer über­setzt die Stil­le im Wald in for­mal re­du­zier­te Bil­der von Stäm­men, Äs­ten und Zwei­gen. Mar­lies Pe­ka­rek ist zwei­en der prä­gends­ten Mär­chen­ge­stal­ten auf der Spur: dem Wolf und dem Rot­käpp­chen. Ei­ne gan­ze Wand füllt die St.Gal­ler Künst­le­rin mit col­la­gier­ten, ver­frem­de­ten his­to­ri­schen Il­lus­tra­tio­nen. Rei­ne Idyl­le spricht aus zar­ten Zeich­nun­gen der Il­lus­tra­to­rin Kä­thi Bhend. Sie be­geis­tern Kin­der und Er­wach­se­ne seit Jahr­zehn­ten. Auch Behn­ds gros­ses Vor­bild Pia Ros­hardt ist in der Aus­stel­lung ver­tre­ten, und ein Wald-ABC der He­ri­saue­rin Chris­ti­ne Gsell run­det die Aus­stel­lung ab. 

Birgit Widmer: Puu, 2001

Käthi Bhend: So ein Sausen in der Luft, 1992

Merk­wür­di­ge Ge­stal­ten, Ge­rü­che, Tö­ne 

Wer die­ser Wald­viel­falt ein wei­te­res Ka­pi­tel hin­zu­fü­gen möch­te, soll­te sich nach Rap­pers­wil auf den Weg ma­chen. Hier zeigt das Kunst­zeug­haus «Denn in den Wäl­dern sind Din­ge …». So schrieb es Franz Kaf­ka an sei­nen Freund Max Brod im Jahr 1918 auf ei­ne Post­kar­te, und wei­ter: «… über die nach­zu­den­ken man Jah­re lang im Moos lie­gen könn­te.» 

So kon­tem­pla­tiv bleibt es in der Aus­stel­lung nicht. Lutz & Gug­gis­berg bei­spiels­wei­se las­sen es in ih­ren grü­nen Ge­mäl­den kra­chen. Hier ist die Welt aus den Fu­gen und mit der Wald­idyl­le ist es auch nicht weit her. Al­ler­hand merk­wür­di­ge Ge­stal­ten wu­seln um­her, was sie im Schil­de füh­ren, bleibt bes­ser of­fen. Vi­vi­a­na Gon­zá­lez Mén­dez ha­ben es die Ge­rü­che des Wal­des an­ge­tan. Akri­bisch no­tiert sie, wie lan­ge es wo­nach duf­tet, und stellt den Um­fang von Mo­der­duft und Moos­ge­ruch, von Tan­nen­aro­ma und Faul­ga­sen in Form un­ter­schied­lich gros­ser Stoff­flä­chen dar. Der Um­welt­for­scher und Künst­ler Mar­cus Mae­der über­trägt die Tö­ne ei­ner Kie­fer im Wal­lis in den Aus­stel­lungs­saal: Sie knackt un­ter dem Ein­fluss der Som­mer­hit­ze. 

Der Gang durch die Aus­stel­lung wird zu ei­ner Ex­kur­si­on durch die Viel­falt der Kunst: So reich und viel­ge­stal­tig der Wald, so un­ter­schied­lich die Ma­te­ria­li­en und künst­le­ri­schen Her­an­ge­hens­wei­sen: Pil­ze leuch­ten, Tie­re ver­we­sen, ein Trak­tor hat sich in die feuch­te Er­de ge­gra­ben. Es grünt, es blüht, es wächst und ver­geht. Mö­ge der Wald er­hal­ten blei­ben.

Mehr zu den Ausstellungen in Appenzell und Rapperswil-Jona:

«Pö­sche­li­bock, Wald­teu­fel und Laub­sack»: bis 7. Sep­tem­ber, Mu­se­um Ap­pen­zell 
«Denn in den Wäl­dern sind Din­ge …»: bis 2. Fe­bru­ar, Kunst­zeug­haus Rap­pers­wil