, 24. Februar 2016
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Graue Herren und ein «Vorzeige-Flüchtling»

Ohne Arbeit keine Integration – der gestrige Zischtigsclub hat gezeigt, wie man eine dringend nötige Debatte nicht führen sollte. Mittendrin: Saiten-Kolumnist Yonas Gebrehiwet.

Der Club zum Thema Arbeit statt Sozialhilfe (Bild: Screenshot SRF)

Einmal mehr fehlen die Frauen beim SRF: Roland A. Müller, Direktor des Schweizer Arbeitgeberverbands, ist Gast im Club zum Thema «Arbeit statt Sozialhilfe für Flüchtlinge», Felix Wolffers, Ko-Präsident der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos), Rudolf Strahm, Berufsbildungsexperte und ehemaliger Preisüberwacher, Hannes Germann, Präsident des Schweizerischen Gemeindeverbands und SVP-Ständerat aus Schaffhausen, Markus Vogel vom Kompetenzzentrum Integration der Stadt Bern und Saiten-Kolumnist Yonas Gebrehiwet, 19, angehender Textiltechnologe und vor gut vier Jahren aus Eritrea in die Schweiz gekommen.

Du als Afrikaner, hast du Probleme mit Sauberkeit und Pünktlichkeit?

Erstmal erkundigt sich Moderator Thomy Scherrer bei Yonas nach den Schwierigkeiten, mit denen er als Asylsuchender in der Schweiz zu kämpfen hatte. Die Sprache sei ein Problem, schon klar, nickt Scherrer – aber vermutlich auch «typisch schweizerische Werte und Normen» wie «Sauberkeit» oder «Pünktlichkeit», nicht?

Darauf reagiert Yonas zwar souverän («Das habe ich von meiner Mutter gelernt»), doch der Hochmut, der in Scherrers Frage mitschwingt, ist beispielhaft für die ganze Diskussion: Selbstgefällig und gönnerhaft reden hier privilegierte, grau melierte Herren über «junge Männer, die herumlungern» statt demütig den Eidgenossen zu dienen – mittes «einfacher Arbeiten» selbstverständlich, als «Erntehelfer» zum Beispiel, als «Zugreiniger» oder Hilfskraft in Forstwirtschaft und Gastronomie. Wie man es halt so macht mit «bildungsfernen Schichten» (Strahm).

Beschönigungen statt klare Worte

Immer wieder ist die Rede von diesen «einfachen Arbeiten». Man hätts auch beim Namen nennen und einfach «Drecksarbeit» sagen können. Stattdessen legt man grossen Wert darauf, nicht vom «Putzen», sondern vom «Reinigen» zu reden. Weil der Fachjargon das so will.

Yonas’ Einwand, dass auch gut qualifizierte Leute hierher kommen, für die es Brückenangebote bräuchte, verhallt einigermassen ungehört. Entscheidend sei weniger die Art der Arbeit, sagt Strahm, sondern dass man «diesen Leuten» feste Strukturen geben könne, «geschützte Arbeitsplätze», Dinge wie «Anlehren», «Praktika», «Flüchtlingslehren».

Die Hälfte der Asylsuchenden sei unter 25, gibt Wolffers zu bedenken, diese jungen Leute müsse man in den Arbeitsmarkt integrieren. Sein Ansatz: sie nicht mit «Flüchtlingslehren» abzuspeisen, sondern auf die derzeit 10’000 freien Lehrstellen – «in Berufen, die vielleicht nicht die attraktivsten sind» – zu verteilen. «Das ist der Preis, den man vielleicht zahlen muss, wenn man in dieses Land kommt.»

«Yonas, Sie könnten Politiker werden»

Müller sieht ebenfalls die Privatwirtschaft in der Pflicht, äussert aber Zweifel. Weil einerseits die Zahl der Asylsuchenden sehr hoch sei und diese andererseits auch die entsprechenden «Grundlagen», sprich minimale Deutschkenntnisse und ein gewisses «Benehmen» mitbringen müssten. Dann erst, allenfalls, habe man in der hiesigen Arbeitswelt Verwendung für sie.

Dass man dafür zuallererst die zahlreichen bürokratischen Hürden überwinden müsste, wie Yonas richtig bemerkt, wird nicht weiter vertieft. Stattdessen wird der «Vorzeige-Flüchtling» (Germann) gelobt für seine pointierten Ausführungen und Ergänzungen. «Sie könnten Politiker werden», findet Scherrer und erntet dafür Zustimmung in seiner Männerrunde.

Blanker Hohn angesichts dessen, dass Yonas noch mindestens fünf Jahre warten muss, bis er – vielleicht – auch am politischen Leben in der Schweiz teilhaben darf.

Weitere Infos und die ganze Sendung: hier.
Mehr zu Yonas: hier. Und «weiter denken»: hier.

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