«Göppel gegen Köppel»

Weltwoche-Chef Roger Köppel referiert im Hotel Einstein, draussen wird protestiert: gegen den Chefredaktor, gegen rechte Hetze und für globale Solidarität.

Von  Corinne Riedener

Dass Medienschaffende protestieren, ist nicht ungewöhnlich – erst vor wenigen Tagen etwa haben dutzende Angestellte des Winterthurer «Landboten» mittels Pfeifkonzert demonstriert, wie wenig sie vom Sozialplan der Tamedia AG halten. (Diese hatte die Regionalzeitung im vergangenen August übernommen und plant nun, an drei Standorten insgesamt 25 Vollzeitstellen abzubauen.) Dass gegen Medienschaffende protestiert wird, ist hingegen schon fast kurios, schliesslich sind sie nicht gerade für pointierte politische Statements bekannt.

 

Foto 4Tour de Schweiz

Anders Roger Köppel: Der eingefleischte Abstimmungskämpfer und Chefredaktor der rechtspopulistischen «Weltwoche» lässt es sich nicht nehmen, den jüngsten Entscheid «der selbstbestimmten Eidgenossen» im In- und Ausland anzupreisen. Aktuell tourt er mit öffentlichen Gratis-Vorträgen durch sieben Schweizer Städte (deutschsprachige), um den Dortigen «seine Schweiz», am besten die ganze Welt, zu erklären.

Damit provoziert er jene 49,7 Prozent, die eine andere Weltanschauung vertreten – auch in St.Gallen. Anders als bei der Auftaktveranstaltung in Zürich, formiert sich der Widerstand in der Ostschweiz aber auch audiovisuell: Kurz vor Beginn des Vortrags setzt sich ein etwa 40-köpfiger Demonstrationszug am Grüningerplatz in Bewegung und zieht via Gallusplatz Richtung Einstein, mit Musik, Trillerpfeifen, Transparenten und Velos, getreu ihrem Motto: «Göppel gegen Köppel». Der Anstoss kam von jungen Aktivistinnen und Aktivisten, die am Tag zuvor per SMS zur Spontandemo «gegen das Sprachrohr der radikalen Rechten» aufgerufen hatten. Sie vertreten ein gegenteiliges Weltbild, ein interkulturelles, nicht-völkisches, ohne Nationalstaaten.

 

Foto 2Gehässige Gäste

Entsprechend deutlich die Message: «Rechte Hetze hat keinen Platz in St.Gallen! St.Gallen bleibt solidarisch und wehrt sich gegen die menschenverachtenden Strukturen der Migrationspolitik!» Köppel schüre mit seinen Äusserungen Ressentiments, sagen sie, gegen Minderheiten, Migrantinnen und Migranten, gegen alles «fremde» und «nicht-schweizerische».

Auch wenn sich im Lauf dieser knapp einstündigen Aktion spontan noch weitere Gleichgesinnte und Interessierte dazugesellen, das Verständnis für die lautstarke Göppel-Aktion schrumpft umgekehrt proportional zum Preis der Inneneinrichtung: Vor den Toren des Einstein, einem der teuersten Flecken der Stadt, prallen Welten und Weltbilder zusammen. Viele der Köppel-Gäste flüchten sich ins Foyer der gehobenen Gesellschaft, einige werfen mit gehässigen Kommentaren um sich, wirken fast erleichtert, als nach etwa 15 Minuten eine Handvoll Polizisten anrückt. Diese geben sich verständnisvoll und den Demonstrantinnen und Demonstranten eine Frist von 20 Minuten, um den Platz ohne Konsequenzen zu verlassen, was friedlich und gutgelaunt passiert.

Ob die «Aktion Göppel» die Person Köppel überhaupt kratzt? – Wer weiss. Zu denken geben sollte sie aber mindestens dem Journalisten Köppel; denn aus berufsethischer Sicht sollte er sich viel mehr über den Gegenstand eines Protests äussern, statt selber Gegenstand dessen zu sein.

 

 

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