Glossar
Die Anastasia-Bewegung hat ihren Ursprung in der gleichnamigen zehnbändigen Fantasy-Romanreihe von Wladimir Megre aus der Post-Sowjet-Ära. Die Hauptfigur Anastasia, blond und blauäugig, lebt in der russischen Taiga. Sie hat übersinnliche Kräfte, kommuniziert mit Tieren und Pflanzen und ist Botschafterin des historisch nicht verbürgten uralten Volks der «Wedrussen». Ende der 90er-Jahre entstand in Russland und Osteuropa, später auch im deutschsprachigen Raum, eine völkisch-esoterische Bewegung, die den in den Büchern verbreiteten Idealen von Landwirtschaft, Esoterik, Beziehungsgestaltung und Pädagogik nachlebt, idealerweise auf sogenannten Familienlandsitzen. Megres Bücher sind durchdrungen von Blut- und Boden-Ideologie, Antisemitismus, Sexismus, und Verschwörungsmythen. So wird beispielsweise das Konzept der Telegonie vertreten. Diese längst widerlegte «Vererbungslehre» besagt, dass der erste Sexualpartner einer Frau ihre späteren Kinder psychisch und physisch prägt, auch wenn diese von einem anderen Mann stammen – mehr Reinheitsgebot geht nicht. Die Bewegung pflegt rege Kontakte zu Rechtsextremen und Reichsbürger:innen (→ KRD). In Deutschland und Österreich wird sie vom Verfassungsschutz beobachtet.
Aufrecht gehört ebenfalls zu den selbsternannten Bürgerrechtsbewegungen, die vor allem aus Massnahmengegner:innen und Staatskritiker:innen bestehen. Sie verstand sich von Anfang an als politische Bewegung. Aufrecht entstand im Oktober 2021 aus einer Arbeitsgruppe, die der heutige Präsident Patrick Jetzer im Hinblick auf die diesjährigen Nationalratswahlen ins Leben gerufen hatte. «Was die Gründer einte, waren Werte wie Menschenwürde, Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung und damit verbunden auch die Ebenen, auf denen Entscheide gefällt werden», heisst es auf der Website. Da die bestehenden Parteien diese Werte nicht mehr vertreten würden, sollte Aufrecht dafür einstehen. Aufrecht trat im Februar 2023 bei den Zürcher Kantonsratswahlen an und holte über 2 Prozent der Stimmen, ausserdem schaffte Jetzer im März 2022 in seiner damaligen Wohngemeinde Dübendorf (inzwischen wohnt er im Kanton St. Gallen) den Sprung in den Gemeinderat. Bei den Nationalratswahlen tritt Aufrecht in mehreren Kantonen mit einer eigenen Liste an.
Die Freunde der Verfassung waren die erste Gruppierung, die als Reaktion auf die Gesetzgebung zur Coronapandemie entstand und auf die Strasse ging. Sie gründeten sich im Juli 2020 mit 23 Gründungsmitgliedern, um als offizielle Trägerschaft des von Christoph Pfluger (→ Graswurzle) initiierten Referendums gegen das vom Bundesrat dringlich verabschiedete Covid-19-Gesetz zu fungieren. Auch beim zweiten und dritten Referendum engagierten sie sich zusammen mit anderen Massnahmengegner:innen, namentlich → Mass-voll. Die Freunde der Verfassung haben heute nach eigenen Angaben über 10‘000 Mitglieder und sind «die grösste Bürgerrechtsbewegung der Schweiz». Sie bezeichnen sich als «politische Freidenker:innen», das Ziel ist «die Verteidigung der Schweizer Verfassung und der direkten Demokratie». Wegen interner Differenzen trat Anfang 2022 der gesamte Vorstand zurück. Die Freunde der Verfassung treten nicht zu den Nationalratswahlen an, weil sie sich «nicht vom System vereinnahmen lassen» möchten. Sie lancieren allerdings eine Volksinitiative, um Referenden schneller und billiger zu machen und so die Demokratie zu stärken.
Der Global Court of the Common Law (GCCL) ist ein Fantasiegerichtshof und eine sektenartige Gruppierung, die abenteuerliche Interpretationen der Bibel propagiert und zur Reichsbürgerbewegung (→ KRD) zählt. Er ist die Nachfolgeorganisation des Global Common Law Court (GCLC), der von 2016 bis 2018 bestand. Gründer des GCCL ist Carl-Peter Hofmann, ein Staatsverweigerer, der seine Anhänger:innen dazu anstiftet, Behörden und Gerichte mit Schreiben einzudecken. Mitglieder des GCCL glauben an eine «satanische Elite» von Pädophilen, die rituell Kinder missbrauche und töte. Ihr gehörten insbesondere Richter und Staatsanwälte an. Deshalb anerkennen Anhänger des GCCL die Justiz nicht und weigern sich beispielsweise, Bussen und Steuern zu bezahlen. Um seine Mitglieder vor Strafverfolgung zu schützen, stellt ihnen der GCCL Fantasiedokumente wie das «Affidavit» oder die Lebenderklärung aus. Nachdem Hoffmann 2018 untergetaucht war, weil er sich einer Gerichtsvorladung entzogen hatte, wurde er 2021 in Liechtenstein verhaftet und später an Österreich ausgeliefert. Ende 2022 erwirkte sein Anwalt die Freilassung, ohne dass ihm der Prozess gemacht worden wäre.
Der deutsche Arzt Ryke Geerd Hamer entwickelte Ende der 1970er-Jahre eine «Heilkunde», die er später Germanische Neue Medizin taufte. Das, um sich von der «jüdischen sog. Schulmedizin» abzugrenzen. Hamer, dem 1986 die Zulassung als Arzt entzogen wurde, fiel immer wieder durch antisemitische Äusserungen auf und vertrat Verschwörungsmythen. Er sass mehrfach wegen Betrugs und illegalen Praktizierens in Haft und wurde in mehreren europäischen Ländern per Haftbefehl gesucht. 2017 ist er in Norwegen gestorben. Laut Hamers Pseudomedizin gibt es keine Krankheiten, sondern nur innere «Konflikte», die durch «Konfliktolyse» beseitigt werden können, etwa durch positives Denken oder das eigens von ihm komponierte «Zauberlied» Mein Studentenmädchen. Viren und auch Krebs existieren nicht. Die GNM hat Anhänger:innen insbesondere in der rechtsextremen und esoterischen Szene. Auch in der → Graswurzle-Bewegung werden Hamers Thesen besprochen. Seine Behandlungsmethoden haben vor allem bei Krebspatient:innen schon zu zahlreichen Todesfällen geführt.
Der Verein Graswurzle wurde im Sommer 2021 von Prisca Würgler (Geschäftsführerin) und Christoph Pfluger gegründet. Beide waren zuvor in der Anti-Coronamassnahmen-Bewegung aktiv. Würgler war früher Lehrerin, 2021 publizierte sie das Buch Unser Jahr unter Corona, in dem mehrere Massnahmenkritiker:innen zu Wort kommen. Pfluger ist Herausgeber der Zeitschrift «Zeitpunkt» und hat die umstrittene Onlineplattform corona-transition.org gegründet, die immer wieder Verschwörungserzählungen verbreitet. Graswurzle proklamiert ein esoterisches Weltbild. Ziel ist es, eine Parallelgesellschaft aufzubauen mit einem eigenen Schul- und Gesundheitssystem. Dabei lässt sich ein Trend zu gefährlicher Alternativmedizin und Verschwörungsmythen beobachten. Zurzeit hat Graswurzle nach eigenen Angaben rund 3500 Mitglieder in 83 Lokalgruppen, 13 davon befinden sich in den Kantonen TG, SG und AR. Über Soziale Medien, Veranstaltungen und Kooperationen mit anderen Organisationen erreiche man aber über 10‘000 Personen. Zu diesem Kosmos gehört auch die 2022 von Würgler gegründete Zeitschrift «Die Freien». Zum Redaktionsteam und den freien Autor:innen gehören unter anderem Michael Bubendorf, Andreas Thiel, Olivier Kessler, Daniele Ganser und weitere umstrittene Personen.
Die Identitäre Bewegung hat ihre Wurzeln in Frankreich, wo 2003 die rechtsextreme Gruppe Bloc identitaire entstand. Von da aus breitete sie sich in andere Länder aus. Die Identitären vertreten die Idee eines Ethnopluralismus, der eine zentrale Rolle im Weltbild der Neuen Rechten spielt. Er besagt, dass Ethnien zwar gleichwertig seien (eine Methode, um den rassistischen Gehalt abzuschwächen), jedoch nicht vermischt werden sollten. Ausserdem seien sie nicht nach biologischen Kriterien, sondern nach Zugehörigkeit zu einem Kulturkreis zu unterscheiden. Sie sehen die abendländische Kultur vom Islam bedroht und fürchten «den grossen Austausch». Darum fordern sie die Rückschaffung von Migrant:innen, insbesondere aus Afrika und dem Nahen Osten, in ihre jeweiligen Heimatstaaten.
Hierbei handelt es sich um einen selbsternannten, länderübergreifenden Gerichtshof, eigentlich ein Verein mit Sitz in der Steiermark, der aber vor allem in der Schweiz aktiv ist und eigene Pässe, Schutzbriefe und Schutzsticker verkauft. Allgemein steht er der Staatsverweigerungs-, Reichsbürger- und Coronaleugner:innen-Szene nahe und gebärdet sich als eine Art Hüter der Menschenrechte. Gemäss Recherchen des «Tages-Anzeigers» hat das ITU einem Schweizer Schulleiter in mehreren eingeschriebenen und auf Hochglanz gedruckten Briefen Folter und Misshandlung von Schutzbefohlenen vorgeworfen und ihm aufgrund der Umsetzung der Coronaschutzmassnahmen an seiner Schule ein internationales Strafverfahren angedroht. Internationale Treffen der Organisation finden mehrheitlich in der Schweiz statt.
Die Reichsbürgerbewegung ist vor allem in Deutschland aktiv und wünscht sich ein Deutsches Reich zurück. Die Szene ist sehr heterogen, oft handelt es sich um Einzelpersonen. Einer der bekanntesten Köpfe und auch gegen Rechtsaussen hin sehr gut vernetzt ist etwa der gelernte Koch, Kampfsportler und Esoterikladenbesitzer Peter Fitzek, der 2012 auf einem ehemaligen Krankenhausgelände in Wittenberg das Königreich Deutschland (KRD) ausrief und sich zum «König von Deutschland» und «Imperator Fiduziar» krönen liess. Im Appenzellerhof in Speicher AR war er im November 2022 als Gastredner zu einem «Systemausstiegsseminar» geladen. Nachdem der Anlass öffentlich wurde, wurde der Termin abgeblasen. Es gibt aber noch diverse weitere Personen, die sich zum König ernannt haben. Von der Reichsbürgerbewegung geht teilweise eine erhebliche Gefahr aus. So ist 2016 bei einer Razzia im fränkischen Georgensgmünd ein Polizist von einem Reichsbürger erschossen worden. Auch wurden seither diverse Waffenlager ausgehoben, zuletzt etwa diesen Mai in Singen am Bodensee. Im März dieses Jahres hat die deutsche Generalbundesanwaltschaft in sieben Bundesländern sowie im Kanton St.Gallen Razzien durchgeführt. Dabei wurden auch bei zwei im Kanton wohnhaften Personen Hausdurchsuchungen durchgeführt. Die deutschen wie die Schweizer Behörden haben nun je eigene Strafverfahren wegen Verdachts auf Unterstützung respektive Beteiligung an einer terroristischen Organisation eröffnet. Weder die Schweizer Bundesanwaltschaft noch die deutsche Generalbundesanwaltschaft wollen sich derzeit zum Stand der Verfahren äussern.
Im Manifest der Neuen Erde schildern Catharina Roland und Corinne Tâche-Berther alias Coco Tache ihre Vision einer anderen Welt. Im 2022 erschienenen gleichnamigen Buch skizzieren sie ein alternatives Gesellschafts- und Staatskonzept, das nach dem erwarteten Zusammenbruch der derzeitigen sozialen und politischen Ordnung die Basis für eine ökologischere und spirituellere Form des Zusammenlebens bilden soll. Exekutivgremien der neuen Erde sind sogenannte «Weisenräte», zu denen Szenegrössen aus Esoterik, Spiritualität, Staatsverweigerung und Verschwörungsideologie gehören sollen, unter anderem Christina von Dreien, Daniele Ganser und Ricardo Leppe (→ WSF). Ziel ist es, das System zu stürzen. Die Ansätze zu Landwirtschaft, Tierhaltung, Medizin oder Technik sind von einem stark esoterischen Bild geprägt. Auf der neuen Erde gibt es zum Beispiel kein 5G, keine Mikrochips, keine Parteien und keine Abtreibungen mehr, dafür Telepathie, Homeschooling, Quantenheilung und Vollgeld.
Mass-voll gründete sich im Februar 2020 als Jugendbewegung mit dem Ziel, sämtliche Coronamassnahmen abzuschaffen und «die Jugend zu befreien». Die Gruppierung verbreitete rechtspopulistische und verschwörerische Theorien. Mass-voll bezeichnet sich als «DIE Bewegung für Freiheit, Souveränität und Grundrechte» und fordert einen «freiheitlichen Neustart»: «Denn das Volk ist nicht mehr souverän im Staat und die Eidgenossenschaft ist nicht mehr souverän in der Welt.» Mass-voll wurde schweizweit bekannt durch die Referenden und Demonstrationen gegen das Covid-19-Gesetz. Mass-voll fiel schon früh durch rechtsextreme Äusserungen seiner Mitglieder in den Sozialen Medien auf. Anfang Jahr reichte Mass-voll beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gegen den Nachrichtendienest des Bundes ein, weil dieser Informationen über die Bewegung sammelte, ihr aber keine näheren Informationen dazu geben wollte. Entgegen früheren Beteuerungen des Mitgründers und Präsidenten Nicolas A. Rimoldi nimmt Mass-voll in mehreren Kantonen an den Nationalratswahlen teil.
In Band 3 der Anastasia-Bücher schwärmt Autor Megre von der seit 2019 geschlossenen Schetinin-Schule im russischen Tekos – ein «ganzheitliches» Internat, das nach klaren Geschlechterrollen Kinder teils getrennt unterrichtet, gedrillt und militärisch ausgebildet hat. Begründer dieses nationalistisch geprägten pädagogischen Konzepts ist Michail Petrowitsch Schetinin. Er propagierte «natürliches Lernen» und behauptete, dass Kinder bereits das gesamte Wissen in sich tragen. Somit seien sie «Mitautoren des Bildungssystems» und könnten sich auch gegenseitig unterrichten, die Erwachsenen brauche es lediglich noch als «Lernbegleiter». Geworben wird unter anderem damit, dass Kinder den Stoff von elf Jahren Mathematik in nur zehn Tagen erfassen können. Das «Laising» orientiert sich am Konzept des natürlichen Lernens aus der Schetinin-Pädagogik und wurde 2004 vom österreichischen Mental-Coach Dieter Graf-Neureiter entwickelt. Der Name geht auf das gotische «lais» – ich weiss – zurück. Die Lais-Pädagogik arbeitet wie Schetinin ebenfalls altersübergreifend, mit Lerngruppen und Schaubildern, verzichtet aber auf den militärischen Drill und wird oft im Rahmen von Homeschooling und privaten «Freilerngruppen» bemüht. Das Lais-Konzept ist besonders in der Anastasia-Bewegung und anderen staatskritischen, verschwörungsgläubigen und völkisch-esoterischen Kreisen beliebt, wo die Abkehr vom öffentlichen Schulsystem zum guten Ton gehört. Fachleute werfen der Lais- und der Schetinin-Pädagogik unter anderem fehlende Konzepte, Unwissenschaftlichkeit und die Vermittlung von esoterischen Weltbildern vor.
Prepper (vom englischen to prepare: sich vorbereiten) sind Personen, die sich auf verschiedene Arten von Katastrophen vorbereiten: Sie legen etwa Lebensmittel-, Medikamenten- und Edelmetallvorräte an, heben Bunker aus oder bauen bestehende unterirdische Anlagen entsprechend aus. Einige hüten ein ganzes Arsenal an Waffen und Munition. Es gibt ganz unterschiedliche Ausprägungsformen – vom einfachen Trinkwasservorrat im heimischen Keller bis zum hochgerüsteten Atombunker für den ganz grossen Ernstfall. Zudem trainieren sie oft ihre Überlebensfähigkeiten in der Natur, Erste Hilfe und körperliche Fitness. Verschwörungsmythen kombiniert mit der Furcht vor einem bald anstehenden, weltverändernden Grossereignis sind in der Szene weit verbreitet. Einige Exponent:innen und Gruppen weisen rechtsextremistische Tendenzen auf und hegen teils gewaltsame Umsturzfantasien. Das ist mutmasslich aber nur eine kleine Minderheit.
So nennt sich eine anonyme Gruppe aus den USA, die seit 2017 übers Internet Verschwörungsmythen verbreiten. Zentrales Element ist dabei die Erzählung über eine angebliche einflussreiche, weltweit agierende, satanistische Elite, die Kinder entführt, misshandelt, foltert und ermordet, um aus deren Blut einen verjüngenden Saft zu gewinnen. Das Narrativ knüpft an die 2016 erstmals öffentlich bekannt gewordene Pizzagate-Theorie. Demnach hätten hochrangige Politiker:innen der Demokratischen Partei, allen voran Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, einen Pädophilenring unterhalten und im Keller einer Pizzeria Kinder misshandelt. QAnon wird von den Behörden in den USA und in Deutschland als Gefahr für die repräsentative Demokratie eingestuft. Die Bewegung war an vorderster Front beim Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 beteiligt. Vor allem via die Telegram-App ist die QAnon-Ideologie in den letzten Jahren in der Schweiz eingesickert. Auf anderen Portalen werden entsprechende Posts und Gruppen in der Regel gesperrt. QAnon hat mittlerweile auch in der Ostschweiz zahlreiche Anhänger:innen, vornehmlich aus corona-skeptischen, staatsverweigernden und rechtsextremen Milieus.
In der Schweiz gibt es nur sehr wenige, die der Reichsbürger-Szene (→ KRD) zuzurechnen wären. Hierzulande ist eher von Selbstverwalter:innen oder Staatsverweigerern die Rede. (Saiten benutzt hier der Einfachheit halber und weil zum Beispiel die Kantonspolizei St.Gallen davon ausgeht, dass es sich mehrheitlich um Männer über 40 handelt, das generische Maskulinum.) Einige Staatsverweigerer in der Schweiz distanzieren sich explizit von den deutschen Reichsbürgern und berufen sich dabei auf die antimonarchistische Tradition der Schweiz. Das Gros ihrer Anhänger:innen hängt dem Verschwörungsmythos an, dass die Schweiz und all ihre öffentlichen Institutionen innerhalb der letzten 20 Jahre heimlich und illegal privatisiert worden seien. Weshalb die Verfassung aus ihrer Sicht keine Gültigkeit hat, sie also auch keine Steuern, Bussen oder andere Gelder an den Staat zu entrichten hätten. Wichtig ist ihnen oft auch die Unterscheidung Mensch vs. Person, wobei der Mensch ein über sich selbst souveränes Wesen, die Person, deren Name im Pass steht, aber nur eine von den Behörden über den Mensch gestülpte «Maske» ist, der man sich mit spezifischer Schreibweise zu entledigen versucht: aus der angeblich versklavten Person Fritzli Meier wird so der Mensch :fritzli :meier.
Der österreichische Verein WissenSchafftFreiheit bietet seit 2020 alternative Lernmethoden an und ist auch in Deutschland, der Schweiz und Italien aktiv. Geführt wird er vom selbsternannten Bildungsexperten und Zauberkünstler Ricardo Leppe (Präsident) und seinem Bruder Elias (Vize). Botschafterin für die Schweiz ist die «Geistheilerin» und «galaktische Lehrerin» Anita Gossow, die zur hiesigen Staatsverweigerer-Szene zählt. Die YouTube- und Telegram-Kanäle von WSF haben jeweils mehrere Zehntausend Mitglieder. Ziel ist es, ein alternatives Bildungssystem aufzubauen, das auf «Freilernen» und Homeschooling basiert. Die mediengewandten Leppes sehen sich als grosse Vernetzer dieser Szene. Sie und ihre Mitstrei- ter:innen propagieren ein esoterisches Weltbild und teilen Verschwörungsmythen, ausserdem lehnen sie evidenzbasierte Medizin ab und werben für die → Germanische Neue Medizin. Ricardo Leppe ist Anhänger der → Schetinin-Pädagogik und wirbt auch für die Anastasia-Bücher. Seine Lehren werden von Fachleuten als unwissenschaftlich kritisiert. Er behauptet zum Beispiel, dass eine bis zwei Unterrichtsstunden pro Tag ausreichen und dass die gängigen Unterrichtsinhalte überflüssig seien. Zu seinem Konzept gehört auch, dass sich Kinder Erlerntes untereinander weitergeben, unabhängig davon, ob dieses richtig oder falsch ist.
Jahrgangsstufen oder Klassensysteme existieren an → Schetinin- und artverwandten Schulen nicht, stattdessen wird «altersdurchmischt» und «natürlich» gelernt. Erfinder Michail Petrowitsch Schetinin behauptet, dass Kinder bereits das ganze Wissen in sich tragen, demnach brauche man auch keine Lehrer:innen, lediglich sogenannte Lernbegleiter:innen. Das wesentliche könnten sich die Kinder gegenseitig beibringen. So seien sie beispielsweise fähig, 11 Jahre Mathematik-Wissen in 10 Tagen zu lernen. Dieses Übertragen von Wissen von einem Menschen auf den anderen nennt er Wissensosmose. Unter anderem beruft sich auch der Lernort zum Eintauchen in Uznach auf die Wissensosmose: «Offenes und freies Lernen entsteht durch den Kontakt des bioenergetischen Feldes», heisst es in der Broschüre. «Wenn hier das Treffen gelingt, dann kann in 10 Tagen der Mathematikstoff der ganzen Mittelschule erfasst werden. Also auf 11 Jahre geteilte Mathematik, in 10 Tagen. Das liegt am offenen, freien Miteinander. Wenn die polaren Strukturen (Kräfte) sich berühren, dann wird Wissen weitergegeben.»