Gesucht: Göttis und Gottis

Die Eventhalle «Hektor» im St.Galler Güterbahnhofquartier hätte längst eröffnet werden sollen, doch das Projekt harzt. Nicht nur wegen Corona bleibt es im Moment «nicht mehr als eine wunderschöne Lagerhalle». Geschäftsleiterin Céline Fuchs über die Gründe dafür und die Zukunftsaussichten.
Von  Corinne Riedener
Bilder: co

Saiten: Die Hektor-Eröffnung wäre im November 2019 geplant gewesen, dann haben euch die Pandemie und mehrere Einsprachen lahmgelegt. Wie ist der Stand jetzt?

Céline Fuchs: Corona ist das kleinere Problem, die Einsprachen das grössere. Mit zwei Einsprechern haben wir uns mittlerweile gütlich geeinigt, aber es gibt noch eine weitere Einsprechergruppe, bestehend aus drei Parteien. Eine Baubewilligung der Stadt hätten wir zwar, aber die Gruppe hat Rekurs eingelegt. Im Moment sind uns darum die Hände gebunden.

Ihr habt zwei Baueingaben gemacht: eine abgespeckte Version für Events mit 300 Personen und eine Vollversion für Events mit 1800 Personen, bei der unter anderem ein Bühnenhausaufbau im hinteren Teil der Halle geplant wäre.

Ja. Wobei die 1800er-Version aus aktuellen Gründen weniger relevant ist. Wir wollen einfach endlich loslegen können, darum fokussieren wir uns auf das 300er-Konzept. In den nächsten Wochen geht der Rekurs in eine nächste Runde. Wir hoffen, dass sich der Kanton für eine Objektbegehung und eine Aussprache entscheidet. Und dass bei der Aussprache nicht nur ihr Anwalt erscheint, sondern auch die vier Privatpersonen.

Céline Fuchs hat Hektor zusammen mit Walter Boos erfunden.

Wer sind die Einsprecherinnen und wogegen wehren sie sich? Oder anders gefragt: Wovor haben sie Angst?

Auf der Südseite eine Anwohnerin sowie eine Erbgemeinschaft und auf der anderen Gleisseite, bei der Otmarkirche, ein älterer Herr. Sie sorgen sich vor allem um den Lärm und die Menschenmengen. Die Rede war auch schon vom «nächsten Platzspitz in St.Gallen» – was natürlich völlig absurd ist. Wir haben den Eindruck, dass diese Gruppe einfach Angst vor Neuem hat. Diesen Reflex kann ich durchaus verstehen, darum haben wir bereits im April 2019 alle Anwohnerinnen und die zwei Quartiervereine zu einem Apero eingeladen und unser Projekt vorgestellt.

«Menschenmengen» ist relativ. Ihr werdet ja sicher nicht jeden Abend 1800 Leute in die Halle bringen.

Nein! Das wäre auch völlig utopisch. Wir sind ja immer noch in St.Gallen. Wenn überhaupt, dann bringt man einmal pro Monat so eine grosse Kiste zustande. Oder mal ein Festival vor den Sommerferien. Ansonsten finden im Hektor Ausstellungen, Trainings, Seminare, Workshops, Firmenanlässe und so weiter statt. Wir sind eine Eventhalle, kein Konzertlokal und kein Club.

Die Einsprachen sind nun schon eine Weile auf dem Tisch, eine Einigung gab es noch nicht. Sind die Fronten so verhärtet?

Wir haben mehrmals den persönlichen Kontakt gesucht. Ziel war es, unser Projekt nochmals im Detail zu erklären und alle offenen Fragen zu beantworten, um den Anstösserinnen so die Ängste zu nehmen. Bis jetzt haben unsere Bemühungen noch nicht gefruchtet. Bei der Partei vis-à-vis, hinter den Gleisen, ist die Lage nochmals komplizierter, diese Person ist stadtbekannt und führt seit Jahren einen verbissenen Kampf gegen die Behörden. Wir haben den Eindruck, dass hier auf unserem Rücken ein Rachefeldzug gegen die Stadt geführt wird.

Wie stehen die Chancen, dass ihr euch noch findet?

Ich hoffe sehr, dass wir uns endlich alle einmal an einen Tisch sitzen können, wenn es demnächst vom Kanton eine Aussprache vor Ort gibt. Wenn sie uns als Personen hinter dem Projekt kennenlernen, sehen die Einsprecherinnen hoffentlich ein, dass wir keinen Club bis morgens um sechs wollen; dass wir auch Eltern sind, die irgendwann Feierabend wollen.

Ihr betont immer, dass ihr kein neues Kulturlokal werden, sondern die Volumen-Lücke zwischen Grabenhalle, Palace und Olmahallen füllen wollt. Was heisst das konkret?

Im Hektor hat es Platz für alles Mögliche. Ich bekomme jeden Tag Anfragen für Events: Seminare, Workshops, Firmen- oder Kundenanlässe, Galadinners, Ausstellungen, Foodfestivals, Fotoshootings, Filmdrehs, Poweryoga und so weiter. So kann auch eine Veranstaltung mit einem Dinner kombiniert werden – wir wollen Platz für Neues schaffen, eine Spielwiese für neue Ideen werden und dies für und mit der Region.

Könnt ihr aktuell irgendwas davon annehmen?

Nichts. Solange das Einspruchsverfahren läuft, sind wir nicht mehr als eine wunderschöne Lagerhalle. Das geht jetzt sein bald eineinhalb Jahren so. Und davor waren wir wegen Corona blockiert.

Was heisst das für die finanzielle Lage?

Die Wüste lebt, aber sie ist sehr, sehr trocken. Wir sind wahnsinnig am Kämpfen. Unsere Angestellten sind in Kurzarbeit, wir von der Geschäftsleitung zahlen uns seit Monaten fast keinen Lohn, obwohl wir jeden Tag arbeiten. Auch darum haben wir kürzlich den Verein Rollland gegründet. Wir organisieren pandemietaugliche Outdoor-Rollschuhanlässe in der ganzen Ostschweiz und mieten dafür die Rollschuhe, die Soundanlage, die Lichttechnik und den Rollboden vom Hektor. So kommt wenigstens ein bisschen Geld rein – sofern das Wetter mitspielt.

Neuerdings kann man auch eine Hektor-Pat:innenschaft übernehmen.

Diese Idee ist auch mehr oder weniger aus der Verzweiflung heraus entstanden. Wir konnten echt nicht mehr alleine kämpfen und dachten irgendwann: Warum wenden wir uns nicht an all die Leute da draussen, die das Potenzial der Halle für St.Gallen auch erkennen und uns unterstützen wollen? Also suchten wir Gottis und Göttis für einen oder mehrere Quadratmeter Hektor, die pro Monat 20 Franken pro Quadratmeter zahlen.

Hektor-Charity-Konzert am Roll.Gallen auf der Kreuzbleiche (sofern die Bewilligung erteilt wird):

17. September. Mit Femi Luna, The Oskars, Rapture Boy, Saint City Orchestra und vielen lokalen Musiker:innen im Publikum.

hektor.sg
rollland.ch

Wie ist die Resonanz?

Enorm! Das gibt uns ein wenig schnauf. Doch es braucht noch mehr Pat:innen. Uns erreichten auch viele Zuschriften von Leuten oder Firmen, die zwar kein Geld zahlen können, aber uns anderweitig helfen wollen. Eine Firma hat uns Mobiliar geschenkt, eine andere hat einen Sport-Chairity-Event organisiert, im Oktober macht ein Fotograf kostenlose Shootings im Hektor, wo man statt ihm eine Gage dem Hektor einen Quadratmeter spendet. Und: Eine Gruppe von St.Galler Musiker:innen hat sich zusammengetan für ein Outdoor-Charity-konzert!

Sichert das die Zukunft der Halle?

Es hilft uns zumindest ein wenig über die Trockenzeit hinweg. Wir kämpfen aktuell Monat für Monat. Noch besser wäre, wenn sich ein Investor oder eine Investorin finden würde, die – wie im Übrigen auch die Stadt und der Kanton – an das Projekt glaubt und das Risiko mit uns tragen will. Das wäre nebst unseren Aktionär:innen und den Pat:innen eine weitere, äusserst wertvolle Stütze.

Im Idealfall: Wann wird die Halle eröffnet?

Im Frühling 2022. Für den Anfang mit dem 300er-Konzept. Wenn wir das umsetzen können, können wir überleben mit den Anfragen, die kommen. Unser Alltag heute ist zu 99 Prozent Papierkram. Es schmerzt ungemein, die täglich eintreffenden Anfragen mit der aktuellen Situation erklären und auf unbestimmte Zeit vertrösten zu müssen. Ich freue mich auf die Zeit, wenn wir uns endlich wieder auf das eine Prozent konzentrieren können, das wir am liebsten machen: veranstalten, umsetzen, Leute zusammenbringen.