Für den Neubeginn
Das Geniale an der Gundelrebe ist, dass sie in ganz Europa an jeder Ecke wächst. Sie zeigt sich vor allem in den Monaten März bis Juni. Obwohl alle das lila Blümlein vom Sehen her kennen, wissen die wenigsten um seine inneren Werte. Um die Wirkung als Heilpflanze nämlich. Wie alle Frühlingspflanzen hat sie den Winter durchbrochen. Deshalb hat das unscheinbare, feine, kleine Pflänzchen eine erstaunliche Kraft.
Ich setze sie vor allem ein, um wieder ins Fliessen zu bringen, was stockt. Oft auch bei langjährigen, chronischen Zuständen. Die Gundelrebe regt den Stoffwechsel an. Sie entgiftet, nützt bei Atemwegerkrankungen oder begleitend bei Blasenentzündungen. Ausserdem hilft sie bei Hauterkrankungen und fördert die Wundheilung. Wenn in der Natur kein Pflaster zur Verfügung steht, tun es auch das frische, zerquetschte Kraut samt Blüten auf einer Wunde. Oft dient sie mir als Adjuvanz, als Begleitmittel und Verstärkerin bei einer Therapie mit anderen Heilpflanzen.
In der Therapie wende ich sie vor allem als Tinktur an, als Fertigarzneimittel. Wenn ich Zeit finde, sammle und verarbeite ich Heilpflanzen gerne für den Eigengebrauch.
Die Gundelrebe ist eine essbare Pflanze. Deshalb kann man sie auch so vielseitig einsetzen. Im Salat, im Risotto, zu Omeletten, im Quark gemischt mit Schnittlauch oder in der Suppe. Man findet sie auch in der traditionellen Gründonnerstagsuppe. Die Blüten haben einen süsslichen Geschmack. Im Rest der Pflanze schmeckt man eher die Bitterstoffe. Für Risotto eignet sich übrigens auch die Brennnessel hervorragend.
Die Gundelrebe ist eine Ruderalpflanze. Das heisst, dass sie den Boden reinigt. Deshalb sollte man sie dort sammeln, wo keine Müllhalde oder ein Hundeklo in der Nähe ist.
Wie der Frühling steht sie für die Erneuerung. Fürs Loslassen und den Neubeginn. Im Gegensatz beispielsweise zur Echinacea mit ihren spitzigen, stachligen Blüten, die das Immunsystem aggressiver aktiviert, ist die herz- oder nierenförmige Gundelrebe eine sanfte Heilpflanze.
Angela Keller, 1987, ist Naturheilpraktikerin in Rapperswil-Jona. Notiert von Frédéric Zwicker.
Dieser Beitrag erschien im Sommerheft von Saiten.