Food, Fun, Nothilfe
Die zweitätige Asyldebatte im Nationalrat ist vorbei. Es war die dumpfsten Debatte, über die ich bisher schreiben musste. Christoph Blocher, einst gegen das Stimmrecht für Schwarze in Südafrika, schlich wie ein koloniales Gespenst durch den Saal und sprach über Asylsuchende wie über Kinder. In den Voten von Martin Bäumle, Präsident der Grünliberalen, war blanker sozialer Hass spürbar: Für Nothilfe für alle und für Internierungslager, das ist die schöne neue Mitte.
«Die Nothilfe», sagte Bäumle, «ist eine Unterstützung auf hohem Niveau». Die Nothilfe beträgt, wenn sie überhaupt in Bargeld und nicht in Naturalien ausgerichtet wird, gerade einmal acht Franken am Tag. Zum Vergleich: Ein Nationalrat erhält pro Tag eine Verpflegungspauschale von 110 Franken. Hinzu kommt eine Übernachtungspauschale von 180 Franken. Am Abend nach der Debatte, in der vom eigenen Wohlstand keine Rede war, fand auf dem Thunersee eine Schiffahrt statt. Organisiert war sie von den SVP-Nationalräten Peter Spuhler und Bruno Zuppiger, das Motto lautete: «Food, Fun, Politics».
In der Schweiz wurden im letzten Jahr 40’000 Asylsuchende gezählt, darunter auch jene, die eine vorläufige Aufnahme erhalten haben: Das ist ein halbes Prozent der Bevölkerung. Der Nationalrat hat neben der Nothilfe weitere drastische Massnahmen gegen diese verschwindend kleine Gruppe erlassen. Das Botschaftsasyl wird abgeschafft, obwohl darauf viele Frauen angewiesen sind, das Familienasyl eingeschränkt, Desertion als Fluchtgrund aufgehoben.
Der Schriftsteller Lukas Bärfuss hat die Diskussion heute im Tages-Anzeiger als «Schande» bezeichnet. Bärfuss schreibt: «Während in Syrien, in Weissrussland, in Nordafrika die Bürger unter Einsatz ihres Lebens für ihre politische Freiheit kämpfen, kennen wir seit letzten Mittwoch die Antwort des reichsten Landes der Welt auf ihre Revolte: Internierungslager und Rationierung.»
Am übernächsten Samstag findet in Bern um 14.30 Uhr eine Demo gegen die menschenverachtende Asylpolitik statt: Der Zug in St.Gallen fährt um 11.48 Uhr ab. Komm auch!
P.S. Erfreulich wenigstens aus St.Galler Sicht: CVP-Nationalrätin Lucretia Meier-Schatz stimmte als eines von nur vier Mitgliedern ihrer Fraktion konsequent gegen die Verschärfungen. Die neue SP-Nationalrätin Barbara Gysi stellte immer wieder kritische Nachfragen zu den Folgen für Frauen und Kinder.