Fechten für die Kultur

Das Theater St.Gallen spielt «Cyrano de Bergerac». Eine alte Klamotte - aber mit aktueller Pointe, gerade in Kultur-Sparzeiten.

Von  Peter Surber

Man kann es altbacken finden: Da liebt einer mit einer viel zu grossen Nase eine Frau, getraut sich aber nicht, es ihr zu sagen aus Angst vor Ablehnung. Und schreibt stattdessen die tollsten Liebesbriefe – für seinen Liebes-Konkurrenten Christian, der zwar nicht dichten kann, dafür ein Schönling ist. Es ist die traurige Geschichte von Cyrano de Bergerac, vielfach verfilmt, zahllose Male inszeniert, ein Klassiker der Mantel- und Degen-Romantik, gut abgehangene hundert Jahre alt.

Man kann das aber auch aktuell finden: Da setzt sich einer mit der blossen Kraft des Worts (allerdings dazu noch mit Fechttechnik und Mut) durch gegen alle anderen: die Mächtigen, die Schönen, die Unverschämten. Schreibt an gegen Lüge, Kompromisse, Vorurteile, Dummheit – und schlägt mit seinen Reimereien alle in Bann, inklusive Publikum.

Am Theater St.Gallen hatte jetzt Edmond Rostands Verskomödie «Cyrano de Bergerac» Premiere. Die Inszenierung bietet beides, Altbackenes und Aktuelles. Kostüme und Fechtereien sind von gestern, allerhand Komödienklamauk auch. Die erste halbe Stunde ist verschenkt, aber dann bekommen die Figuren Profil. Allen voran Cyrano, den Schauspieldirektor Tim Kramer selbst, mit Witz und Tiefgang spielt – daneben Boglarka Horvath als kampflustige Roxane und Sven Gey, ihr junger wortkarger Liebhaber. Rundherum das fast vollständige Schauspielensemble, Statisten und Live-Musiker.

Regisseurin Elisabeth Gabriel, die zuletzt in St.Gallen das Grüninger-Stück in der Lokremise inszeniert hat, schafft mit zunehmender Dauer immer mehr Dichte und inspirierte Bilder: die wunderliche Traumszene von Bäckermeister Rageneau, der noch im Schlaf Rezepte reimt; die Schrecken des Kriegs oder Cyranos fantastische Monderzählung. Schliesslich die urkomische Dreierkiste im dritten Akt: Cyrano souffliert Christian seine Liebesschwüre – Roxane schmilzt dahin vor lauter Wort-Erotik.

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Am Ende bleibt das Ganze zwar Komödie. Aber man kann sie auch anders lesen: als flammendes Bekenntnis für die Künste, die Poesie zuvorderst. Sogar die vor Hunger revoltierenden Soldaten wickelt Cyrano mit Heimwehmusik und Reimen um den Finger.

Schön wärs, wenn sich so auch die hiesige Politik um den Finger wickeln liesse. Diesen Sommer hat der St.Galler Kantonsrat gespart, unter anderem an der Kultur (und beinah auch am Theater) – als nächstes folgt in Ausserrhoden ein «Entlastungsprogramm», und in der Stadt St.Gallen wird beim «Fit13plus»-Sparprogramm die Kultur auch nicht ungeschoren bleiben.

Mit Cyrano lässt sich blendend gegen den Kulturabbau argumentieren: Kunst, auf so hohem Niveau betrieben, schlägt alle anderen Waffen und selbst dem Tod ein Schnippchen. Aber weil nicht jeder und jede ein Naturtalent wie Cyrano ist – und auch nicht, wie der historische Cyrano des 17. Jahrhunderts, einen reichen Mäzen zur Hand hat -, braucht es öffentliche Kulturförderung.

Weitere Vorstellungen bis 20. März. www.theatersg.ch. Bilder: Tine Edel