FCSG: Umbruch dank Neuzugängen?
Bedenklich ist, dass der FC St.Gallen den bisher einzigen Rückrundensieg auswärts eingefahren hat. Die beiden Heimspiele – gegen durchaus schlagbare Gegner – starteten jeweils furios und vielversprechend, endeten aber umso frustrierender.
Zweimal ging St.Gallen in Führung, zweimal verspielte man diese. Beni Huggel, der ansonsten mit seinen Einschätzungen höchstens an der Oberfläche zu kratzen vermag, hatte letzten Sonntag für einmal Recht, als er feststellte, dass es den Espen an Erfahrung mangelte. Joe Zinnbauer schickte gegen die Tessiner die zweitjüngste grün-weisse Startelf in dieser Spielzeit auf den Platz.
Der Umbruch als Dauerzustand
Ein Indikator für Erfahrung ist, wenn mit Führungen behutsam umgegangen wird. Wenn möglich, nimmt man etwas Tempo aus dem Spiel. Gleichwohl sollen aber die immer grösser werdenden Räume entsprechend mit offensivem Leben gefüllt werden, um die Begegnung endgültig zu entscheiden.
Das St.Galler Publikum bewies mal wieder überdurchschnittlichen Sachverstand. Der Torjubel nach dem 2:0 durch Aleksic war geradezu verhalten. Man zögerte, zweifelte. Leider berechtigt.
Derweil greifen die Verantwortlichen konsequent in den Sportchef-Baukasten und predigen, dass man sich mitten im Umbruch befinde. Umbruch, klingt ein wenig wie Übergangssaison. Aber in St.Gallen ist das Wort verbraucht und gehört zurecht in den Giftschrank.
Ob Umbruch oder nicht, mit jeder Saison will man besser werden. Und damit das gelingt, braucht es gute Transfers. Insgesamt fünf Neuzugänge präsentierte FCSG-Sportchef Christian Stübi in diesem Winter und einen bereits für den Sommer.
Wir ziehen ein erstes Fazit:
Da wäre auf der Position des Linksverteidigers Florent Hanin, für den man die letzten verbliebenen Französischkenntnisse aus der Oberstufe hervorkramen muss.
Hanä fiel bisher nicht ab. Allerdings ist das in der derzeit schwächelnden St.Galler Abwehr kaum ein Lob. Er verantwortete ein Eigentor gegen Thun und verteidigte gegen Lugano, als die Ostschweizer zum zweiten Mal in dieser Saison drei Gegentore hinnehmen mussten. Offensiv sieht es ein wenig besser aus, wobei es hierbei nicht viel braucht, um den in die Romandie abgewanderten Vorgänger zu übertreffen.
Gespannt sein darf man auf Kofi Schulz, der im Sommer zum FC St.Gallen stossen wird. Der 26-jährige Deutsch-Ghanaer überzeugt gegenwärtig beim taumelnden FC Biel mit eindrücklicher Geschwindigkeit und Kraft. Er dürfte sich mit Hanin einen spannenden Konkurrenzkampf liefern.
Gianluca Gaudino ist ein Fussball-Intellektueller. Er ist keiner, der mit grossen Schritten den Ball treibt. Viel eher streift der 19-jährige Deutsche bedächtig durch das Mittelfeld. Seine Bewegungen sind kurz und schnell. Als wäre er auf der steten Suche nach der Lücke, nach diesem unerhört kleinen Zeitfenster, indem man einen spielentscheidenden Pass platzieren kann. Jeder zu grosse Schritt, jede Millisekunde kann einen solchen Geniestreich verhindern.
Dass derartige Attribute alleine längst nicht für die überragende Fussballkarriere reichen, weiss man nicht erst seit Jesus Mendez. Umso erfreulicher ist das hohe Laufpensum Gaudinos, gepaart mit einem bemerkenswert entschlossenen Zweikampfverhalten.
Gaudino ist ein Transfer, der St.Gallen sofort weiterhilft. Weil er das Spiel in seiner Gesamtheit betrachtet. Er kann Tempodrossler und -beschleuniger sein, ausgestattet mit dem Auge für die Situation. Zusammen mit Alain Wiss dürfte das ein zentrales Mittelfeld werden, das sehr viel Vergnügen bereitet.
Mario Leitgeb macht Sinn. Alain Wiss wird den Espen noch einige Zeit fehlen und Dejan Janjatovic forscht nach einer Shishabar im Fürstentum. Es galt also, den freien Platz im Kader sinnvoll zu besetzen. Leitgeb war sofort einsatzbereit und sein Vertrag ist fürs Erste bis Ende Saison befristet. Dass Aussenverteidiger Mario Mutsch noch immer den Vorzug erhält, weckt gewisse Zweifel, ob der 27-jährige Österreicher die Grauzone zwischen Mittelfeld und Abwehr als echte Alternative füllen kann. Wer sich im Umfeld seines ehemaligen Clubs Austria Wien umhört, ist nicht unbedingt positiver gestimmt.
Batuhan Karadeniz kam zwar noch nicht zum Einsatz, aber deckt den Bedarf an romantisch-dramatischen Träumereien. Die Vorstellung des von der strengen Hand Zinnbauers gezähmten Bad Boys, der sich in St.Gallen zum Toptorjäger entwickelt, gefällt. Der 24-jährige Türke bringt vieles mit – ausser Disziplin. Ein grosses Risiko ist der zweifache Internationale für den FCSG aber nicht. Sein Vertrag läuft im Sommer aus. Es liegt an ihm, sich zu beweisen und seine eigentlich erfrischende Kompromisslosigkeit von ausserhalb des Platzes auf den Platz zu bringen.
Vom 1. FC Köln kam der 19-jährige Stürmer Lucas Cueto. Er ist noch ohne Einsatz und eher Investition in die Zukunft denn sofortige Hilfe.
Hoffen auf die Wundertüten
Alles in allem erweist sich nur Königstransfer Gaudino als sofortige Qualitätssteigerung. Hanin ist solide. Bei ihm gilt es abzuwarten, ob daraus mehr wird. Leitgeb und insbesondere Karadeniz sind Wundertüten.
Wir hoffen auf Wunder. Und Europa. Fünfundvierzig Punkte sind schliesslich noch zu vergeben.