, 6. Februar 2018
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Falsches Stück

Die Milliardärspartei hat letzte Woche ein «Extrablatt» an alle Schweizer Haushalte verschickt. Es warnt vor der 10-Millionen-Schweiz und setzt auch sonst auf falsche Zahlen. In Sachen Theater St.Gallen lügt die Partei besonders dreist.

Bild: Hannes Thalmann

Man kann mit Argumenten politisieren. Oder, wenn man keine hat, mit falschen Zahlen und Behauptungen. Letzteres praktiziert das Ende letzte Woche in alle Briefkästen verteilte «Extrablatt». Es umfasst die üblichen fremdenfeindlichen Parolen sowie drei jeweils kantonal unterschiedliche Extraseiten. In St.Gallen sind sie dem Theaterkredit gewidmet.

Am Montag hat zudem auch das Nein-Komitee aus SVP und Jungfreisinnigen informiert und dagegen protestiert, dass das «zwangsfinanzierte» Theater von den Landregionen mitgetragen wird. Gemeinsinn und Solidarität tönen anders.

Hinzu kommt: Die Partei spielt falsch und gegen ihre eigenen Leute, und dies finanziell und inhaltlich. Die drei finanziellen Lügen im «Extrablatt» sind:

Falsche Stühle

«Nein zu 50 Millionen Franken für neue Überzüge auf alten Stühlen»: So heisst die Schlagzeile im Blatt. Teurer neuer Wein in alten Schläuchen? Die Erneuerung der Theaterbestuhlung kostet in Wahrheit nur etwa ein Hundertstel des Gesamtbetrags von in Wahrheit nicht 50, sondern 48,6 Millionen Franken. In der Vorlage ist sie ausgewiesen als Teil eines 7-Millionen-Betrags für diverse Betriebseinrichtungen, der daneben auch Akustikmassnahmen, Brandschutzanlage, Installationen für Lüftung und Kälte, Kücheneinrichtungen der Kantine, den Warenlift für die Kulissen und weitere Apparate umfasst.

Falsche Honorare

Sie betragen 7,35 Millionen Franken oder 18 Prozent der Anlagekosten – ein hoher Betrag, stellt die Regierung selber fest. Er resultiere daraus, dass für die «komplexe Bauaufgabe» zusätzlich Spezialisten wie Bühnen- und Brandschutzplaner, Akustiker, Gastroplaner und Schadstoffexperten nötig seien. Das kann man vermutlich diskutieren, aber die Millardärspartei, locker im Umgang mit grossen Zahlen, schlägt auf den Betrag noch knapp 3 Millionen drauf, von denen ein Teil unter «Vorbereitungsarbeiten» figuriert, aber bereits enthalten ist. Und fragt «Gaht’s no?». Falsche Zahlen – und, wie im «Tagblatt» kürzlich treffend glossiert, erst noch falscher Dialekt.

Falsche Subventionen

39,6 Millionen Franken beträgt der Aufwand des Theaters St.Gallen pro Spielzeit. 11,8 Millionen werden eingespielt, das sind ziemlich genau 30 Prozent, und diesen Eigenwirtschaftlichkeitsgrad verlangt auch die Leistungsvereinbarung mit dem Kanton. Er ist schweizweit Spitze.

Die Subventionen: 20 Millionen liefert der Kanton St.Gallen, darin inbegriffen sind rund 3,4 Millionen aus den umliegenden Kantonen TG, AR und AI gemäss Finanzausgleich. Die Stadt schliesslich trägt rund 8 Millionen bei. Das «Extrablatt» schlägt die rund 3,4 Millionen Franken der anderen Kantone dreist auf die 20 Millionen drauf, obwohl diese direkt an den Kanton gehen und damit abgezogen werden müssen. Und macht damit aus Minus Plus.

Verschwiegen wird auch, dass seit der Neuregelung der zentralörtlichen Leistungen 2011 die Nachbarkantone massiv mehr an das Theater zahlen – und den Kanton St.Gallen dadurch entlasten. Dass der Eigenfinanzierungsgrad des Theaters damit bloss 21 Prozent betrage, wie es im Blatt steht: gelogen.

Fazit zum ersten: Würden die Bauern um Toni Brunner in ihrem eigenen Stall so vorsätzlich falsch rechnen, dann bräuchten sie noch ein paar Subventionen mehr.

Ein einig Volk von Egoisten?

Inhaltlich spielt die Milliardärspartei ihren Klassiker aus der Mottenkiste «Das arme Volk – die reichen Eliten». Nach der Falschrechnung mit den Subventionen folgert das Blatt: «Der Büezer im Toggenburg oder Sarganserland finanziert jeden Theaterbesuch der deutschen Professorengattin mit über 140 Franken mit.» Und Brunner gibt noch eins drauf: Es gehe um ein «einzelnes Theater, das die Mehrheit der St.Galler Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nur vom Hörensagen kennt».

Fazit zum zweiten: So kommt es, wenn man von sich auf alle anderen schliesst. Und nur dort zahlen will, wo man selber profitiert. Bauernmentalität? Büezerdenken? Nein: Millionärsdenken und Egoistenmentalität. Lesenswertes dazu haben mit Blick auf No-Billag das Portal Infosperber sowie, im Magazin der «Süddeutschen Zeitung», Kolumnistin Caroline Emcke gesagt

Schlecht fürs Volk

Was das Theater St.Gallen betrifft: Es gibt einige Gründe für ein Ja. Handfeste und grundsätzliche. Ein Nein hingegen wäre schlecht ausgerechnet für die traditionelle Klientel der Milliardärspartei, nämlich fürs heimische (Bau-)Gewerbe, das vom Theaterumbau in erster Linie profitiert, mehr dazu hier.

Dass das Geld nicht für angebliche «Elitekultur», sondern für Beton, Fenster, Polsterei, Heizungstechnik und andere nützliche Dinge ausgegeben wird und nach dem Umbau in erster Linie den Backstage-«Büezern» am Theater zugute kommt, steht im lügnerischen «Extrablatt» nicht.

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