Erich-Fried-Preis für Elmiger

Dorothee Elmiger erhält den Erich-Fried-Preis 2015. Die in Appenzell aufgewachsene Autorin wird für ihre «hochpolitischen» Romane und deren «unerhörten Klang» geehrt.
Von  Peter Surber

Der 30jährigen gebürtigen Appenzellerin wird die mit 15000 Euro dotierte Auszeichnung am 11. Oktober im Rahmen der Erich-Fried-Tage im Literaturhaus Wien von Kulturminister Josef Ostermayer überreicht. Elmiger schrieb die Romane Einladung an die Waghalsigen (2010) und Schlafgänger (2014); während zweier Jahre erschien zudem monatlich in Saiten ihre Kolumne «Bureau Elmiger». Ihre 1.August-Rede «Land der Anwesenden» ist im Septemberheft nachgedruckt.

Hochpolitisch, ohne zu predigen

«Dorothee Elmiger gelingt es, die brennenden Zeitfragen in eine poetische Prosa umzusetzen, die einen in der literarischen Welt neuen, unerhörten Klang anschlägt», begründet der alleinverantwortliche Juror Reto Hänny seine Wahl. «Ihre Bücher sind hochpolitisch, aber sie predigen nicht, sondern eröffnen mit einem Sturm nie zuvor gesehener Bilder Räume und überschreiten Grenzen, ohne ihr Geheimnis zu verraten.» Mit ihrer «gewollt artifiziellen Sprache» lasse die Schriftstellerin «das vermeintlich Vertraute bis zur Kenntlichkeit geschärft fremd erscheinen», wobei sich ihre Bücher vor allem durch «den unverwechselbar eigenständigen Ton» auszeichnen. «Dorothee Elmigers Werke lassen sich nicht zusammenfassen. Man muss sie lesen.»

Die Autorin wuchs in Appenzell auf und studierte nach der Matura zunächst Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität Zürich, bevor sie ans Literaturinstitut in Biel wechselte und ein Gastsemester in Leipzig absolvierte. Danach nahm sie ihr Studium der Politikwissenschaft in Berlin und Luzern wieder auf. Für ihre Arbeit wurde Elmiger bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Aspekte-Literaturpreis (2010), dem Rauriser Literaturpreis (2011) und dem Schweizer Literaturpreis (2015).

Lob des Zweifels

Der Erich-Fried-Preis wird seit 1990 in Erinnerung an den 1921 geborenen und 1988 gestorbenen Lyriker und Übersetzer vergeben. Bisher wurden unter anderen Christoph Hein, Robert Schindel, Paul Nizon, Gert Jonke, Oskar Pastior, Robert Menasse, Marcel Beyer, Peter Waterhouse, Alois Hotschnig, Thomas Stangl, Rainer Merkel und zuletzt Judith Hermann ausgezeichnet. Die Erich-Fried-Tage in Wien (6.-11.10.) behandeln dieses Jahr unter dem Titel «Facts and Figures» die literarische Reportage.

Gute Gelegenheit, mal wieder Erich Fried zur Hand zu nehmen. Und zu beherzigen.

Zum Beispiel dies (aus Gegengift, 1974):

Angst und Zweifel

Zweifle nicht
an dem
der dir sagt
er hat Angst

Aber hab Angst
vor dem
der dir sagt
er kennt keinen Zweifel

 

Oder das (aus dem Band Die Freiheit, den Mund aufzumachen, 1972):

Befreiung von den grossen Vorbildern

Kein Geringerer
als Leonardo da Vinci
lehrt uns
«Wer immer nur Autoritäten zitiert
macht zwar von seinem Gedächtnis Gebrauch
doch nicht
von seinem Verstand.»

Prägt euch das endlich ein:
Mit Leonardo
los von den Autoritäten!