Einst Kantonalbank, bald Gerichtshaus

Das Gebäude an der Schützengasse 1 mit den «Kronen» im Dachbereich. (Visualisierung: pd) 

Das St.Galler Kreisgericht wird ins ehemalige Kantonalbankgebäude im Bahnhofsquartier umziehen. Die Jury lobt das Resultat des Architekturwettbewerbs in höchsten Tönen.

Das St.Gal­ler Kreis­ge­richt ist heu­te auf zwei Stand­or­te ver­teilt: Wäh­rend sich die Ge­richts­sä­le im Amts­haus an der Neu­gas­se be­fin­den, sind die Bü­ros über dem Mc­Do­nald’s am Bohl ein­ge­mie­tet. Die­ser Stand­ort war seit dem Be­zug 1996 als Über­gangs­lö­sung ge­dacht. Nun soll das Ge­richt sein ei­ge­nes Haus be­kom­men – im klas­si­zis­ti­schen Ge­bäu­de an der Ecke St.Le­on­hard­stras­se/Schüt­zen­gas­se. Die­ses wur­de 1886 von der Kan­to­nal­bank ge­baut und 1918 ent­lang der Schüt­zen­gas­se er­wei­tert. Es steht im ge­schütz­ten Orts­bild des Bahn­hof­quar­tiers, auch das Ge­bäu­de selbst ist schüt­zens­wert. Weil es aber im Lau­fe der Zeit mehr­fach und ziem­lich rück­sichts­los um­ge­baut wur­de, ist von der ori­gi­na­len Sub­stanz nicht mehr viel er­hal­ten. 

Der Kan­ton schreibt in den Wett­be­werbs­un­ter­la­gen zum Um­bau, dass «kei­ne nen­nens­wer­ten Spu­ren der ur­sprüng­li­chen Aus­stat­tung zu­rück­ge­blie­ben» sei­en. Grund­ris­se wur­den ir­repa­ra­bel ver­än­dert, De­cken ein­ge­zo­gen, Tre­sor­räu­me ein­ge­baut. Aus­ser­dem wird ein «be­dau­erns­wer­tes Bild der Trag­struk­tur und der in­ne­ren Ord­nung» fest­ge­stellt. Heu­te prä­sen­tie­re sich die Lie­gen­schaft des­halb mit zwei völ­lig un­ter­schied­li­chen Ge­sich­tern: Aus­sen weit­ge­hend ori­gi­nal, statt­lich, re­prä­sen­ta­tiv, in­nen aber sei das ur­sprüng­li­che Am­bi­en­te ver­lo­ren. 

Nur hin­zu­fü­gen, was fehlt

Um das Haus, in dem heu­te das Un­ter­su­chungs­amt St.Gal­len ist, für sei­nen neu­en Zweck als Ge­richts­ge­bäu­de mit Sä­len und Bü­ros für über 40 fest­an­ge­stell­te Mit­ar­bei­ten­de um­zu­bau­en, be­wil­lig­ten die Stimm­be­rech­tig­ten im Kan­ton im No­vem­ber 2023 15 Mil­lio­nen Fran­ken. Dar­auf­hin schrieb das Hoch­bau­amt ei­nen Ar­chi­tek­tur­wett­be­werb mit Prä­qua­li­fi­ka­ti­on aus und lud zwölf Bü­ros ein. Die Ge­win­ner, das Zür­cher Ar­chi­tek­tur­bü­ro Boss­hard Va­quer, wer­den von der Ju­ry in höchs­ten Tö­nen ge­lobt: Ih­nen sei «mit er­staun­li­cher Leich­tig­keit und Of­fen­heit» ein Pro­jekt ge­lun­gen. Der «stark kon­ta­mi­nier­te Be­stand» ha­be die Ar­chi­tek­ten nicht zu ei­ner «sti­lis­ti­schen Rein­heit» oder zur «ge­stal­te­ri­schen Ho­mo­ge­ni­sie­rung» an­ge­spornt, son­dern zu ei­nem col­la­ge­ar­ti­gen Zu­sam­men­füh­ren.

Boss­hard Va­quer selbst schrei­ben, sie woll­ten so viel wie mög­lich wei­ter­ver­wen­den und nur zu­fü­gen, was dem Haus feh­le. Im Ver­gleich mit an­de­ren ein­ge­reich­ten Pro­jek­ten sind laut der Ju­ry hier die Ein­grif­fe in den Be­stand am kleins­ten. Da­mit sind auch die Kos­ten ver­gleichs­wei­se güns­ti­ger.

Das Ge­bäu­de be­kommt Kro­nen 

Das Pro­jekt sieht die Ab­sen­kung des Ein­gangs auf das Stras­sen­ni­veau vor und plat­ziert im En­trée ei­ne ein­drück­li­che Wen­del­trep­pe zur Er­schlies­sung der Ge­richts­sä­le. Die­ser öf­fent­li­che Teil wird von den Bü­ros des Ge­richts ge­trennt. Da­mit sind die Si­cher­heits­an­for­de­run­gen er­füllt. 

Das Innere des Gebäudes mit der Wendeltreppe. 

Von aus­sen sicht­ba­re Än­de­run­gen wer­den die «be­schwing­ten Kro­nen» auf den Dä­chern sein, die in zwei un­ter­schied­li­chen For­men den bei­den his­to­ri­schen Bau­etap­pen auf­ge­setzt wer­den sol­len. Nur die für den An­nex­bau vor­ge­schla­ge­ne um­lau­fen­de Log­gia in Pa­go­den­form hat in der Ju­ry zu kon­tro­ver­sen Dis­kus­sio­nen ge­führt: Hier müs­se die fi­na­le Form noch ge­fun­den wer­den. Doch ins­ge­samt zeigt sich das Be­ur­tei­lungs­gre­mi­um «in ho­hem Mas­se be­ein­druckt».

 

Die Be­völ­ke­rung kann das Sie­ger­pro­jekt so­wie die elf Mit­be­wer­ber bis Mitt­woch, 9. April, auf der drit­ten Eta­ge der Haupt­post in St.Gal­len be­sich­ti­gen. Die Aus­stel­lung ist von Mon­tag bis Frei­tag, 16 bis 19 Uhr, so­wie sams­tags von 10 bis 13 Uhr ge­öff­net.

Die zwölf eingeladenen Architekturbüros

Un­ter den zwölf zum Wett­be­werb ein­ge­la­de­nen Bü­ros fin­den sich be­kann­te Na­men wie Be­arth + De­pla­zes, Bünz­li & Cour­voi­sier, Ca­ru­so St John, Co­rin­na Menn oder Jes­sen Vol­lenwei­der. Mit Gäh­ler Flüh­ler und Tho­mas K. Kel­ler be­tei­lig­ten sich auch zwei St.Gal­ler Bü­ros. Die Ge­win­ner, das Zür­cher Bü­ro Boss­hard Va­quer, baut zur­zeit in Rom und Bar­ce­lo­na, war in Zü­rich un­ter an­de­rem auch an ei­nem Ge­bäu­de der Eu­ro­pa­al­lee be­tei­ligt und konn­te die Auf­bah­rungs­hal­le des Fried­hofs Sihl­feld er­neu­ern.