, 4. Juni 2024
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Eine Woche, eine Halle, grosse Kunst

Eine leerstehende Lager- und Fertigunshalle in St.Fiden wird zur Spielwiese für grossformatige Kunst. Eingeladen hat der Kunstkiosk. Larisa Baumann hat die Gruppenausstellung «Link» besucht.

Wie sieht eine Schildkröte die Welt?: Ausschnitt aus dem Video BELLA (2012) von Othmar Eder. (Bilder: Larisa Baumann)

Verteilt über drei Stockwerke sind an der Oststrasse in St.Fiden Werke von 34 Künstler:innen erlebbar, auf einer Fläche von insgesamt 1600 Quadratmetern. Das übergeordnete Thema der vielseitigen Gruppenausstellung sind Verbindungen.

Solche haben auch zur Entstehung des Kunstprojekts mit dem Titel «Link» beigetragen: Organisiert wurde es von der ehrenamtlich arbeitenden Betriebsgruppe des Kunstkiosks St.Gallen, zurzeit bestehend aus Jared Bühler, Mona Cissé, Chiara Genova, Malena Pout und Alina Rehsteiner. Sie sind alle auch mit eigenen Werken in der Ausstellung präsent. In Zusammenarbeit mit dem Projekt Interim ist der Kunstkiosk zu den Räumlichkeiten in St.Fiden gelangt, die er für die Ausstellung kostenlos nutzen darf.

Früher wurden in diesen Industriehallen Temperiergeräte hergestellt.

«Link» befindet sich somit in bester Nachbarschaft: Gleich nebenan betreibt Projekt Interim als Zwischennutzung ein «Kunsthaus». Einige Häuserblocks weiter hat sich mit «Himmel Helvetia» die «eidgenössische* fachstelle der schönen künste» von Anita Zimmermann alias Leila Bock niedergelassen. Diese ist mit ihrem Werk chatter (2024) wiederum bei «Link» vertreten.

Grossformatig wie die Räume

Die aktuelle Gruppenausstellung des Kunstkiosks unterscheidet sich in mehrerlei Hinsicht von bisherigen Ausstellungen. «Link» ist die grösste Ausstellung, die der Verein je organisiert hat. Vertreten sind nicht nur Kunstschaffende aus St.Gallen, sondern aus der halben Schweiz. Und es sind nicht mehr vorwiegend jüngere und unbekanntere, sondern auch ältere und bekannte Kunstschaffende mit dabei.

Gruppenausstellung «Link»: bis 8. Juni (Finissage mit After Party 19:30 Uhr), jeweils abends ab 18 Uhr.

Hier das ganze Programm: kunstkiosk-sg.ch

Wie bisher arbeitet der Kunstkiosk aber mit einem vorgegebenen Thema, und es war ihm auch dieses Mal ein Anliegen, dass sich die Kunstschaffenden mit den Räumlichkeiten auseinandersetzen. Den grosszügigen Raumverhältnissen des Industriegebäudes angepasst, sollten die Arbeiten grossformatig sein. Darüber hinaus gab es keine Vorgaben, und entsprechend vielseitig gestaltet sich das Resultat: Die drei Stockwerke sind bespielt mit Gemälden, Zeichnungen, Fotografien, Installationen, Videos, Mixed Media und Performances.

Schnell wird ersichtlich, dass die Kunst auch Verbindungen im Raum schafft. Ganz konkret beispielsweise mit der Arbeit von Anna Sandgard. Einem Schnurtelefon gleich hängt die Installation im Treppenhaus und verbindet somit das Untergeschoss übers Erdgeschoss mit dem Obergeschoss.

Als Alternative zur Treppe dient der Warenlift. Üppig ausgestattet mit Stoffen, Teppichen und einem Sessel hat ihn Mara Verna zu einem Zimmer im Stil von Marie-Antoinette hergerichtet. Aus der alltäglichen Verbindung verschiedener Etagen wird so ein aussergewöhnliches Erlebnis. Die Beziehung zum Raum verstärkt sich zudem durch die Hängung von Werken über die Stockwerke hinweg oder indem Arbeiten in der Höhe oder am Boden installiert sind.

Der Warenlift, neugestaltet von Mara Verna.

Transparente Materialien und kreierte Durchgänge wie bei Leafhut (2024) von Jayn Erdmanski oder Going through a Blonde Phase (2024) von Alice Buenger lassen den Blick von einem Werk zum nächsten gleiten und die Räumlichkeiten als Verbund wahrnehmen.

Künstlerische Beziehungsarbeiten

So vielfältig die Fragen um das Thema Verbindungen ausfallen, so divers gestalten sich die Auseinandersetzungen. Ties Rinderknecht alias Tarna hat sich Gedanken gemacht zu freiwilligen und unfreiwilligen Verbindungen in alltäglichen Situationen. Text und Zeichnungen ergänzen sich bei ihm zu einem Werk.

Mehrere Arbeiten in «Link» beschäftigen sich auch mit zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Körper. Während sich Chiara Genova in ihrer Fotoserie KONNEX (2024) zum Beispiel für die Verschmelzung von zwei Körpern zu geometrischen Formen interessiert, beschäftig sich Louisa Graefen in verbindung zu meinem körper (2024) mit der Beziehung zu sich selbst und zur Natur.

Fotografie aus der Serie KONNEX (2024) von Chiara Genova

Einen Zugang zur Natur will auch Othmar Eder schaffen. In seinem Video BELLA (2012) führt seine gleichnamige Schildkröte Regie beziehungsweise hat der Künstler eine Mini-Kamera auf dem Panzer des Tieres befestigt und es anschliessend durch den Garten wandern lassen. Bedingt durch den Perspektivenwechsel ermöglicht uns der ungeschnittene Film einen anderen Blick auf die Natur und plädiert für mehr Achtsamkeit.

Während der Ausstellungstitel «Link» auch auf die digitale Vernetzung anspielt, ist vor Ort ganz klassisch eine geräumige Lounge eingerichtet. Genau das will der Kunstkiosk mit seinem Projekt ebenfalls bezwecken: «eine Umgebung des Zuhörens und Antwortens schaffen». Die Oststrasse 29 ist also auch ein Ort um zu verweilen, sich auszutauschen und neue Verbindungen zu knüpfen – hoffentlich über die Ausstellung hinaus.

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