Eine Nichtkennerin im Ballett
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Nach einem enttäuschenden «Black Swan» wird es Zeit ein richtiges Ballett zu sehen. In Bregenz.
Vom Bregenzer Festspielhaus habe ich schon mal gehört – vom Bregenzer Frühling nicht. Von Jean-Paul Gautier auch, vom unaussprechlichen Preljocaj-Ballett nicht. Aber Hauptsachedie Geschichte ist bekannt. Nicht, dass ich dann am Ende das Stück nicht schnalle. Schneewittchen kennt ja jeder.
Ich bin in Sorge aber schön angezogen. Die Tänzerinnen und Tänzer sollen jenseitig von Gautier eingekleidet sein – aber würde das über eineinhalb Stunden Ödnis hinweghelfen können? Um nicht augenblicklich als Nichtkennerin aufzufallen, halte ich meinen Rücken vornehm gerade, während ich leise zu meinem rotbestuhlten Platz in dem dunkel beholzten Festspielhaus durchdrängle. Wir sind affektierte fünf Minuten zu knapp dran.
Kaum sitzen wir, wird es dunkel – und erschreckend. Es reisst mich im Sessel nach vorn. Das hätte Black Swan nie hingekriegt! Ohrenbetäubender Lärm, als würden sämtliche eisernen Tore zu den Verliessen der Hölle geöffnet werden. Mein Herz hüpft. Der Vorhang geht auf. Noch vor der ersten Bewegung ists um mich geschehen – ich bin ein Ballettfan.
Nach fünf Minuten könnte ich das erste Mal weinen. Bei der vorletzten Szene tu ich.
Über Gustav Mahlers Musik ändere ich fortan meine Meinung, über elektronisch übersteuerte Klangerlebnisse auch. Black Swan ist vergessen. Zwar hätte Gautier dem Schneewittchen einen schöneren Hauch anhängen können und ein falscher Prinz wurde auch gewählt, aber was solls – es wurde getanzt und gequält und geliebt und wir litten mit. Und lächelten breit – aber nur weil uns lautes Lachen, trotz geraden Rücken, geoutet hätte.