Eine klassische Auszeit

Bernhard Ruchti am Klavier (Bild: pd/Andi Dietrich)

Was passiert, wenn man der Musik mehr Raum, Atem und Zeit gibt? Bernhard Ruchti liefert mit seinem «A Tempo»-Projekt Antworten. Und zeigt, wie entschleunigte Interpretationen Klassiker in neuem Glanz erstrahlen lassen. 

Die Zeit ist ein ent­schei­den­des Ele­ment in der Mu­sik – ein un­sicht­ba­rer Rah­men, der be­stimmt, wie wir Tö­ne und Me­lo­dien er­le­ben. Doch was, wenn die­ser Rah­men ver­scho­ben wird? 

Die­ser Ver­schie­bung geht der Pia­nist, Or­ga­nist, Kom­po­nist und Mu­sik­for­scher Bern­hard Ruch­ti in sei­nem Pro­jekt «A Tem­po» nach. An­statt sich der gän­gi­gen Pra­xis ho­her Tem­pi zu beu­gen, ent­schleu­nigt er die Wer­ke gros­ser Kom­po­nis­ten, um ih­ren ver­bor­ge­nen Reich­tum her­vor­zu­he­ben. Ak­tu­ell tourt Ruch­ti mit sei­nem Pro­jekt «A Tem­po» durch die Schweiz und macht am 26. Fe­bru­ar in der Ton­hal­le St.Gal­len Halt. 

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Der Pianist Bernhard Ruchti (Bild: pd/Andi Dietrich)

Bern­hard Ruch­ti wur­de 1974 in Ber­ke­ley (USA) ge­bo­ren und ist in der Schweiz auf­ge­wach­sen. Er stu­dier­te die Kon­zert­fä­cher Kla­vier und Or­gel an ver­schie­de­nen Hoch­schu­len in Zü­rich, Win­ter­thur und Stutt­gart. Seit 2013 ar­bei­tet er als Kir­chen­mu­si­ker und künst­le­ri­scher Lei­ter und ist un­ter an­de­rem ver­ant­wort­lich für ver­schie­de­ne Kon­zert­rei­hen in der Lau­ren­zen­kir­che St.Gal­len.

Drei Klas­si­ker, ei­ne Ei­gen­kom­po­si­ti­on

Der Abend in der Ton­hal­le be­ginnt mit zwei wich­ti­gen Wer­ken von Franz Liszt, dem Kla­vier­vir­tuo­sen aus dem 19. Jahr­hun­dert: Das at­mo­sphä­ri­sche Stück Saint Fran­çois de Pau­le mar­chant sur les flots und die Kla­vier­be­ar­bei­tung von Isol­dens Lie­bes­tod aus Ri­chard Wag­ners Oper Tris­tan und Isol­de. Im An­schluss spielt Ruch­ti ei­ne Ei­gen­kom­po­si­ti­on, die vier­sät­zi­ge Suite für Kla­vier. 

Im zwei­ten Akt greift Bern­hard Ruch­ti er­neut auf Liszt zu­rück, wenn er Lud­wig van Beet­ho­vens be­rühmt-be­rüch­tig­te Gros­se So­na­te für das Ham­mer­kla­vier in­sze­niert. Die­ses Werk galt bei sei­ner Ver­öf­fent­li­chung im Jahr 1819 als na­he­zu un­spiel­bar, denn die Er­fin­dung des Me­tro­noms er­laub­te es erst­mals, die Ge­schwin­dig­keit des Stücks ex­akt zu be­schrei­ben. Und ge­nau das tat Beet­ho­ven auch: Das Tem­po der So­na­te ist hoch und die tech­ni­schen An­for­de­run­gen sind enorm.

Liszt ver­lang­samt Beet­ho­ven

Es war der Pia­nist Franz Liszt der das Po­ten­zi­al ei­ner lang­sa­me­ren In­ter­pre­ta­ti­on er­kann­te. Als Ers­ter führ­te er die So­na­te im Mai 1836 in Pa­ris auf und in­klu­dier­te das Werk da­nach in sein Re­per­toire. Fast 50 Jah­re spä­ter schrieb Liszt, dass er für Beet­ho­vens Werk ei­ne Auf­füh­rungs­dau­er von «pres­que une heu­re» emp­fiehlt. Al­so um ei­ni­ges län­ger, als es Beet­ho­vens Me­tro­nom­zah­len na­he­leg­ten. Die­se Emp­feh­lung nimmt Bern­hard Ruch­ti nun er­neut auf und lässt Beet­ho­vens So­na­te at­men.  

Ge­schwin­dig­keit in der Mu­sik war be­reits zu Mo­zarts Zei­ten ein The­ma. Woll­te man da­mals oft mit ho­hen Tem­pi be­ein­dru­cken, wählt Ruch­ti heu­te be­wusst ei­nen an­de­ren Weg. Die Ent­schleu­ni­gung wird zum Schlüs­sel, um der Mu­sik ei­ne neue Di­men­si­on zu ver­lei­hen. «A Tem­po» ist mehr als nur ein mu­si­ka­li­sches Ex­pe­ri­ment, es ist auch ei­ne Bot­schaft an ei­ne Welt, die im­mer schnel­ler wird. 

 

«The A Tem­po Pro­ject»: Bern­hard Ruch­ti in­ter­pre­tiert klas­si­sche Mu­sik in neu­en Tem­pi, 26. Fe­bru­ar, 19.30 Uhr, Ton­hal­le St.Gal­len

bern­har­druch­ti.com