Eine Hymne für die Politik

Der Kantonsrat soll künftig jeweis zu Sessionsbeginn das St.Gallerlied singen. Das fordert eine Motion. Dabei gäbe es viel passendere Songs. Vorschläge sind erwünscht. Von Sina Bühler
Von  Gastbeitrag

Das St. Gallerlied muss zwar selbst von Einbürgerungswilligen nicht vorgesungen werden. Für Sandro Hess (CVP, Balgach), Jigme Shitsetsang (FDP, Wil) und Erwin Böhi (SVP, Wil) ist es aber «ein traditionelles und nicht mehr wegzudenkendes Lied, aber vor allem Kulturgut unseres Kantons.»

Als leuchtendes Vorbild in der Pflege solcher Kulturgüter stehe auch der Kantonsrat selber in der Pflicht, schreiben die Heimatpolitiker in ihrer soeben eingereichten Motion und verlangen, das Geschäftsreglement des Kantonsrat sei so abzuändern, dass zu Beginn der Session jeweils die erste Strophe des St. Gallerliedes gesungen werde – von «St. Galle isch mis Heimatland» bis «la la la la la (la) la la la la la la la la la la la la la la la la la (la) la la la jo s’lieb St. Gallerland».  Und zwar – nehmen die Motionäre etwaige böse Absichten von Gegnerinnen und Gegner vorweg –: «würdig gesungen».

Das St. Gallerlied, «die kleine, leichtfüssigere Schwester des Schweizerpsalms», schreibt der Kanton, wurde 1953 in einem Wettbewerb erkoren und sollte das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen in unserem zusammengewürfelten Kanton stärken. Der Appell an Einigkeit und Solidarität folgt allerdings erst in Strophe 4.

Eine grossartige Idee, befanden mehrere Kantonsrätinnen und -räte und reichten auf Facebook – vermutlich in sträflicher Unkenntnis von tatsächlichem Text und Noten – alternative Vorschläge für ein St. Gallerlied ein. Dass das erste «Klimawandel» von Manuel Stahlberger war, in welchem gefeiert wird, dass «endlich, endlich au s Rhiintal verschwunde» ist, rief sogleich den Balgacher Motionär Hess auf den Plan, der säuerlich kommentierte: «sonst setzt ihr euch für kultur ein!».

Es flossen weitere Ideen: «Rapperswil» von Baby Jail mit der Warnung, «d’St.Galler stönd scho z Rapperswil», und gleich folgte Jack Stoikers «Heimatlied», um die Zeile «I chumm halt us sangalle, i weiss nöd so recht wa sägä» Lügen zu strafen.

Kantonsrat Etrit Hasler (SP, St. Gallen) will nun das Anliegen wie immer nicht nur demokratisch, sondern auch kulturell und vor allem spektakulär lösen. Er singe jenen Alternativsong, der am meisten Stimmen erhalte, als Gegenvorschlag vor. Hoffentlich ebenfalls im würdigen Tempo des St. Gallerlieds: Freudig, nicht zu schnell.