Eine Frau an der Tanzspitze

Die Nachfolge von Tanzchef Marco Santi am Theater St.Gallen ist bereits geklärt: Die deutsche Tänzerin und Choreografin Beate Vollack übernimmt ab 2014. Stellen werden nicht abgebaut, aber der Stil dürfte sich ändern.

Von  Peter Surber

Das ging rasant: Erst im Februar hatten Marco Santi und das Theater die Trennung auf 2014 bekanntgegeben. Ohne Stellenausschreibung seien in der Folge internationale Bewerbungen eingetroffen, 30 bis 40, sagt Direktor Werner Signer. Für ihn ein Zeichen für den guten Ruf der Tanzsparte und der «attraktiven Spielorte» mit Theater, Lokremise und Kathedrale.

An einer Pressekonferenz im Theaterfoyer stellt sich die Nachfolgerin vor: Beate Vollack, Berlinerin mit glanzvoller Ballettkarriere, preisgekrönt als «ausdrucksstarke Interpretin komplexer Bühnenfiguren», Tanzpädagogin und seit rund zehn Jahren auch Choreografin. Bayerische Staatsoper, Wiener Staatsoper, Covent Garden, Opernhaus Zürich, Salzburger und Bregenzer Festspiele: An ersten Adressen hat sie den Tanzpart in Opern gestaltet und auch abendfüllende Ballette choreografiert. In St.Gallen konnte ihr das Tanzpublikum zuletzt bei «Medea in Corintho» 2009 begegnen.

Die Wahl hat zwei Seiten.

Einerseits: Kontinuität.

Das heisst vor allem: Die 14 Stellen der Tanzkompagnie bleiben erhalten – ausser bei der Spardebatte im Juni kämen aus der Pfalz gröbere Sparbefehle, sagt Werner Signer. Signale in diese Richtung  habe er aber keine.

Kontinuität, das heisst weiter: Beate Vollack kennt Marco Santi, sie trifft die St.Galler Kompagnie im Herbst zu einem Workshop und bringt vorerst kein eigenes Ensemble mit – personelle «Tabula rasa» sei kein Thema, wie dies oft bei Leitungswechseln passiert. Auch Opernchef Peter Heilker lobt ausdrücklich das heutige Ensemble.

Kontinuität, schliesslich, auch organisatorisch: Der Tanz soll spartenübergreifend eingesetzt werden, er bleibt formell dem Operndirektor unterstellt, was mit ein Grund für Santis Abgang war. Faktisch aber sei das keine Unterordnung, sondern gelebte Teamarbeit, sagt Signer.

Andrerseits: Richtungswahl.

Die neue Tanzleiterin hält zwar nicht viel von Stilschubladen und steht für ein breites Repertoire. Sie tanze «nicht auf Spitze und mit Tütü», sagt Heilker. Aber sie betont die Chancen der Zusammenarbeit mit dem Orchester, insbesondere für grosse klassische Handlungsballette – Werke dieses Genres wie «Schwanensee» oder «Giselle» begründeten denn auch ihren Ruhm als Tänzerin. Bei der Medienkonferenz spricht sie häufiger von «Ballett» als von «Tanz», will das aber nicht als Abgrenzung verstanden wissen.

Grosses Haus und Lokremise würden künftig stärker unterschieden, kündigt Opernchef Heilker an: Klassischeres im Stadtpark, Experimentelleres in der Lokremise. Dass die neue Chefin auch eine zeitgenössische Handschrift hat, beweisen unter anderem die Bregenzer Festspiele: Dort choreographierte sie 2007 für die Oper «Playing Away» ein getanztes Fussballspiel.

Vorerst hat noch Marco Santi das Wort. Am Freitagabend haben die «Lovesongs» in der Lokremise (ausverkaufte) Premiere, choreografiert von Mitgliedern seiner Kompagnie.