Im Mittelpunkt des Romans Die Spielerin von Isabelle Lehn steht A.. Die Protagonistin hat keinen vollständigen Namen, aber genau das passt zum Charakter der Figur. Denn A. ist vieles und vor allem eines – chronisch unterschätzt. An A. ist nichts Besonderes, sie ist der Durchschnitt in Person. Und genau das wird in Lehns Roman zur Superkraft der Protagonistin. Wobei A. alles andere als eine Heldin ist – eher eine Antiheldin oder Superschurkin.
Doch von Anfang an: Der Roman beginnt im Gerichtssaal. Hier schweigt A., möchte, «die Leerstelle bleiben», die sie immer war. Und so wird ihre Geschichte von anderen erzählt – von Menschen, denen A. begegnet ist, die sie betrogen, ausgenutzt oder getäuscht hat. Die verschiedenen Erzählstimmen entwerfen jeweils ihre eigene Version von A. Gemeinsam ist ihnen vor allem eines: Sie alle haben A. unterschätzt.

Isabelle Lehn: Die Spielerin, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2024.
Die unscheinbare Protagonistin A. stammt aus Westdeutschland und hat dort eine Ausbildung in einer Sparkasse gemacht. Später sucht sie das Abenteuer und zieht nach Zürich, wo sie als Investmentbankerin arbeitet. Hier tritt sie in eine Welt ein, in der es kaum Grenzen gibt und in der die Gesetze nur noch vage Orientierungshilfen sind. Schnell lernt A., nicht so genau hinzuschauen und lieber einmal weniger nachzufragen. Und dann bekommt A. eine neue Karrierechance: Sie wird Buchhalterin für die kalabrische Mafia. Unentdeckt führt sie ein Doppelleben zwischen Kleinbürgerinnentum und organisiertem Verbrechen – bis sie schliesslich vor Gericht landet.
So unglaublich die Geschichte auch klingen mag, ganz aus der Luft gegriffen ist sie nicht. Über die Website des Autors Sandor Mattioli stiess Lehn, gemäss einem Gespräch mit dem SRF, auf die Geschichte der Betrügerin Martina N., die 2009 in Florenz verhaftet wurde und Verbindungen zur Mafia hatte. Davon inspiriert, hat Lehn einen Roman geschaffen, dessen Protagonistin an Martina N. angelehnt ist: ein krimineller Underdog, eine Frau, die gerade das ist, was man ihr nicht zutraut – was eben nicht stereotyp weiblich ist.
Lesung mit Isabelle Lehn: 27. Februar, 19.30 Uhr, Literaturhaus Thurgau – Bodmanhaus.