Kein «durchschnittlicher» Roman

Die Autorin Isabelle Lehn (Bild: pd/Jasmin Zwick)

Gier, Geld und Macht: Isabelle Lehn liefert mit ihrem Roman Die Spielerin einen Finanzkrimi mit einer äusserst durchschnittlichen Protagonistin und liest daraus am 27. Februar im Literaturhaus Thurgau.

Im Mit­tel­punkt des Ro­mans Die Spie­le­rin von Isa­bel­le Lehn steht A.. Die Prot­ago­nis­tin hat kei­nen voll­stän­di­gen Na­men, aber ge­nau das passt zum Cha­rak­ter der Fi­gur. Denn A. ist vie­les und vor al­lem ei­nes – chro­nisch un­ter­schätzt. An A. ist nichts Be­son­de­res, sie ist der Durch­schnitt in Per­son. Und ge­nau das wird in Lehns Ro­man zur Su­per­kraft der Prot­ago­nis­tin. Wo­bei A. al­les an­de­re als ei­ne Hel­din ist – eher ei­ne An­ti­hel­din oder Su­per­schur­kin. 

Doch von An­fang an: Der Ro­man be­ginnt im Ge­richts­saal. Hier schweigt A., möch­te, «die Leer­stel­le blei­ben», die sie im­mer war. Und so wird ih­re Ge­schich­te von an­de­ren er­zählt – von Men­schen, de­nen A. be­geg­net ist, die sie be­tro­gen, aus­ge­nutzt oder ge­täuscht hat. Die ver­schie­de­nen Er­zähl­stim­men ent­wer­fen je­weils ih­re ei­ge­ne Ver­si­on von A. Ge­mein­sam ist ih­nen vor al­lem ei­nes: Sie al­le ha­ben A. un­ter­schätzt. 

Isabelle Lehn: Die Spielerin, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2024.

Die un­schein­ba­re Prot­ago­nis­tin A. stammt aus West­deutsch­land und hat dort ei­ne Aus­bil­dung in ei­ner Spar­kas­se ge­macht. Spä­ter sucht sie das Aben­teu­er und zieht nach Zü­rich, wo sie als In­vest­ment­ban­ke­rin ar­bei­tet. Hier tritt sie in ei­ne Welt ein, in der es kaum Gren­zen gibt und in der die Ge­set­ze nur noch va­ge Ori­en­tie­rungs­hil­fen sind. Schnell lernt A., nicht so ge­nau hin­zu­schau­en und lie­ber ein­mal we­ni­ger nach­zu­fra­gen. Und dann be­kommt A. ei­ne neue Kar­rie­re­chan­ce: Sie wird Buch­hal­te­rin für die ka­la­bri­sche Ma­fia. Un­ent­deckt führt sie ein Dop­pel­le­ben zwi­schen Klein­bür­ge­rin­nen­tum und or­ga­ni­sier­tem Ver­bre­chen – bis sie schliess­lich vor Ge­richt lan­det.

So un­glaub­lich die Ge­schich­te auch klin­gen mag, ganz aus der Luft ge­grif­fen ist sie nicht. Über die Web­site des Au­tors San­dor Mat­tio­li stiess Lehn, ge­mäss ei­nem Ge­spräch mit dem SRF, auf die Ge­schich­te der Be­trü­ge­rin Mar­ti­na N., die 2009 in Flo­renz ver­haf­tet wur­de und Ver­bin­dun­gen zur Ma­fia hat­te. Da­von in­spi­riert, hat Lehn ei­nen Ro­man ge­schaf­fen, des­sen Prot­ago­nis­tin an Mar­ti­na N. an­ge­lehnt ist: ein kri­mi­nel­ler Un­der­dog, ei­ne Frau, die ge­ra­de das ist, was man ihr nicht zu­traut – was eben nicht ste­reo­typ weib­lich ist. 

Le­sung mit Isa­bel­le Lehn: 27. Fe­bru­ar, 19.30 Uhr, Li­te­ra­tur­haus Thur­gau – Bod­man­haus.

li­te­ra­tur­hausthur­gau.ch

Mehr zur Autorin

Isa­bel­le Lehn (*1979 in Bonn) lebt in Leip­zig und schreibt Pro­sa. Sie pro­mo­vier­te in Rhe­to­rik und ver­öf­fent­lich­te un­ter an­de­rem die Ro­ma­ne Bin­de zwei Vö­gel zu­sam­men und Früh­lings­er­wa­chen. Für ih­re Ar­beit er­hielt sie ver­schie­de­ne Aus­zeich­nun­gen.