Ein paar Suren streichen

Zwei St.Galler SVP-Nationalratskandidaten wollen «gegen religösen Extremismus in der Schweiz» vorgehen und fordern allerlei Verbote und überwachungsstaatliche Massnahmen. Das ist unnötig bis kontraproduktiv.
Von  Corinne Riedener

Am 11. Februar, just am 35. Jahrestag der islamischen Revolution im Iran, präsentieren die St.Galler SVP-Politiker Mike Egger und Lukas Reimann ihr Massnahmenpaket «gegen religiösen Extremismus in der Schweiz». Es sei keine Wahlkampfveranstaltung, versichern die beiden Nationalratskandidaten an der Pressekonferenz im St.Galler Dufour. Die Attentate von Paris hätten «einmal mehr gezeigt, dass der religiöse Extremismus, allen voran die fundamentalistische Auslegung des Islams, eine akute Bedrohung geworden» sei. Die Schweiz könne ebenfalls zur «Zielscheibe der Extremisten» werden.

Bei diesen Extremisten handle es sich um etwa 2000 gewaltbereite Muslime, sagt Reimann und beruft sich dabei auf eine ETH-Studie und den Sicherheitspolitischen Bericht des Bundes. (Erstere sagt übrigens, dass die Schweizer Bevölkerung keine Angst vor radikalen Islamisten haben muss). Hinzu kämen weitere 40’000 «Salafisten, strenggläubige oder extrem konservative Muslime», die mit den «brandgefährlichen Dschihadisten» sympathisierten und sich über die schweizerischen Werte und Verfassungsgrundsätze hinwegsetzten.

Verbieten, zahlen, kontrollieren…

Eggers und Reimanns Katalog ist in sicherheits- und integrationspolitische Massnahmen unterteilt. So fordern sie unter anderem grössere nachrichtendienstliche Freiheiten, ein Kopftuchverbot an Schulen, eine Bewilligungspflicht für Moscheevereine, ein Verbot des Islamischen Zentralrats der Schweiz (IZRS) oder dass Dschihadreisenden die Schweizer Staatsbürgerschaft entzogen wird. Weiter sollen die Eltern fremdsprachiger Kinder selber für deren allfällige Deutschkurse aufkommen und – falls sie Sozialhilfebezüger sind – künftig über ein «Anreizsystem» beurteilt werden, sprich: Die Leistungen vom Integrationswillen abhängig machen.

Wie es um die parteiinterne Rückendeckung steht, ist noch offen. Derzeit sei der Massnahmenkatalog ein eigenes Projekt, sagen Egger und Reimann, allerdings rechnen sie mit Zustimmung seitens der bürgerlichen Parteien: «Früher wurden wir belächelt, heute sind solche Vorschläge mehrheitsfähig.» Weiter betonen sie, dass ihr Programm die «liberalen und offenen Muslime» nicht betreffe und sie auf deren Unterstützung hofften – was allerdings fraglich sein dürfte, solange sie eine öffentlich-rechtliche Anerkennung des Islams bekämpfen, aber gleichzeitig von ihnen die «Streichung gewisser Suren» fordern.

Es gibt bereits Rechtsmittel

Zweifelhaft ist nicht nur, ob derartige Massnahmen förderlich sind für das Zusammenleben in einem vielfältigen Land wie diesem, fraglich ist auch, ob diese überhaupt notwendig sind: In vielen Bereichen existieren bereits rechtliche Grundlagen, etwa das Söldnerverbot oder die Verweigerung des Asylrechts im Fall einer extremistischen Vergangenheit.

Es gebe keine wirksamen Massnahmen im Kampf gegen den Terrorismus, ohne gleichzeitig die individuellen Rechte einzuschränken oder das Funktionieren von Gesellschaft und Wirtschaft zu beeinträchtigen, heisst es übrigens auch im Bericht des Bundesrates über die Sicherheitspolitik der Schweiz von 2010. Deshalb seien sorgfältige Güterabwägungen erforderlich. Darüber sollten wir eingehender nachdenken – gerade jetzt, wo das BÜPF (Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs) revidiert werden soll, das auch auf mehr nachrichtendienstliche Überwachungs-Freiheiten abzielt.

Egger und Reiman distanzieren sich im übrigen von Pegida Schweiz. Hierzulande habe man direktdemokratische Mittel. Schon wahr: Unsere Pegida heisst SVP.

 

Mehr zum Thema Islam gibt es in unserem Februar-Heft.