Ein neues Ich in «Bau Pink»

Die Gruppenausstellung «App’n’cell now» in der Ziegelhütte Appenzell ist coronabedingt geschlossen. Die Saiten-Blockbox gibt Einblick in einzelne Arbeiten. Hier zwei Werke samt Kommentar von Felix Baudenbacher.
Von  Gastbeitrag

Die beiden Werke, Representations und Have You Been  A Good Boy? (2018), beschäftigen sich mit meiner Beziehung zu meiner Herkunft, mit Fragen nach Wurzeln und Heimat.

Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zu meiner Herkunft, und die Ostschweiz war in meiner Jugend eine Örtlichkeit, die ich hauptsächlich verlassen wollte. In der Retrospektive bezog sich diese Ablehnung primär wohl auf die familiäre Situation, übertragen auf die Lokalität.

Wie so viele vor mir, habe auch ich in den bald 25 Jahren, seit ich die (Ost)schweiz verliess, die Erfahrung gemacht, dass man seiner Herkunft nicht entkommen kann. Jegliche Neuerfindung von «Selbst» basiert letztlich trotzdem auf Werten und Denkweisen, die man sich in der Kindheit, Jugend und im frühen Erwachsenenalter aneignet. Man kann da «Persönlichkeiten» darüber legen, aber im Untergrund wirkt die Vergangenheit.

Representations (oben) und Have You Been A Good Boy (unten) symbolisieren genau das: ein neues, erfundenes Ich in Form einer selbst entwickelten und hergestellten Ölfarbe – Bau Pink – über dem leidigen alten Selbst, das aus dem Hintergrund heraus alles bestimmt – hier symbolisiert durch zwei Originaldokumente: Portraits des Künstlers aus dem Fotoautomaten in etwa zur Zeit, als er 1998 nach England auswanderte zum einen, zum anderen ein Schweizer Strafregisterauszug, benötigt 2004 zur Bewerbung um eine Greencard zwecks weiterer Flucht nach Los Angeles.

Felix Baudenbacher, geboren 1977, aufgewachsen in Heiden AR, lebt und arbeitet in London, Kunststudium in England, arbeitet hauptsächlich als Maler, seit 2017 ausschliesslich in «Bau Pink», einer selbst entworfenen und selbst hergestellten Künstlerölfarbe.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Rubrik Blackbox ist im März 2020 als Antwort auf die Corona-Krise entstanden, als der Kulturbetrieb stillgelegt worden ist. Für das Publikum ist das schade, für viele Kulturschaffende weit mehr: eine existentielle Bedrohung. Die Saiten-Blackbox macht drum eine Bühne auf für Bilder, Texte, Filmbeiträge, Songs, Debatten und anderes. Kein Streamen um jeden Preis, sondern Originale sind hier zu sehen und zu hören, kurz kommentiert, erklärt oder einfach so.