, 14. Oktober 2016
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Ein letzter Gruss dem Wasserwerk

Das Gebäude mit den Filterbecken des Stadtsankgaller Wasserwerks in Goldach wird wohl abgebrochen. Eine Sanierung will sich der Stadtrat nicht leisten. Aber vielleicht rettet die Denkmalpflege, was noch zu retten ist.

Bilder: Hans-Ruedi Beck

Schon im Frühling wollte der Stadtrat das sogenannte Maschinenhaus II mit den Filterbecken im Rietli-Areal in Goldach abbrechen. Die Anlage wird nicht mehr gebraucht, seit das neue Wasserwerk in Frasnacht bei Arbon in Betrieb ist. Im Rietli in Goldach stand einst nicht nur dieses Wasserwerk, sondern auch ein Gaswerk – alles Schnee von gestern.

Der schönste Teil des Wasserwerks wurde schon 2010, noch unter Stadtrat Fredy Brunner, abgebrochen. Es handelte sich um die 1912 erbaute, unterirdische Filteranalage, die in einem Gewölbe mit Pilzstützen untergebracht war – konstruiert vom bekannten Ingenieur Robert Maillart. Bis die Denkmalpflege realisierte, dass hier ein wichtiger Zeitzeuge zerstört wurde, war es bereits zu spät.

Denkmalpflege empfiehlt Umnutzung

Aus Schaden wird man klug, ein bisschen klüger wenigstens. Als diesen Frühling der Stadtrat den Abbruch des anfangs der 1950er-Jahre erbauten Filtergebäudes beantragte, veranlasste das Parlament einen Nothalt und verlangte ein Gutachten der Denkmalpflege. Dieses sagt klipp und klar: «Nach unserer Meinung ist das Schnellfilterwerk von 1949/50 schützenswert. Wir empfehlen, dieses aussergewöhnliche Bauwerk instand zu stellen und einer neuen Nutzung zuzuführen.»

Filterhalle_2

Die bereits abgebrochene Filterhalle von Robert Maillart, 1912

Es handle sich – so steht es im Gutachten – um einen raffinierten Entwurf der St.Galler Architekten Erwin von Ziegler und Hans Balmer. Dieses Büro hat in der Stadt St.Gallen auch die Creditanstalt am Marktplatz und die Kirche in den Lachen geplant, neben zahlreichen anderen Gebäuden in der Region. Als Ingenieure zeichnete das damalige Büro Scheitlin+Hotz verantwortlich, das Vorgängerbüro von Nänny+Partner.

Das Maschinenhaus befindet sich bis heute im Originalzustand. «Der gegen aussen in einem sachlichen, reduzierten Baustil gehaltene Zweckbau entpuppt sich im Inneren als überaus hochwertig materialisiert», stellt die Denkmalpflege fest.

Schon das Portal mit seinen Granitquadern ist beeindruckend. Die Bronzetüre ist mit Sternen verziert. Im Innern findet man eine Kassettendecke, kassettierte Holztüren und grossformatige Granitbodenplatten. Ins Herz der Anlage führt eine Aluminiumtüre, in die der Schriftzug «Schnellfilteranlage» eingeprägt ist. In der Filterhalle sind die Steuertische aus Marmor, drauf die halbmondförmigen, chromblitzenden Steuerhebel. Böden und Säulen sind mit venezianischen Glasmosaiken verkleidet. Über feine Aluminium-Lamellen an den Wänden kann die Belüftung der Filterhalle justiert werden.

«Unerschütterlicher Glaube an den Fortschritt»

Die Architektur des Gebäudes stehe, so die Denkmalpflege, «in der Tradition der ‹Kathedralen der Technik›. In ihrer Nobilitierung einer an sich profanen Aufgabe spiegelt sich nicht nur ein unerschütterlicher Glaube an den Fortschritt, sondern auch ein durch die Kriegsjahre hervorgerufener nationaler Stolz auf die Ressourcen der Schweiz.»

Die Denkmalpflege verweist auch auf die Geschichte des Areals seit 1895 und stellt fest: «Es ist ein absoluter Glücksfall, dass eines der architektonisch herausragendsten Gebäude (wenn nicht das herausragendste!) bis heute integral erhalten ist.» An vielen Orten sei es «unterdessen Tradition, dass neue Überbauungen auf ehemaligen Industriebrachen einen Teil ihrer Identität dank Schutzobjekten oder anderen Zeugen des Industriezeitalters erhalten und dadurch über ein Alleinstellungsmerkmal verfügen.»

1,5 Millionen für die Sicherung des Maschinenhauses

Trotz all dieser Argumente und nach einer Besichtigung vor Ort will der Stadtrat das Gebäude abbrechen. Die Nutzungsmöglichkeiten seien stark eingeschränkt. Die Standortgemeinde Goldach habe kein Interesse an einer Erhaltung, und allein die Sicherung des Maschinenhauses – im Keller tritt immer wieder Wasser ein – koste 1,5 Millionen. Insgesamt drei Objekte sollen im Rietli weggeräumt werden: ein Maschinenhaus, die Gasreglerstation und dieses Schnellfiltergebäude. Die Abbrüche sollen zusammen 1,75 Millionen kosten.

Weil sich das Parlament am 2. November mit grosser Wahrscheinlichkeit auch für den Abbruch entscheiden wird, bleibt nur zu hoffen, dass die Denkmalpflege nochmals rechtzeitig vor Ort auftaucht und aus dem Gebäude rettet, was zu retten wert ist. Zum Beispiel die chromblitzenden Regler. Dazu vielleicht ein paar schöne Türen und Beschläge.

Und wenn die Denkmalpflege selber nirgendwo ein Plätzchen findet, um diese Teile aufzubewahren, hier ein Tipp: Die Thurgauer Kollegen betreiben in Schönenberg an der Thur ein riesiges Denkmallager. Ein Telefon genügt, und die Nachbarn kommen und nehmen die schönsten Teile mit und verkaufen sie weiter, wenn es denn ein geeignetes Objekt dafür gibt.

1 Kommentar zu Ein letzter Gruss dem Wasserwerk

  • Hansueli Stettler sagt:

    Das bekannte Muster kehrt wieder: die anerkannt grosse Phantasielosigkeit der St. Galler Behörden. Es könnte – jesses! uns ja etwas kosten, die Gebäude zu erhalten, eventuell sogar mehr als ein simpler Abriss-Antrag ans Parlament…
    Dass man z.B. einen günstigen, mindestens aber 50-jährigen Baurechtsvertrag mit künftigen Nutzern ausschreiben könnte, kommt wieder niemandem in den Sinn.
    50 Jahre müssten es aber schon sein, damit die Leute, die sich heute weigern, die Qualität der Gebäude zu erkennen, nicht mehr am Leben sind, wenn der nächste Entscheid zur Schutzwürdigkeit ansteht…

    Wetten, dass sich so ein ganz valabler Kreis von Interessenten einfindet, der den Stadtwerken diese Last gerne abnimmt?

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