Ein Leben voller Kunst

Der Künstler Hans Schweizer im Jahr 2023 im Zeughaus Teufen. (Bild: pd/Museum für Lebensgeschichte)

Das Museum für Lebensgeschichten im Speicher zeigt ab dem 16. März eine Retrospektive sowie neue Werke von Hans Schweizer und gewährt einen Einblick in das Leben und Schaffen des Künstlers. 

In der Se­nio­ren­re­si­denz Hof Spei­cher im Ap­pen­zel­ler­land be­fin­det sich das 2006 er­öff­ne­te Mu­se­um für Le­bens­ge­schich­ten. Hier wird in re­gel­mäs­si­gen Ab­stän­den das Le­ben ei­ner zeit­ge­nös­si­schen oder his­to­ri­schen Per­son auf­ge­ar­bei­tet und in Aus­stel­lun­gen oder Vor­trä­gen ei­nem in­ter­es­sier­ten Pu­bli­kum ver­mit­telt. Die­se Ein­bli­cke wür­di­gen nicht nur ver­schie­de­ne Bio­gra­fien, son­dern die­nen auch als Zeug­nis des je­wei­li­gen his­to­ri­schen Kon­tex­tes. 

Die­ses Jahr wid­met das Mu­se­um dem Ost­schwei­zer Künst­ler Hans Schwei­zer ei­ne um­fas­sen­de Ein­zel­aus­stel­lung. Von sei­nen frü­hen Ra­die­run­gen bis hin zu ak­tu­el­len Lin­ol­druck-Por­träts: Die Aus­stel­lung gibt ei­nen Ein­blick in das Le­ben und Schaf­fen des Künst­lers, der von der Ost­schweiz aus die Welt er­kun­de­te und sei­ner Hei­mat stets ver­bun­den blieb.

Von der Ost­schweiz in die Welt

Hans Schwei­zer (1942*) ver­brach­te sei­ne Kind­heit im Tog­gen­burg und schon früh zeig­te sich sei­ne krea­ti­ve Be­ga­bung. Das Mu­se­um be­schreibt ihn als ei­nen «et­was ver­träum­ten und ge­le­gent­lich auch wi­der­spens­ti­gen Schü­ler, der zwar gu­te Auf­sät­ze schrieb und zeich­nen konn­te, aber in al­len üb­ri­gen Fä­chern mi­se­ra­ble Leis­tun­gen er­brach­te».

Schwei­zer ab­sol­vier­te ei­ne Leh­re als Schau­fens­ter­de­ko­ra­teur in St.Gal­len und lern­te so Kunst­schaf­fen­de wie Ché­rif und Sil­vie De­fraoui ken­nen. Nach der Leh­re ar­bei­te­te er als frei­schaf­fen­der Künst­ler und ent­wi­ckel­te sei­ne ge­stal­te­ri­schen Fer­tig­kei­ten wei­ter. Doch schon in jun­gen Jah­ren hielt es Schwei­zer nie lan­ge an ei­nem Ort. Mit 20 Jah­ren zog es ihn nach Pa­ris, wo er sich un­ter der An­lei­tung von John­ny Fried­laen­der in­ten­siv mit der Ra­die­rung aus­ein­an­der­setz­te. 

Dank die­ses Men­tors konn­te er sich schliess­lich an der re­nom­mier­ten Éco­le des Beaux-Arts bei Pro­fes­sor Lu­ci­en Cou­taud vor­stel­len und wur­de prompt auf­ge­nom­men. Schnell in­te­grier­te sich Schwei­zer in die Pa­ri­ser Kunst­sze­ne und pro­fi­tier­te vom krea­ti­ven Aus­tausch mit Kom­mi­li­ton:in­nen. In Pa­ris fand er dann auch die Lie­be: 1968 hei­ra­te­te er die Fran­zö­sin Char­let­te Du­rand und grün­de­te mit ihr ei­ne Fa­mi­lie. 

Die Radierung zweier Turnschuhe von Hans Schweizer. (Bild: pd/Museum für Lebensgeschichte)

Kurz dar­auf zog das Paar zu­rück in die Schweiz, wo sein Schaf­fen im­mer mehr Be­kannt­heit er­lang­te. Und als der HSG-Pro­fes­sor Edu­ard Nä­ge­li 1969 die Ra­die­rung zwei­er Turn­schu­he in ei­ne Map­pe mit in­ter­na­tio­na­len Künst­ler:in­nen auf­nahm, war Schwei­zer end­gül­tig der Durch­bruch ge­lun­gen. Bald wa­ren sei­ne Ar­bei­ten in re­nom­mier­ten Häu­sern ge­fragt und mit der Un­ter­stüt­zung sei­nes Pro­fes­sors er­hielt er 1971 ein Sti­pen­di­um für das Ca­na­da Coun­cil for the Arts. Er­neut brach Schwei­zer auf und zog mit sei­ner Fa­mi­lie nach Über­see.

Zu­rück in die Hei­mat

Ob­wohl er in Ka­na­da sei­ne Ar­bei­ten in ver­schie­de­nen Ga­le­rien zei­gen konn­te, blieb der gros­se Er­folg aus. Und nach zwei Jah­ren brach Fa­mi­lie Schwei­zer ih­re Zel­te in Ka­na­da ab und zog nach West­ber­lin. Hier ver­ar­bei­te­te er sei­ne Zeit in Ka­na­da in gros­sen Acryl­ge­mäl­den – doch auch West­ber­lin hielt den Künst­ler nicht lan­ge. 

Im Jahr 1975 zog es den Künst­ler mit sei­ner Fa­mi­lie zu­rück in die Schweiz nach Teu­fen ins Ap­pen­zel­ler­land. Und was in Ka­na­da nicht ge­lang, soll­te hier ge­lin­gen: Schwei­zer eta­blier­te sich in der Ost­schwei­zer Kunst­sze­ne und sei­ne Ar­bei­ten wur­den an ver­schie­de­nen Bi­en­na­len ge­zeigt. Im­mer mehr ar­bei­te­te er mit Öl­far­ben und Gou­ache und rich­te­te sei­nen be­son­de­ren Blick auf die hei­mi­sche Land­schaft und Tier­welt. 

Doch bald wur­de es ihm zu eng im klei­nen Teu­fen. Oh­ne sei­ne Fa­mi­lie ging Schwei­zer nach Zü­rich und be­zog ein Ate­lier in der ro­ten Fa­brik, wo sich laut dem Mu­se­um «Frei­geis­ter und Re­vo­luz­zer tum­mel­ten». Erst nach zehn Jah­ren kehr­te er in die Ost­schweiz zu­rück. Sei­ne Be­zie­hung zu Du­rand hat­te die­se Zeit je­doch nicht über­stan­den.

Und so liess sich Schwei­zer in ei­ner al­ten Fa­brik am Rot­bach im Ap­pen­zel­ler­land nie­der. Bald fand er in der Künst­le­rin Bir­git Wid­mer ei­ne neue Part­ne­rin und Mu­se. Be­geis­tert von Wid­mers skulp­tu­ra­ler Ar­beit, ver­such­te sich auch Schwei­zer in die­ser Tech­nik. Ob­wohl sei­ne gross­for­ma­ti­gen Holz­skulp­tu­ren «beim Pu­bli­kum be­liebt» wa­ren, zeig­ten «an­spruchs­vol­le Samm­ler nur we­nig Be­geis­te­rung». Viel­leicht kehr­te Schwei­zer auch des­halb rasch zur Ma­le­rei und zum Zeich­nen zu­rück.

Noch im­mer vol­ler Ta­ten­drang

Das Werk von Hans Schwei­zer ist kein blos­ses Ab­bild, son­dern im­mer ei­ne In­ter­pre­ta­ti­on der Welt – mal mit ei­nem Au­gen­zwin­kern, mal mit me­lan­cho­li­scher Tie­fe, aber stets mit tech­ni­scher Prä­zi­si­on. Heu­te fin­den sich sei­ne Wer­ke in ver­schie­de­nen Mu­se­en und pri­va­ten Samm­lun­gen. 

Ob gross­for­ma­ti­ge Acryl­bil­der, fein ge­zeich­ne­te Ra­die­run­gen oder spä­ter gar Skulp­tu­ren – Schwei­zer wech­sel­te sou­ve­rän zwi­schen den Tech­ni­ken. Sei­ne Lauf­bahn ist ge­prägt von Neu­gier, Ex­pe­ri­men­tier­freu­de und dem Drang, Neu­es aus­zu­pro­bie­ren. 

Und auch mit über 80 Jah­ren ist Hans Schwei­zer noch im­mer ak­tiv und ei­ne prä­gen­de Fi­gur der Ost­schwei­zer Kunst­sze­ne. Erst im De­zem­ber 2024 ge­stal­te­te er die Spei­se­kar­te des Baratel­la in St.Gal­len. 

 

«Hans Schwei­zer – Ein­blick in Werk und Per­sön­lich­keit»: 16. März bis 30. No­vem­ber, Mu­se­um für Le­bens­ge­schich­ten, Spei­cher

mu­se­umfuer­le­bens­ge­schich­ten.ch

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