In der Seniorenresidenz Hof Speicher im Appenzellerland befindet sich das 2006 eröffnete Museum für Lebensgeschichten. Hier wird in regelmässigen Abständen das Leben einer zeitgenössischen oder historischen Person aufgearbeitet und in Ausstellungen oder Vorträgen einem interessierten Publikum vermittelt. Diese Einblicke würdigen nicht nur verschiedene Biografien, sondern dienen auch als Zeugnis des jeweiligen historischen Kontextes.
Dieses Jahr widmet das Museum dem Ostschweizer Künstler Hans Schweizer eine umfassende Einzelausstellung. Von seinen frühen Radierungen bis hin zu aktuellen Linoldruck-Porträts: Die Ausstellung gibt einen Einblick in das Leben und Schaffen des Künstlers, der von der Ostschweiz aus die Welt erkundete und seiner Heimat stets verbunden blieb.
Von der Ostschweiz in die Welt
Hans Schweizer (1942*) verbrachte seine Kindheit im Toggenburg und schon früh zeigte sich seine kreative Begabung. Das Museum beschreibt ihn als einen «etwas verträumten und gelegentlich auch widerspenstigen Schüler, der zwar gute Aufsätze schrieb und zeichnen konnte, aber in allen übrigen Fächern miserable Leistungen erbrachte».
Schweizer absolvierte eine Lehre als Schaufensterdekorateur in St.Gallen und lernte so Kunstschaffende wie Chérif und Silvie Defraoui kennen. Nach der Lehre arbeitete er als freischaffender Künstler und entwickelte seine gestalterischen Fertigkeiten weiter. Doch schon in jungen Jahren hielt es Schweizer nie lange an einem Ort. Mit 20 Jahren zog es ihn nach Paris, wo er sich unter der Anleitung von Johnny Friedlaender intensiv mit der Radierung auseinandersetzte.
Dank dieses Mentors konnte er sich schliesslich an der renommierten École des Beaux-Arts bei Professor Lucien Coutaud vorstellen und wurde prompt aufgenommen. Schnell integrierte sich Schweizer in die Pariser Kunstszene und profitierte vom kreativen Austausch mit Kommiliton:innen. In Paris fand er dann auch die Liebe: 1968 heiratete er die Französin Charlette Durand und gründete mit ihr eine Familie.

Die Radierung zweier Turnschuhe von Hans Schweizer. (Bild: pd/Museum für Lebensgeschichte)
Kurz darauf zog das Paar zurück in die Schweiz, wo sein Schaffen immer mehr Bekanntheit erlangte. Und als der HSG-Professor Eduard Nägeli 1969 die Radierung zweier Turnschuhe in eine Mappe mit internationalen Künstler:innen aufnahm, war Schweizer endgültig der Durchbruch gelungen. Bald waren seine Arbeiten in renommierten Häusern gefragt und mit der Unterstützung seines Professors erhielt er 1971 ein Stipendium für das Canada Council for the Arts. Erneut brach Schweizer auf und zog mit seiner Familie nach Übersee.
Zurück in die Heimat
Obwohl er in Kanada seine Arbeiten in verschiedenen Galerien zeigen konnte, blieb der grosse Erfolg aus. Und nach zwei Jahren brach Familie Schweizer ihre Zelte in Kanada ab und zog nach Westberlin. Hier verarbeitete er seine Zeit in Kanada in grossen Acrylgemälden – doch auch Westberlin hielt den Künstler nicht lange.
Im Jahr 1975 zog es den Künstler mit seiner Familie zurück in die Schweiz nach Teufen ins Appenzellerland. Und was in Kanada nicht gelang, sollte hier gelingen: Schweizer etablierte sich in der Ostschweizer Kunstszene und seine Arbeiten wurden an verschiedenen Biennalen gezeigt. Immer mehr arbeitete er mit Ölfarben und Gouache und richtete seinen besonderen Blick auf die heimische Landschaft und Tierwelt.
Doch bald wurde es ihm zu eng im kleinen Teufen. Ohne seine Familie ging Schweizer nach Zürich und bezog ein Atelier in der roten Fabrik, wo sich laut dem Museum «Freigeister und Revoluzzer tummelten». Erst nach zehn Jahren kehrte er in die Ostschweiz zurück. Seine Beziehung zu Durand hatte diese Zeit jedoch nicht überstanden.
Und so liess sich Schweizer in einer alten Fabrik am Rotbach im Appenzellerland nieder. Bald fand er in der Künstlerin Birgit Widmer eine neue Partnerin und Muse. Begeistert von Widmers skulpturaler Arbeit, versuchte sich auch Schweizer in dieser Technik. Obwohl seine grossformatigen Holzskulpturen «beim Publikum beliebt» waren, zeigten «anspruchsvolle Sammler nur wenig Begeisterung». Vielleicht kehrte Schweizer auch deshalb rasch zur Malerei und zum Zeichnen zurück.
Noch immer voller Tatendrang
Das Werk von Hans Schweizer ist kein blosses Abbild, sondern immer eine Interpretation der Welt – mal mit einem Augenzwinkern, mal mit melancholischer Tiefe, aber stets mit technischer Präzision. Heute finden sich seine Werke in verschiedenen Museen und privaten Sammlungen.
Ob grossformatige Acrylbilder, fein gezeichnete Radierungen oder später gar Skulpturen – Schweizer wechselte souverän zwischen den Techniken. Seine Laufbahn ist geprägt von Neugier, Experimentierfreude und dem Drang, Neues auszuprobieren.
Und auch mit über 80 Jahren ist Hans Schweizer noch immer aktiv und eine prägende Figur der Ostschweizer Kunstszene. Erst im Dezember 2024 gestaltete er die Speisekarte des Baratella in St.Gallen.
«Hans Schweizer – Einblick in Werk und Persönlichkeit»: 16. März bis 30. November, Museum für Lebensgeschichten, Speicher