Ein Ja gegen die neoliberale Weltanschauung
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Um die Grossen nicht zu unterstützen, kauft sie nicht einmal in der Migros oder im Coop ein. Trotzdem ist Franziska Troesch-Schnyder, Präsidentin des Konsumentenforums Bern, gegen die Buchpreisbindung und damit allein auf weiter Flur an der Podiumsdiskussion «Buchbranche in Gefahr» am 15. Februar in der Hauptpost in St.Gallen.
Leonie Schwendimann (Buchhandlung zur Rose) hat zusammen mit Carol Forster (Bücherladen Appenzell) zum Gespräch über die Buchpreisbindung eingeladen (beide sind für die Buchpreisbindung). Auf den weissen Stühlen, in dem weissen Raum mit den schwarz bekritzelten Wänden, lassen sich einige Dutzend Leute nieder. Es sind engagierte Leute mit dezidierten Meinungen, wie sich bald herausstellt.
Der Journalist Hanspeter Spörri (für die Buchpreisbindung) moderiert den diskussionsreichen Abend und spricht das Problem des Themas geradeheraus an: «Es ist komplizierter, als wir dachten». Wir, das sind die Konsumentinnen und Konsumenten, die Leserinnen und Leser. Für das mehrheitlich aus dem Fach stammende Podiumspublikum mag das zwar nicht zutreffen – aber für den grossen Rest der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hat Spörri recht.
Vordergründig geht es bei der Buchpreisbindung um die Festlegung des Verkaufspreises, aber mitzudenken gilt es die Buchhändlerinnen, die Verlage, die Autoren, die Bibliotheken und die Verteilzentren. Im Laufe der Diskussion tretet noch etwas ganz deutlich zu Tage: Eigentlich geht es um nichts geringeres als ein Weltbild. Das Weltbild eines unregulierten Marktes.
Cornel Dora (für die Buchpreisbindung), Leiter der Kantonsbibliothek Vadiana, stellt die Frage: «Muss man überall einen freien Markt haben?» Mit einem Ja zur Buchpreisbindung könne sich jeder gegen die Weltanschauung des unregulierten, freien Marktes aussprechen. Ein Publikumsredner sieht es gar als Bürgerpflicht des Stimmbürgers, Solidarität mit den Kleinen zu zeigen und ein Ja in die Urne zu legen. Leonie Schwendimann vermutet hinter den Nein-Positionen eine ganz bestimmte Haltung des Konsums: möglichst billig. Es sollte ein Bewusstsein um das Buch entstehen, wie es beim Gemüse passiert ist. Aus der Region, für die Region.
Die Blicke und Fragen des Publikums gehen immer wieder zu Franziska Troesch-Schnyder. Dass sie gegen die Preisbindung ist, stösst den meisten sauer auf. Troesch versichert wiederholt, dass sie persönlich immer nur bei den Kleinen kaufe – eben auch das Essen. Aber die Buchpreisbindung sei das falsche Mittel, um die kleinen Buchhandlungen zu retten, das falsche Mittel um damit die kleinen Verlage und die unbekannten Autoren zu fördern.
Eine energische Frau im Publikum fragt sie bald: «Was sind denn ihre Vorschläge, um Autoren zu fördern?» Troesch antwortet: «Im Gesetz steht kein einziges Wort …» «Halt, halt, halt» wird sie von der Frau unterbrochen «Das Geld landet in der Kasse der Buchläden und diese können es sich dann leisten, ein Werk von einem unbekannten Appenzeller aufzulegen». Auch eine Verlagsvertreterin im Publikum sieht die Buchpreisbindung als einen Vorteil, Nischenprodukte weiterhin anbieten zu können. Das Buch ist eben Kulturgut, kein Konsumgut.
Trotzdem wird gerade jetzt viel um den Preis diskutiert. Leonie Schwendimann hält sich an die Listenpreise und bietet ihre Bücher meist billiger an als der grosse Orell Füssli ein paar Gassen weiter. Das ist noch kaum ins Bewusstsein der Konsumenten gedrungen. Die Buchhandlung zur Rose ist keine Ausnahme. Bei den Kleinen gibts die Bücher oft günstiger. Nur die Exlibris-Preise dümpeln im Keller. Die Buchpreisbindung werde übrigens nur die Bestsellerpreise sinken lassen, die anderen werden steigen, sagt Troesch und verweist auf Entwicklungen auf dem freien Buchmarkt in England. Übringens: Rund um die Schweiz haben alle Länder eine Buchpreisbindung. Noch so etwas, wovon man kaum Ahnung hat.
«Die kleinen Buchhandlungen sind auf Grosskunden angewiesen. Auf Schulen und Bibliotheken» nimmt Carol Forster einen weiteren Buchmarkt-Akteur ins Visier und Cornel Dora bestätigt, dass grosse Bibliotheken mit sechsstelligen Jahresetats dazu übergegangen sind, im Ausland zu kaufen. Die Rabatte sind höher, der Kundendienst besser. Dabei wäre es laut Dora wichtig «die Chancengleichheit zu fördern». Nicht nur die Zugänge zum Buch, sondern auch die Förderung der kleinen, lokalen Buchläden. Also auch hier wieder: «Aus der Region, für die Region».
Den Abschiedssatz von Hanspeter Spörri unterschreiben am Ende alle mit einem Ja, auch Franziska Troesch-Schnyder: «Wir sind für Buchhandlungen!» – vor allem für die Kleinen.
Am 11. März wird über die Buchpreisbindung abgestimmt.