Ein Hochhaus am Rand der Kreuzbleiche

Die Immobilienfirma Halter will gegenüber der Sporthalle Kreuzbleiche in St.Gallen ein Hochhaus bauen. Die ehemaligen Produktionshallen der Bischoff Textil nebenan sollen danach öffentlich genutzt werden. Die Kulturszene witterte eine Chance – doch diese scheint klein.
Von  René Hornung
Hier an der Bogenstrasse in St.Gallen soll das Hochhaus von Herzog & de Meuron dereinst am Himmel kratzen. (Bild: rh)

Die Immobilienfirma Halter lud Quartierbewohner:innen und Parteienvertreter:innen in die Lokremise ein, gleich am Start des Planungsprozesses ihre Wünsche zu formulieren. Und schon bevor es losging, wurden die Interessierten zu den Häppchen gebeten.

Wie man gute Stimmung schafft, wissen die Immobilienprofis und sie bieten gut geschultes Personal auf, das empathisch aufs Publikum eingeht. Schliesslich geht es um viel Geld, im konkreten Fall um ein Hochhaus, von dem es im Moment weder eine Angabe zur Höhe noch zur Gestaltung gibt. Klar ist nur: Halter will gegenüber der Sporthalle Kreuzbleiche, dort wo heute eine Tankstelle und ein Wohnblock mit der Pizzeria Castello stehen, einen Turm vom bekannten Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron bauen lassen.

Nebenan bleiben das aus den 1950er-Jahren stammende, sorgfältig sanierte Hochhaus von Bischoff Textil sowie die ehemaligen Fabrikationshallen mit ihren Sheddächern stehen. Sie sollen künftig öffentlich genutzt werden. Kulturschaffende der Freien Szene witterten die Chance, hier zu den langersehnten Räumen zu kommen. Doch am Ende der Veranstaltung war klar: die Hoffnung scheint vergeblich. Dazu später mehr. – Die Liegenschaft nebenan mit der Pizzeria Castello im Erdgeschoss, gehört der Brauerei Schützengarten. Halter hat sich als Investor diese Ecke samt dem Boden der Tankstelle gesichert und will dort «ein neues Stück Stadt» bauen.

Buschor: «Bau ist anspruchsvoll»

Zwei Jahre lang habe man mit Bischoff Textil, der Brauerei Schützengarten und der Stadt Gespräche geführt. Nun wolle man die Meinung der Öffentlichkeit hören, bevor die Planungen konkret beginnen, so die Einleitung von Rolf Geiger, Leiter Business Development Ostschweiz bei Halter.

Privater Investor ohne Architekturwettbewerb

Die Immobilienfirma Halter sei eher zufällig mit dem bekannten Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron für dieses Projekt zusammengekommen, sagte Rolf Geiger, Leiter Business Development Ostschweiz von Halter, auf eine Frage, warum für ein so grosses Projekt kein Architekturwettbewerb durchgeführt werde. Die Stadt St.Gallen betont immer wieder, wie wichtig Wettbewerbe sind, um gute Lösungen zu finden.

Man habe es hier mit einem privaten Investor zu tun, der selbst entscheiden könne, mit wem er bauen wolle, so die Antwort von Stadtplaner Florian Kessler. Die Stadtplanung hatte – so war am Rand der Veranstaltung zu erfahren – mehrmals ein Wettbewerbsverfahren für dieses Projekt gewünscht, allerdings ohne Erfolg.

Zwei ebenfalls anwesende Architekten von Herzog & de Meuron hatten im direkten Gespräch zwar Verständnis für die Forderung nach einem Wettbewerb. Tatsache sei aber auch, dass jedes Architekturbüro Freude an einem Direktauftrag habe. Die Architekten stellten in Aussicht, dass sie dem Sachverständigenrat mehrere Varianten vorlegen werden – es werde genug Gelegenheiten geben, das Projekt zu diskutieren.

Eingeladen war auch Stadtrat Markus Buschor. Er äusserte sich zurückhaltend, wies aber darauf hin, dass der Bau eines Hochhauses «anspruchsvoll» sei. Vom Schattenwurf bis zur Umgebung stellten solche Bauten besondere Anforderungen. – Man sei sich dieser Bedingungen im Klaren, kommentierte Halter Projektleiter Robin Neuhaus. Man wolle zum Beispiel eine öffentliche Nutzung im Erdgeschoss des Neubaus und man werde nachhaltig bauen.

St.Gallens Stadtplaner Florian Kessler doppelte nach: Städtebau, Freiraum und Klima waren seine Stichworte, auf die ein Hochhaus Rücksicht nehmen müsse. Die Qualitätsansprüche seien hoch. Es brauche wohl noch einige Gespräche mit dem Sachverständigenrat, dem beratenden Fachgremium, und später die parlamentarische Zustimmung zu einem Sondernutzungsplan. Danach wird noch ein Mitwirkungsverfahren für jedermann starten – so schnell wird es hier also nicht losgehen. Im optimalsten Fall könnte 2026 mit dem Bau begonnen werden.

Wunsch nach öffentlicher Zugänglichkeit

Wie an solchen Informationsanlässen üblich, wurden die Anwesenden in Gruppen aufgefordert, ihre Wünsche zu formulieren und aufzuschreiben. Die Resultate würden in der Planung berücksichtigt – mindestens «soweit wie möglich und sinnvoll», wie es in der Einladung hiess. Gewünscht wurden unter anderem ein Mobilitätskonzept, damit im Quartier kein Mehrverkehr entsteht, ein Restaurant mit Biergarten oder ein Café im Neubau, ein neutraler Begegnungsort und ein im Erdgeschoss durchlässiger Bau, der Querungen ermöglicht. Eine öffentliche Dachterrasse war ein weiterer Wunsch und ein direkter Übergang über die Bogenstrasse zur Kreuzbleiche standen auf weiteren Zetteln. Ein vergleichsweise bescheidener Wunsch des Quartiers wäre auch ohne Hochhauspläne realisierbar: ein Dach über der Bushaltestelle.

Von der erhofften kulturellen Nutzung der Shedhallen war am Schluss nicht mehr viel übrig, denn diese Hallen bleiben im Eigentum von Bischoff Textil und werden zu Marktbedingungen vermietet. Das verunmögliche ein Kulturnutzung, so die Einschätzung der Anwesenden. Kultur kann bekanntlich keine Marktmieten zahlen. Die freie Szene, die noch immer auf eine Spielstätte hofft, erst recht nicht.