Eigentlich zu stark für den Abstiegskampf

Fünf Runden sind gespielt in der neuen Saison. Der FC St.Gallen steht auf dem vorletzten Platz. Kein gutes Zeichen, wenn man auf die Statistik blickt. SENF hat die Leistungen der ersten Spiele analysiert und dabei insbesondere auf die Neuzugänge geachtet.
Von  SENF Kollektiv
(Bild: zvg)

Der FC St.Gallen taumelt in eine echte Krise. Das macht die Beurteilung der Spieler nicht einfacher, weil in solchen Phasen kaum einer sein Potenzial abrufen kann. Aber schlussendlich muss der FCSG den Karren mit den vorhandenen Spielern aus dem Dreck ziehen. Erste positive Tendenzen sind sehr wohl zu beobachten.

Das bis dato gesetzte Innenverteidiger-Duo um Alain Wiss und Martin Angha liest sich auf dem Papier gut. Auf der einen Seite der zweikampfstarke Angha, der zwischenzeitlich sogar das Amt des Kapitäns innehatte. Auf der anderen Seite der ehemalige zentrale Mittelfeldspieler Wiss, der im Aufbau über einen klugen ersten Ball verfügt. In Tat und Wahrheit funktioniert die Paarung aber nicht wie gewollt. Der eben erst verpflichtete Karim Haggui soll nun der neue Abwehrchef sein, fällt aber vorerst aus, nachdem er sich gleich im ersten Einsatz das Jochbein gerissen hat. Der Tunesier ist erfahren und hat in der Bundesliga einst gute Leistungen gezeigt. Allerdings ist das lange her. Und mehrere Jahre sind im Profifussball eine Ewigkeit. Es gilt abzuwarten, bis er wieder fit ist.

Wenig Abschlüsse

Ein erfahrener Innenverteidiger stand aber schon lange auf der Wunschliste vieler Fans. Dass man zusammen mit YB und Luzern statistisch die zweitbeste Abwehr der Liga hat, täuscht nämlich. Es ist eine Zahl, die vor allem darauf gründet, dass die Grundausrichtung der Mannschaft bemerkenswert defensiv ist. Die Spiele gegen YB, Sion und Lausanne waren an offensiver Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Mit bislang 40 Abschlüssen verzeichneten die Espen von allen Teams am wenigsten. Als Vergleich: Die Berner Young Boys können sich deren 96 notieren lassen.

Böse Zungen werden gar von einer offensiven Planlosigkeit sprechen, die Zinnbauer zu verantworten hat. Es sind einzelne Begebenheiten, die diese These stützen. Man erinnert sich an Roman Buess, der etwa mehrfach alleine die gegnerische Defensive anzulaufen versuchte und sich anschliessend über den fehlenden Support seiner Mitspieler lautstark ärgerte. Sowas kommt vor, aber gerade in der aktuellen Lage scheint es schon ein Indikator für eine gewisse Planlosigkeit zu sein. Ein weiterer Indikator: Die St.Galler haben die zweitwenigsten Eckbälle zugesprochen bekommen. Eckbälle resultieren aus vergebenen Chancen, aus Druckphasen und offensivem Wirken.

Stürmer Buess ist trotzdem ein guter Transfer. Natürlich war seine Leistung in Vaduz mehr als dürftig, nimmt doch jenes Spiel womöglich einen ganz anderen Verlauf, wenn der U17-Weltmeister zur Führung trifft. Jedoch war Buess mit einem Tor und zwei Assists an allen drei bisherigen St.Galler Meisterschaftstoren direkt beteiligt. Zudem war es Buess, der im Cup per Doppelpack die Blamage verhinderte. Der Zuzug aus Thun läuft viel und kommt auch zu Chancen. Dass es viele Phasen gibt, in denen er in der Luft hängt, darf nicht nur an ihm festgemacht werden. Vor allem dann nicht, wenn Zinnbauer mit ihm als einziger Spitze spielen lässt.

Ballbesitz am falschen Ort

Bemerkenswert aber ist, dass die Grün-Weissen in keinem der fünf Meisterschaftsspiele weniger Ballbesitz hatten als ihr Gegner. Daraus kann man schliessen, dass das Spielgerät also durchaus in den Reihen der St.Galler ist, kaum aber in gefährlichen Zonen. Zinnbauers System mit einer einzigen Spitze hat zur Folge, dass man im Mittelfeld einen Spieler mehr hat. Oft wird so ein Übergewicht im Mittelfeld erzeugt. Zu brauchbaren Offensivaktionen kommt es aber dennoch selten.

Die Probleme beim Toreschiessen überraschen auch, weil das Potenzial des Teams sicherlich mehr hergeben würde. Tafer hat überdurchschnittliche Fähigkeiten. Er ist technisch überaus beschlagen und in der Lage, entscheidende Pässe zu spielen. Ihn zu kitzeln, ist Aufgabe des Trainers. Aleksic dagegen dürfte gemeinhin etwas überschätzt werden. Seine fulminanten Freistösse täuschen über seinen fehlenden Einfluss im Spiel hinweg. Dem Serben gelingt aus dem Spiel heraus wenig. Oft verpasst er das richtige Zeitfenster für ein Abspiel oder positioniert sich nicht in den aussichtsreichen Zonen. Er fällt nicht ab, aber Reputation und tatsächliche Wirkung klaffen bei ihm auseinander.

Abfallen dagegen tut bisher Neuzugang Gouaida. Der Zinnbauer-Schützling ist wenig am Ball, brilliert weder mit Dribbling noch mit Tempo. Aratore, der formstärkste St.Galler zum Ende der vergangenen Rückrunde, wäre da wohl eine bessere, weil schnellere und agilere Variante. Auch Chabbi, einem weiteren Neuzugang, kann man derartige Attribute attestieren. Sein Können bereits abschliessend zu beurteilen, ist natürlich noch nicht möglich. Aber einen besseren Eindruck als Gouaida hat er auf jeden Fall hinterlassen.

Bedrohliche Statistik

Als einzigen Sechser vor der Abwehr hat Zinnbauer seinen neuen Spielführer Toko fest eingeplant. Sein Wirken beschränkt sich fast ausschliesslich auf die Defensive, was mutmasslich auch die Vorgabe seines Trainers ist. Toko ist bemüht, zweikampfstark und versucht ab und an, sich zwischen die beiden Innenverteidiger zu schieben, während die Aussenverteidiger nach vorne rücken. Von dort aus betreibt er dann den Spielaufbau. Bis anhin tut er das grundsolide. Ein umsichtiger Stratege, der mit ruhiger Hand als Metronom vor der Abwehr durchdachte Bälle spielt und Angriffe provoziert, ist er aber nicht. Jene Aufgabe ist dann doch eher für Gaudino vorgesehen.

Gaudinos Qualitäten als technisch versierter Fussballer sind unbestritten. Und doch stellt man sich die Frage, ob er in dieses Team passt. Er ist im St.Galler Mittelfeld der einzige richtige Kombinationsspieler. Die Tafers, Aratores oder Aleksics sind eher temporeiche Spieler, die den Weg zum Tor direkt anvisieren. Ist Gaudino am Ball, wirkt es eher, als würde er das Tempo etwas verschleppen. Weiter hinten, wo er den klugen Aufbauer mimen könnte, wäre er mutmasslich effektiver. Dort spielt aber Toko.

Auf der Aussenverteidigerposition konnte sich Kofi Schulz, der in den Startspielen noch begann, noch nicht durchsetzen. Der ebenfalls neue Wittwer bekam zuletzt den Vorzug. Schulz ist schnell, hat aber technisch und taktisch bisweilen Mühe. Keiner der beiden dürfte eine überragende Rolle spielen. Tröstend darf jedoch angefügt werden, dass die Positionen links-  und rechtsaussen in der Viererkette im gesamten Weltfussball traditionell selten mit Weltklasse-Spielern besetzt sind. Es gibt schlicht wenige, die wirklich gut sind.

Wenn wir unsere Erkenntnisse zusammenfassen, müssen wir festhalten, dass die Mannschaft eigentlich zu stark wäre für den Abstiegskampf. Jedoch hat uns der FC Zürich vor wenigen Monaten erst bewiesen, dass dies längst keine Garantie ist, die Klasse zu halten. Der FC St.Gallen muss aufpassen. Zumal die Statistik der letzten Jahre nicht mehr für den FCSG spricht. Seit 2005 waren die St.Galler nach dem fünften Spieltag fast immer auf Rang 5 oder besser klassiert. Nur in zwei Fällen lag man am fünften Spieltag auf den hinteren Rängen. Und zwar in den Saisons 2007/08 und 2010/11. Am Ende dieser beiden Saisons stieg der FCSG ab.

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Hoffnung: Der Regenbogen auf dem Heimweg von Vaduz könnte bessere Zeiten ankündigen.