Doch kein ultimativer Dresscode
Weil sie sich weigerten ihr Kopftuch im Unterricht abzuziehen, wurden in Heerbrugg zwei Mädchen der Schule verwiesen. Jetzt dürfen sie wieder lernen – mit Kopfbedeckung. Die SVP versteht nicht wieso.
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Religiöse Symbole demonstrativ am eigenen Körper zur Schau gestellt – ob das nun ein Kreuz, ein Kopftuch oder eine Kippa ist – machen, vernünftig betrachtet, keinen Sinn. Objektiv gesehen schadet diese optische Identitäts-Markierung aber auch niemandem. Warum also sollte überhaupt eine öffentliche Diskussion darüber geführt werden? Schuld ist eine politische Zwangsneurose, die besagt, dass ein morgenländisches Kopftuch die abendländische Leitkultur ernsthaft bedroht.
Im vergangenen Februar hat getreu nach dem Motto: Wehret den Anfängen! – der Schulrat Au-Heerbrugg die Empfehlung des St.Galler Erziehungsrates, das Tragen jeglicher Kopfbedeckung in den Räumlichkeiten der Primarschule zu untersagen, als ultimativen Dresscode in die neue Schulordnung aufgenommen. Konsequenz daraus: Zwei Mädchen einer anerkannten Flüchtlingsfamilie aus Somalia sind vom Schulunterricht ausgeschlossen worden, weil sie sich in den Klassenräumen nicht von ihren Kopftüchern trennen wollten.
Nach einigem öffentlichem Wirbel hat die Rheintaler Schulbehörde das Edikt jedoch wieder aufgehoben. Es sei der Integration der beiden Mädchen nicht förderlich, und vorderhand fehle eine verlässliche rechtliche Grundlage für die Anwendung des Kopftuchtragverbotes eh, liess die Schulbehörde verlauten. – So kann man sich mit einer Prise Vernunft von einer politischen Zwangneurose therapieren.
Keine Wirkung aber hat diese geistige Homöopathie auf die SVP des Kantons St.Gallen. In einer Medienmitteilung rügen die Kopftuchneurotiker die Umkehr des Schulrates, weil er sich über die eigene Schulordnung hinweggesetzt habe. «Ist dies die Form von Integration, die sich die Schulverantwortlichen in Au-Heerbrugg vorstellen? Und ist dies die Integrationsbereitschaft, die wir von anerkannten Flüchtlingen und Immigranten erwarten können?», fragt die Partei kategorisch, und stellt gar wegen des bisschen Stoffs auf den Häuptern von zwei Schulmädchen die nationale Seinsfrage: «Dulden wir in unserem Land Parallelgesellschaften oder haben sich alle gleichermassen an die Werte und Regeln zu halten?»