Die Wohnungslosigkeit nimmt stark zu

Im Alltag sind sie meist unsichtbar. Doch sie werden immer zahlreicher – und immer sichtbarer: Armutsbetroffene und, als unmittelbare Folge davon, Wohnungslose. Dennoch ist das Bewusstsein für die Problematik in weiten Kreisen der Gesellschaft kaum vorhanden. Was man nicht sieht, ist vermeintlich weit weg. Dreht sich diese Spirale jedoch weiter, dürfte sich dieses ohnehin schon grosse gesellschaftliche Problem verschärfen.
Die gute Nachricht: Obdachlosigkeit ist in St.Gallen als grösstem Zentrum der Ostschweiz aktuell kein Thema. Noch nicht. Eine Anfang 2022 veröffentlichte Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz zur Obdachlosigkeit in der Schweiz kam zum Schluss, dass es in St.Gallen, hochgerechnet auf 100’000 Einwohner:innen ab 18 Jahren, acht Obdachlose gibt, bei der effektiven Wohnbevölkerung also etwa fünf bis sechs. Zum Vergleich: In Genf sind es 210 Menschen, in Lausanne 150, mit weitem Abstand folgen Bern, Basel, Lugano, Zürich und Luzern. Dabei wird «von Obdachlosigkeit im engeren Sinne gesprochen, wenn Menschen auf der Strasse, auf öffentlichen Plätzen oder in jenen Notschlafstellen übernachten, die im Regelfall keinen Tagesaufenthalt anbieten».
Immer mehr Wohnungslose
In St.Gallen müsse niemand unter freiem Himmel schlafen, sagt Regine Rust, Leiterin der Stiftung Suchthilfe. Zumindest gebe es niemanden, der kein Obdach finde, wenn er oder sie eins brauche. «Wir kennen Leute, die im Wald wohnen und sich dort behelfsmässige Unterkünfte gebaut haben. Aber sie wollen es so.» Anders – und das ist die schlechte Nachricht – sieht es jedoch bei Wohnungslosen aus. Also bei Menschen, die keine eigene Wohnung haben und irgendwo unterkommen. Bei Freund:innen oder Bekannten auf der Couch, in Billighotels oder Hilfseinrichtungen wie der Unterkunft für Obdachlose (UFO), der sogenannten Notschlafstelle der Stadt, und in privaten Einrichtungen wie Endlesslife.
Die Zahl der wohnungslosen Menschen habe in den vergangenen Jahren stark zugenommen, sagt Rust. Dass es im öffentlichen Raum noch so ruhig sei, habe letztlich mit dem immensen Aufwand zu tun, den alle zuständigen Stellen in der Stadt betrieben.
Armut ist spürbar gestiegen
Allgemein steige die Armut in der Schweiz seit einigen Jahren kontinuierlich und inzwischen spürbar an, sagt Rust. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig. Die Teuerung, höhere Energiekosten, steigende Mieten und Krankenkassenprämien. Die zunehmende Armut wirkt sich direkt auf die tägliche Arbeit der Stiftung Suchthilfe aus. So hat sich in der St.Galler Gassenküche die Zahl der Gäste im letzten Jahr mehr als verdoppelt. Kamen bis im Frühjahr 2023 etwa 30 Personen pro Tag zum Mittagessen, sind es heute über 60, an gewissen Tagen sogar 80. «Zuerst dachten wir, dass das mit dem kalten und nassen Frühling zusammenhängt. Doch als die Zahl auch im Spätsommer so hoch war, merkten wir, dass es ein dauerhaftes Problem ist.» Auch im Blauen Engel im Katharinenhof, dem Treffpunkt für Randständige im Zentrum von St.Gallen, ist die Zahl der Gäste deutlich gestiegen.
Die Fachstelle für aufsuchende Sozialarbeit (FASA), ein weiterer Betrieb der Stiftung Suchthilfe, bekommt diese Entwicklung ebenfalls hautnah mit. Sie pflegt zum einen den Kontakt zu Randständigen im öffentlichen Raum, zum anderen bietet sie Einzelfallhilfen an. Letztere hätten in den vergangenen Monaten stark zugenommen, sagt Sozialarbeiterin Alexandra Kaden. Sie ist seit fünf Jahren bei der FASA. Diese erstellt zusammen mit den Betroffenen Budgets, geht ihre (manchmal wochenlang ungeöffnete) Post durch, unterstützt sie bei der Wohnungssuche oder schreibt Gesuche an Stiftungen für die Übernahme nicht mehr bezahlbarer Mieten, für Kleider oder für Handys, sie kommuniziert mit Behörden und Ämtern und hilft den Klient:innen, Dokumente wie Betreibungsauszüge zu besorgen.
Stiftung Suchthilfe ist personell am Anschlag
Bei einigen Klient:innen, die durch die Maschen des Systems gefallen sind, gehe es gewissermassen darum, ihre Existenz von null auf neu aufzubauen, zumindest auf Papier: Sie müssen sich wieder anmelden, ein Konto eröffnen etc. Manche seien nur schon gehemmt, wenn sie ein Telefongespräch führen müssten, sagt Kaden. Und vielen Betroffenen ab 50 fehlten schlicht die Skills, um sich in der digitalen Welt zurechtzufinden. Das allein erschwert viele Aufgaben wie die Wohnungssuche ungemein.
Wichtig sei, dass die Unterstützung nicht zur «erlernten Hilflosigkeit» führe, sondern Hilfe zur Selbsthilfe sei, betont Rust. «Unser Ziel ist es, ihnen aufzuzeigen, was sie selber erledigen können, und sie dort zu unterstützen, wo es aus eigener Kraft nicht zu schaffen ist. Konkret heisst das, nicht sämtliche Probleme für die Klient:innen zu lösen und ihnen damit das abzunehmen, was sie eigentlich selber können. Sondern sie durch eigene Erfolgserlebnisse zu stärken und ihnen dadurch neue Perspektiven aufzuzeigen.»
Dass die Unterstützung manchmal auch an ihre Grenzen stossen kann, ist jedoch nicht nur fachlich begründet: Alle Betriebe der Stiftung Suchthilfe sind personell am Anschlag. Nicht nur die Gassenküche platze aus allen Nähten, sondern alle Angebote. Der administrative Aufwand ist immens. Die FASA könne den gestiegenen Betreuungsaufwand derzeit noch meistern, sagt Kaden. Aber «Überstunden» sind auch hier kein Fremdwort, ergänzt Rust. «Wenn sich die Situation im nächsten Jahr nicht entspannt, wird es schwierig.»
Augenschein im UFO
Besuch im Haus zur Grünhalde, wo die Sozialen Dienste der Stadt St.Gallen das UFO, also die eigentliche Notschlafstelle, und eine betreute Wohngruppe für längere Aufenthalte führen. Die Belegung der insgesamt 18 Betten im UFO, die sich auf Zwei- oder Dreibettzimmer verteilen, sei schwankend, sagt Leiter Roland Schüpfer. An diesem Nachmittag Mitte Dezember sind noch fünf Schlafplätze frei, doch zwei Wochen zuvor war die Notschlafstelle komplett belegt.
Die Unterkunft steht täglich ab 19 Uhr allen Personen offen, die zuletzt an einem Ort in der Schweiz gemeldet waren. Dort bekommen sie einen warmen Znacht und ein Frühstück, können duschen, waschen oder sich medizinisch versorgen lassen und die Nacht verbringen. Darüber hinaus können sie auch die Hilfe der Betreuer:innen in Anspruch nehmen rund um Alltagsgeschäfte wie Krankenkasse, Vermittlung eines Arztes, Wohnungssuche und ähnliches. Tagsüber müssen sie die Unterkunft verlassen.
Im UFO beträgt die maximale Aufenthaltsdauer normalerweise nur wenige Tage. Bei auswärtigen Menschen vermitteln die Verantwortlichen einen Termin bei den Sozialen Diensten der aktuellen beziehungsweise letzten Wohngemeinde, damit weitere Unterstützungsleistungen oder die Finanzierung eines allenfalls notwendigen und längeren Aufenthalts geregelt werden können. Die betroffene Person ist verpflichtet, mit den Sozialen Diensten zusammenzuarbeiten, ihre Finanzen offenzulegen usw. Wer länger bleibt, bekommt eine Kostengutsprache.
Menschen, die in kein Schema passen
Dass zuletzt mehr Personen auf das UFO angewiesen waren, zeigt ein Blick in den aktuellen Geschäftsbericht der Stadt St.Gallen: Die Zahl der Aufenthaltstage sank zwar von 1586 im Jahr 2021 auf 1276 (2020: 1200), gleichzeitig nahm die Zahl der Personen von 74 auf 103 zu (2020: 72) – ein Plus von fast 40 Prozent. Grund für die Abnahme der Aufenthaltstage seien vermehrt Personen, «die häufig mit psychisch auffälligem Verhalten für wenige Tage zugeführt werden», heisst es im Geschäftsbericht. Zudem sei die Belegung im Oktober und November 2022 aufgrund der warmen Witterung unterdurchschnittlich gewesen. Mit anderen Worten: Es gibt Menschen, die die Nächte bei milden Temperaturen draussen verbringen.
«Wir haben hier Menschen, die in kein Schema passen, weder in ein Altersheim noch ins begleitete Wohnen, weil irgendein Teil ihrer Persönlichkeit nicht in normale Strukturen passt», sagt Schüpfer. «Bei uns gibt es alles, vom Fussballprofi über den Geschäftsmann oder den Hausarzt bis zu jemandem, der seit Monaten nicht mehr geduscht hat.» Oft seien es Menschen, die ein «normales» Leben führten, verheiratet waren, einen Job hatten – und dann aus unterschiedlichsten Gründen abstürzten. Das könne private Ursachen haben, etwa nach einer Trennung, wegen übermässigem Drogen- oder Alkoholkonsum, aber auch aufgrund von psychischen Erkrankungen. «So jemand passt in keine WG», sagt Schüpfer, sondern bleibt dann vielleicht länger im UFO.
Zwänge kontrollieren
Rund ein Drittel der Bewohner:innen sei psychisch stark angeschlagen. Schwer sei es insbesondere mit jenen, die – trotz ihrer Intelligenz – nicht in der Lage seien zu erkennen, dass ihnen etwas fehle. Diese Menschen würden überall im täglichen Leben anecken.
Schüpfer nennt ein Beispiel: Aktuell wohne eine Frau im UFO, die kurz vor dem Abschluss ihres Rechtsstudiums stand. Nach und nach steigerte sie sich in einen Putzzwang hinein, der sich zu einem Waschzwang ausweitete. Deswegen sei es zu Konflikten mit anderen Hausbewohner:innen gekommen, was darin gegipfelt habe, dass sie den Nachbarn mit einem heissen Bügeleisen und einem Schirm angegriffen habe. Nach mehreren Klinikaufenthalten sei sie nun im UFO gelandet.
Hier hat sie zwei Waschtage pro Woche, an denen sie die Waschmaschine und den Tumbler allein benützen könne. An den anderen fünf Tagen müssen die UFO-Mitarbeiter:innen kontrollieren, dass sie nicht unter der Dusche oder im Brünneli wasche. Man müsse der Frau alles wegnehmen: die Seife, den Föhn, selbst die Kerzen, mit denen sie die nassen Kleider trocknen würde. Eine Bedingung für den Aufenthalt sei, dass sie ihre Medikamente täglich nehme. Das geschehe unter Aufsicht – inklusive Schluckkontrolle.
Immer mehr Aufenthalte wegen psychischer Erkrankungen
Früher habe vor allem der Missbrauch von Drogen und Alkohol die Betroffenen zum UFO geführt, sagt Schüpfer. Inzwischen stelle er fest, dass es immer mehr psychisch kranke Menschen seien, die an den Rand der Gesellschaft rutschten – und mehr Frauen. Kürzlich gab es eine Premiere in der rund 30-jährigen Geschichte des UFO: Es übernachteten mehr Frauen in der Unterkunft als Männer. Auch das ist eine Folge dieser Entwicklung: Während Frauen im Drogenmilieu oft eine Unterkunft bekommen – auch gegen sexuelle Dienstleistungen –, sei eine Beherbergung bei psychischen Erkrankungen wegen der damit verbundenen Betreuungsaufgaben fast nicht möglich, auch im familiären Umfeld nicht.
Der Konsum ist im UFO erlaubt. Die Bewohner:innen bekommen im 1:1-Austausch ausserdem saubere Spritzen. «Wir haben auch schwere Alkoholiker, die den Pegel halten müssen, um überhaupt zu funktionieren», sagt Schüpfer. Drei Dosen Bier dürfen sie auf das Zimmer mitnehmen, wer mehr dabei hat, muss es deponieren und bekommt es sukzessive zurück. Ein Verbot bringe nichts, konsumiert werde trotzdem, dann finde man das Spritzenmaterial einfach im Bett oder es werde aus dem Fenster geworfen und liege rund ums Haus. Durch die Spritzenabgabe wisse man, wer im Haus Drogen konsumiere, und könne ein Auge darauf haben. «Es ist streng, aber machbar. Und ja, es macht Freude», sagt Schüpfer, der seit der Eröffnung des UFOs vor rund 30 Jahren dabei ist.
Was gerade bei Krisensituationen erleichternd sei, sei die gute Zusammenarbeit mit den Sozialen Diensten und der Polizei. Man kenne sich (und die Klient:innen), die Wege seien kurz. «Wir leben nach dem Motto: ‹Zum Wohle der Betroffenen›. Sie alle sind verschieden und brauchen etwas anderes. Das versuchen wir ihnen zu geben.»
Auch der «Winterschlaf» wird rege genutzt
Der freikirchlich geprägte Verein Endlesslife betreibt jeweils von Anfang November bis Ende März eine private Notschlafstelle in St.Gallen. 2018 wurde sie in der Altstadt mit sechs Plätzen eröffnet, inzwischen befindet sie sich neben dem Olma-Areal und bietet einen Massenschlag mit zehn Schlafplätzen sowie einen separaten Bereich für Frauen. Sie ist von 20 bis 7 Uhr geöffnet. Im Gegensatz zum UFO ist der Konsum von Alkohol oder Drogen im «Winterschlaf» strikt verboten. Wer sich nicht daran hält, fliegt raus.
Das Angebot werde rege genutzt, sagt Gründer und Präsident Thomas Feurer. «Wir sind gut ausgelastet, aber nicht voll.» Die Betroffenen können so lange bleiben, wie ihre Not andauert. Das Team von Endlesslife bietet ihnen auch Beratungen an, ausserdem können sie Kleider oder Hygieneprodukte beziehen.
Anders als im UFO können auch Ausländer:innen, die nicht in der Schweiz gemeldet seien, im «Winterschlaf» übernachten. Es passiere immer wieder, dass billige Arbeitskräfte aus Osteuropa mit falschen Versprechen für einen Job in die Schweiz gelockt würden und dann hier stranden, weil sie keinen Lohn erhalten oder den Job gar nicht erst antreten können.
«Es soll nicht schön sein, bei uns zu wohnen»
Anfangs sei die Idee gewesen, den Bewohner:innen einen möglichst gemütlichen Aufenthalt anzubieten. Davon sei man inzwischen abgekommen: «Wir geben ihnen Sicherheit und ein Dach über dem Kopf. Es soll aber nicht schön sein, hier zu wohnen. Wer zu uns kommt, soll nicht dazu animiert werden, lange zu bleiben, sondern einen Antrieb entwickeln, etwas an der Situation zu ändern», meint Feurer, der selbst jahrelang drogenabhängig war und auf der Strasse lebte.
Die Wohnungslosigkeit sei nur ein Teil der Symptome, die sich jetzt zeigten, sagt Feurer. Auch er registriert die zunehmende Armut. An der Gassenweihnacht, wo notleidende Menschen Verpflegung, Kleider und Utensilien des täglichen Bedarfs bekommen, seien früher fast ausschliesslich Süchtige gewesen. Heute seien es zum grössten Teil Armutsbetroffene.
Diese Entwicklung bestätigt auch die Heilsarmee. Sie unterstützt Personen, die in armen Verhältnissen leben, in Zahlungsschwierigkeiten geraten und ihre Wohnung zu verlieren drohen, mit einer Mietzinsübernahme, sofern sichergestellt ist, dass die betreffende Person nicht in wenigen Monaten wieder am gleichen Punkt ist. «Die Zahl der Gesuche hat extrem zugenommen. Ich bekomme wöchentlich Anrufe», sagt Ruedi Odermatt, Co-Leiter der Heilsarmee St.Gallen. Und zwar vielfach von Personen, die im Arbeitsmarkt sind, bei denen am Ende des Montas aber der Lohn nicht mehr für die Miete reicht. Auch bei der Essensabgabe für Bedürftige kämen immer mehr Menschen vorbei. Und das Sozialzimmer der Heilsarmee sei jeden Tag belegt.
Es fehlt an günstigem Wohnraum für Familien
Zahlen zu wohnungslosen Personen in der Stadt St.Gallen gibt es nicht. «Wir stellen aber fest, dass es eine bestimmte Gruppe von Menschen gibt, die nicht mehr oder kaum an Wohnungen kommen und sich von Provisorium zu Provisorium hangeln», sagt Philip Fehr, Leiter der Sozialhilfe bei den Sozialen Diensten der Stadt. Das habe nicht nur finanzielle Gründe, sondern vor allem auch individuelle. Viele der Betroffenen seien psychisch angeschlagen und verhaltensauffällig, weshalb sie von Verwaltungen oft abgelehnt würden.
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt sei in St.Gallen noch okay, die Leerstandquote im Vergleich mit anderen Landesteilen noch hoch genug, sagt Regine Rust von der Stiftung Suchthilfe. Allerdings sei günstiger Wohnraum für Familien inzwischen nur noch sehr beschränkt vorhanden.
Die Frage stellt sich: Welche «Schuld» trägt die Stadt St. Gallen selbst an dieser Situation? Nachdem vor bald zwei Jahren der Krieg in der Ukraine ausgebrochen war, mietete sie – auf Geheiss des Kantons – über 200 Wohnungen an, um die Geflüchteten unterbringen zu können. Hat dies die Wohnungsnot für jene Bevölkerungsschicht, die auf billigen Wohnraum angewiesen ist, verschärft?
Philip Fehr verneint. Zum einen hätten viele Hausbesitzer:innen diese Wohnungen der Stadt explizit unter der Auflage vermietet, sie nur an die Geflüchteten aus der Ukraine zu geben. Und zum anderen lasse die Stadt seit dem Frühjahr quartalsmässig eine Wohnraumanalyse durchführen. Diese zeige, dass St.Gallen im Gegensatz zu vielen anderen Schweizer Städten in der angenehmen Situation sei, über genügend Wohnungen bis und mit viereinhalb Zimmern zu verfügen – auch über günstige. Allerdings seien die Preise im unteren Segment stärker gestiegen als im oberen.
Viele Sozialhilfebezüger:innen zahlen Miete vom Grundbedarf
So reicht für viele Sozialhilfebezüger:innen der Mietzinsanteil – also das Geld, das sie fürs Bezahlen der Wohnung bekommen – nicht mehr aus. Was darüber hinausgeht, müssen sie von ihrem Grundbedarf abziehen, was eigentlich nicht vorgesehen sei. Als Faustregel sei eine «Umschichtung» der Grundbedarfgelder für die Miete von rund 15 Prozent noch tolerierbar, sagt Fehr. Das Sozialamt habe der Direktion Soziales und Sicherheit bereits einen Erhöhungsvorschlag unterbereitet. «Wir hoffen, dass wir das im ersten Quartal 2024 bereits umsetzen können.» Ob man damit bei einem weiteren Anstieg des Referenzzinssatzes und somit der Mieten nicht schon bald wieder hinterherhinke, müsse man dann wieder anschauen – und gegebenenfalls nochmal reagieren.
Regine Rust ist jedenfalls wenig zuversichtlich, dass sich die Situation 2024 entspannen wird. «Am Ende dieser Saison können wir sagen, ob das ein Peak war oder ob es ein Trend ist. Ich befürchte, es ist letzeres. Und wenn der Mehraufwand in dem Umfang weiter steigt, wird es auch für uns finanziell eng.»